2. Bundesliga

Vuskovic-Prozess mit spannenden Fragen

HSV-Profi kämpferisch: "Ich will meine Unschuld beweisen"

Vuskovic-Prozess mit spannenden Fragen

Mario Vuskovic gab sich am ersten Verhandlungstag in seinem Dopingprozess kämpferisch.

Mario Vuskovic gab sich am ersten Verhandlungstag in seinem Dopingprozess kämpferisch. IMAGO/Lobeca

Bis zu vier Jahren Sperre drohen Mario Vuskovic wegen des im vergangenen Herbst festgestellten positiven EPO-Befunds. Die Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht, geführt vom Vorsitzenden Stephan Oberholz in Frankfurt, eröffnete der kroatische HSV-Profi via Dolmetscher mit einem kämpferischen Statement: "Ich möchte aussagen und meine Unschuld beweisen."

Im Kern ging es bei der Zeugenanhörung um diese brisante Frage: Könnte die Urinprobe des HSV-Profis am 16. September verwechselt worden sein? Oder wurde sie womöglich später vertauscht bzw. unsachgemäß behandelt auf dem Weg zur Untersuchung ins Labor, wo die Probe am 20. September beim Institut für Dopinganalytik und Sportbiochemie in Kreischa bei Dresden einging?

Konkrete Indizien für eine solche Theorie ließen sich aus den Äußerungen der Beteiligten nicht ableiten - auch wenn sich selbst der federführende Dopingkontrolleur nicht mehr erinnern kann, wie genau die beiden von Vuskovic abgegebenen Teilproben letztendlich in einem gemeinsamen Becher zusammenfanden.

Standen im Kontrollraum zwei Urinbecher nebeneinander auf dem Tisch?

Unstrittig ist: Parallel zu Vuskovic wurde nach der Trainingseinheit an jenem Freitag auch Teamkollege Xavier Amaechi im dafür vorgesehenen Raum der HSV-Arena getestet. Beide Spieler schafften es dabei nicht auf Anhieb, die geforderte Mindestmenge von 90 ml Urin abzugeben. Daher wurde zunächst von beiden Profis jeweils eine Teilprobe in getrennten Bechern gesichert. Vuskovic sagt aus, sein Becher habe während der Wartezeit auf einem Tisch im Kontrollraum gestanden - "ohne Deckel, soweit ich mich erinnere".

Ob in dieser Zeit auch der Becher mit Amaechis Urin auf dem Tisch stand? Vuskovic: "Daran kann ich mich nicht erinnern." Verbürgt ist unterdessen, dass Vuskovic seine Probe früher als Amaechi komplettierte. "Ich bin dann gegangen, Xavier war noch nicht so weit."

Dies bestätigt das Protokoll von Dopingkontrolleur Markus Jungbluth, Facharzt für Unfallchirurgie und Schmerztherapie am Klinikum Bad Bramstedt. Vuskovics Probe wurde demnach um 15.26 Uhr endgültig versiegelt, die von Amaechi um 16.09 Uhr.

Wurden die Proben vermischt? Dann hätten "beide positiv sein müssen"

Dass die beiden Becher nach der ersten Teilprobe versehentlich vertauscht worden sein könnten, hält der erfahrene Kontrolleur Jungbluth für ausgeschlossen. Denn: Die Gefäße würden auch in der Zwischenzeit mit Etikett und Siegel versehen, zudem hätten neben ihm und seiner Assistentin auch die Spieler jederzeit freie Sicht auf alle Vorgänge gehabt. Ohnehin sei evident: Wären die Proben Vuskovics und Amaechis wirklich vermischt worden, hätten bei der Laboranalyse "beide positiv sein müssen".

Offen blieb unterdessen, ob der Ablauf wirklich in sämtlichen Details exakt den Vorschriften entsprach. Demnach hätten beispielsweise streng genommen die Spieler selbst ihre jeweiligen Teilproben zusammenführen müssen, nicht der Kontrolleur. Eventuell gaben die Profis ihre zweite Probe auch direkt in den jeweils schon mit ihrem Urin befüllten Becher ab, wie es Vuskovic für seinen Fall schildert.

Jungbluth ging zunächst von einem anderen Ablauf aus, wollte auf ausdrückliche Nachfrage aber Vuskovics Version nicht ausschließen. Das weitere Vorgehen sei gemäß Jungbluths Ausführungen dagegen minutiös nachvollziehbar und entsprach demnach sämtlichen Standards: Das Urin wurde noch im Kontrollraum laborfertig in zwei Fläschchen umgefüllt (A- und B-Probe). Diese lagerte Jungbluth dann bei 7 Grad in einem Extra-Fach seines heimischen Kühlschranks, ehe ein DHL-Kurier die Proben wie vereinbart am nächsten Werktag abholte.

Konkret am Montag, 19. September, tags darauf gingen die Proben im Labor in Kreischa ein. Dass Unbefugte sich während der Lagerzeit an seinem Kühlschrank zu schaffen gemacht haben könnten, schloss Jungbluth ebenfalls aus.

Gutachten versprechen neue Ansätze für den zweiten Verhandlungstag

Quasi hilfsweise führte die Verteidigung an, Vuskovic sei rund um den Test nicht ausreichend belehrt worden. "Man hat uns nicht über unsere Rechte aufgeklärt, die Papiere waren auf Deutsch. Ich spreche Kroatisch, mein Deutsch ist nicht ausreichend, um die vielen Fachbegriffe zu verstehen", ließ der 21-Jährige übersetzen.

Ob dies wirklich als ein entscheidender Verfahrensfehler in Betracht kommt, scheint mehr als zweifelhaft. Mehr Spannung versprechen da verschiedene von der Verteidigung in Auftrag gegebene Gutachten, die sich mit möglichen Schwächen des vom Labor angewandten Analyse-Verfahrens befassen. Darum wird sich der zweite bereits angesetzte Verhandlungstag am Donnerstag kommender Woche drehen, wie Oberholz ankündigt.

Aussagen der HSV-Teamärzte sprechen für Vuskovic

Ob dann bereits mit einem Urteil gerechnet werden kann, bleibt abzuwarten. Sollten die von der Verteidigung veranlassten Gutachten zu Zweifeln an einem hinreichend korrekten Ablauf und vor allem an Vuskovics Positiv-Ergebnis führen, würde das DFB-Sportgericht einen unabhängigen Sachverständigen hinzuziehen.

Was bislang für Vuskovic spricht, sind neben seiner Aussage immerhin mehrere weiche Anhaltspunkte: Laut den Teamärzten Dr. Götz Welsch und Dr. Markus Schillings waren Vuskovics Blutwerte seit seiner Verpflichtung im Sommer 2021 bei regelmäßigen Kontrolluntersuchungen gleichbleibend unauffällig. Zudem wurden im Rahmen einer Kabinen- und Wohnungsdurchsuchung keinerlei Hinweise auf Helfer oder Hintermänner bzw. generell auf EPO gefunden.

Thiemo Müller