Bundesliga

1. Bundesliga-Spieltag 1963/64: Volle Hütte mit "Uns Uwe"

1. Bundesliga-Spieltag vor 60 Jahren

Volle Hütte mit "Uns Uwe" und Dagmar

Die Zuschauer als Spielfeldrand: Der Andrang war groß in Münster am allerersten Bundesliga-Spieltag.

Die Zuschauer als Spielfeldrand: Der Andrang war groß in Münster am allerersten Bundesliga-Spieltag. picture alliance / dpa

Der 6. Mai 1963 war ein Montag, und es war ein ganz besonderer Montag für den SC Preußen Münster. Während die Fußballer noch ihr Lauftraining absolvierten, überbrachte der Deutsche Fußball-Bund ein Geschenk in Form eines Telegramms, das das Dasein des Klubs aus der beschaulichen westfälischen Universitätsstadt auf einen Schlag grundlegend verändern sollte.

"Ihrem Antrag auf Erteilung einer Lizenz für die Bundesliga ist stattgegeben worden", lautete die karge, aber doch so frohe Botschaft aus Frankfurt. Und in Münster wurde getanzt. Allerdings verhalten. Josef "Opa" Oevermann, mächtiger Spielausschuss-Vorsitzender, rammte gleich die Pflöcke ein: "Keiner unserer Spieler wird seinen Beruf wechseln oder eine Halbtagsbeschäftigung eingehen." Nein, jeder Aktive wurde angehalten, weiter dem normalen Job nachzugehen, acht bis zehn Stunden Maloche war angesagt, fünfmal in der Woche wurde dennoch trainiert.

"Wir halten nichts von Reisenden in Sachen Fußball", so Oevermann, der deutlich mehr die Risiken des aufkommenden Profifußballs sah als die Chancen. Die Gründungsmitglieder der ein Jahr vorher aus der Taufe gehobenen Bundesliga starteten am 24. August 1963. 16 Teams, acht Spiele, Anpfiff überall um 17 Uhr. Und die Münsteraner erwischten sofort einen Gegner, wie er populärer nicht sein konnte. Mit dem Hamburger SV kam nicht nur der frischgebackene DFB-Pokal-Sieger, es kam natürlich der Klub des Uwe Seeler, des beliebtesten Fußballers, den Deutschland zu dieser Zeit hatte.

1. Spieltag 1963/64

Eine verschworene Gemeinschaft waren sie, die "Rothosen", wie Gert Dörfel in der sehenswerten ARD-Doku "Als die Bundesliga laufen lernte" erklärte: "Wir waren zehn Hamburger und ein Ausländer. Das war der Jürgen Kurbjuhn aus Buxtehude!" Das Preußen-Stadion - mit eigenem Bahnhof, 8000 Parkplätzen und jeder Menge frisch betonierter Zugangswege - war bumsvoll an diesem regnerischen Samstag. Zwölf Mark kosteten die Tribünenplätze, Stehplatz Mitte war für vier Mark zu haben, die Kurve für drei Märker, Jugendliche und Studenten zahlten zwei Mark. Wer auf die am Rande des Stadions herumstehenden Bäume kletterte, sparte den Eintritt und konnte das Geld in Wurst und Bier investieren.

Satte 38.000 Zuschauer drängten sich kurz vor dem Anpfiff im viel zu engen Rund und so wie der Himmel seine Schleusen öffnete, öffneten die Münsteraner gezwungenermaßen alle Eingangstore zum Stadion, schließlich rückten die Fans bis zur Spielfeldmarkierung vor. HSV-Trainer Martin Wilke erinnerte sich Jahrzehnte später: "Das musste so sein, damit keine Katastrophe passierte." Die befürchtete sportliche Katastrophe blieb ebenfalls aus. Das 1:1 durfte der große Favorit aus der Hansestadt sogar als Erfolg verbuchen. Bester Spieler auf dem durchweichten Rasen war HSV-Keeper Horst Schnoor, "er hat ihnen den Punkt gerettet", lobte Preußen-Coach Richard Schneider, der vor allen Dingen mit der Abschlussschwäche seiner Stürmer haderte: "Gemessen an den Spielanteilen hätten wir klar gewinnen müssen."

Ein Name als Alleinstellungsmerkmal

Unter dem Strich stand diese Aussage: "Es war ein echtes Propagandaspiel." FIFA-Schiedsrichter Kurt Tschenscher, Leiter der Partie, ergänzte etwas weniger martialisch: "Ein besseres Werbespiel für die Bundesliga kann es gar nicht geben." Nun denn. Der Zeitraffer des Spiels sah die Nobodys aus Münster über 90 Minuten attackieren, Schnoor parieren, ehe Falk Dörr ihn nach 70 Minuten überwand. Als sich alles, was zu Münster hielt, zum Jubel bereit machte, traf Gert "Charly" Dörfel ein paar Minuten vor dem Schlusspfiff und sicherte dem HSV seinen allerersten Bundesligapunkt, 2732 sollten noch folgen. Die Preußen dagegen sammelten (nach der Zwei-Punkte-Regel) nur noch 22 Zähler in den verbleibenden 29 Spielen und damit genau einen zu wenig.

Dem stolzen Start folgte der Abstieg aus der Bundesliga und über die Jahrzehnte dann der Absturz bis in die Niederungen der Regionalliga, aus der die Münsteraner vor ein paar Wochen wieder den Sprung in die Drittklassigkeit schafften. Vor ausverkauftem Haus und in einem Meer voller Freudentränen. Wie einst im Mai 1963. Obwohl der SC Preußen Münster nur dieses eine Jahr in der Bundesliga spielte, kann der Verein auf ein Alleinstellungsmerkmal verweisen. Es geht um den Spieler Drewes, der in allen 30 Ligaspielen zum Einsatz kam. Das schafften auch andere. Aber nur er hörte auf den für männliche Personen nun doch recht seltenen Vornamen "Dagmar". Einen zweiten Profi mit diesem Namen gab es bis heute nicht.

Frank Lußem

Gladbach auf Überholkurs: Die ewige Bundesliga-Tabelle