Bundesliga

Arminia Bielefelds Ex-Spieler Clauss im kicker-Interview

Außenbahnspieler erwischte guten Start bei RC Lens

"Von der Mentalität her wie Arminia": Clauss über seinen neuen Klub und die Erinnerung an Bielefeld

Mittlerweile in der Ligue 1 für RC Lens am Ball: Der Ex-Bielefelder Jonathan Clauss.

Mittlerweile in der Ligue 1 für RC Lens am Ball: Der Ex-Bielefelder Jonathan Clauss. imago images

Auch Sie hat schon vor einigen Wochen der COVID-19-Virus erwischt - wie geht es Ihnen nach Ihrer Genesung, Jonathan Clauss?

Ich fühle mich gut, sehr gut. Selbst während meiner Quarantäne hatte ich absolut keine Symptome.

Spielersteckbrief Clauss
Clauss

Clauss Jonathan

RC Lens - Vereinsdaten
RC Lens

Gründungsdatum

01.01.1906

Vereinsfarben

Rot-Gold

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Arminia Bielefeld - Vereinsdaten
Arminia Bielefeld

Gründungsdatum

03.05.1905

Vereinsfarben

Schwarz-Weiß-Blau

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Haben Sie alle Tage der Quarantäne in "La Gaillette", dem Trainingscenter Ihres neuen Klubs RC Lens, verbracht?

Ja, ich war in La Gaillette eingesperrt... Ich hatte ein Zimmer wie in einem Hotel, Mahlzeiten wurden an die Tür geliefert, es war mein kleines, süßes Zuhause. Das Schwierigste war, meine Teamkollegen ohne mich trainieren zu sehen. Um in Form zu bleiben, hatte ich ein personalisiertes Muskelaufbauprogramm, das ich im Zimmer ausführen konnte, und ich hatte eine einstündige Sitzung pro Tag mit einem Krafttrainer - abseits der anderen, aber auch wir waren nie in Kontakt.

Bielefeld wird immer in meinem Herzen und in meinem Kopf bleiben. Ich schaue die Spiele so oft wie möglich im Fernsehen, wäre neulich fast zum Heimspiel gegen Dortmund gekommen.

Mit Lens hatten Sie nun vor einer Woche ein wildes Spiel gegen Reims, das 4:4 endete. Wie sehen Sie Ihr Team und sich selbst in dieser Saison?

Der Verlauf war einfach unglaublich. Wir waren 2:4 hinten, haben es geschafft, in der Nachspielzeit auf 4:4 heranzukommen und hätten das Spiel fast gewonnen, per Elfmeter in letzter Sekunde! Ich habe ich ein Team gefunden, das mir von der Mentalität her wie Arminia vorkommt. Wir spielen nicht auf die gleiche Weise, aber die Seele ist ziemlich gleich. Leistungen und Kader sind gut, wir wissen, woher wir kommen, haben Vertrauen in uns selbst, das war unsere Stärke seit Beginn der Saison. Ich selbst hänge wegen des COVID-19-Zwischenfalls noch etwas nach, aber ich arbeite viel, versuche mich so gut wie möglich anzupassen und bin mir vor allem meiner Qualitäten und dessen, was ich ins Team bringen kann, bewusst.

Verfolgen Sie Arminias Weg in der Bundesliga?

Natürlich! Wie ich schon beim Abschied sagte, wird Bielefeld immer in meinem Herzen und in meinem Kopf bleiben. Ich schaue die Spiele so oft wie möglich im Fernsehen und sogar die Lens-Spieler erzählen mir von Bielefeld. Ich wäre neulich fast zum Heimspiel gegen Dortmund gekommen, aber das war dann ja nicht öffentlich.

Mit wem stehen Sie noch in Kontakt?

Mit vielen. Teamkollegen wie Marcel Hartel, Cebio Soukou oder Sven Schipplock. Und mit Kine, einem Freund, den ich in den zwei Jahren gewonnen hatte und der mir in meinem Leben in Bielefeld sehr geholfen hat, auch auf persönlicher Ebene. Wir erzählen uns alltägliche Dinge, jeder kriegt mit, was der andere tut, wir versuchen uns gegenseitig zu unterstützen. Aber wir reden gar nicht so viel über Fußball.

Die spannende Frage ist aber doch: Hätten Sie Arminia helfen können, wenn Sie im Sommer geblieben wären?

Das einzige, was ich sagen kann, ist, dass ich mein Maximum gegeben hätte. Ich habe nie betrogen und meine Taten nie angepriesen. Wenn ich auf dem Platz bin, kämpfe ich für mein Team. Wie ich es immer getan habe und wie ich es heute in Lens tue.

Ich bin mir sicher, dass sie es schaffen können.

Jonathan Clauss über Bielefelds großes Ziel Klassenerhalt

Was bleibt von Ihrer Zeit in Deutschland, welche Erinnerungen behalten Sie?

Nur gute. Ich hatte tolle Zeiten auf und neben dem Platz. Ich hatte in Arminia eine Familie gefunden und draußen ein paar Freunde, damit mir nicht langweilig wurde...

Was ist für Lens, aktuell Elfter, was für Sie selbst möglich? Manche bringen Sie mit der französischen Nationalelf in Verbindung...

Wenn es uns gelingt, diese Identität von Arbeit, Spiel und Verhalten während der gesamten Saison aufrechtzuerhalten, können wir sicher großartige Dinge erreichen. Über die Nationalmannschaft denke ich nicht nach. Aber jeder Spieler träumt davon. Ich wäre stolz und gebe alles, was ich geben kann für Lens, die Familie, die Fans. Aber ich habe bisher auch erst sechs Ligue-1-Spiele... Also muss ich vor allem weiter hart arbeiten.

Was prognostizieren Sie für Arminia? Gibt es eine Chance, den Klassenerhalt zu schaffen?

Ich hoffe, dass Bielefeld in der Bundesliga bleibt, und ich bin mir sicher, dass sie es schaffen können. Es ist ein großer Sprung von der 2. Liga zur Bundesliga. Es dauert ein wenig, aber sobald alle erkannt haben, was es braucht, diesen Schritt zu machen, werden sie auf dem Niveau ankommen.

Ihr Vertrag in Lens läuft bis 2023, Sie sind jetzt 28 Jahre alt. Bleiben noch Ziele, Träume in Ihrer Karriere?

Klar habe ich viele Ziele und ich will sie mein ganzes Leben lang haben. Ich bin sehr realistisch, mache mir keinen Druck. Andererseits tue ich jeden Tag alles für die größten Träume, die ich schon hatte, als ich noch ein Kind war und mit meinem Vater im Garten Fußball spielen gelernt habe.

Interview: Michael Richter