Bundesliga

VfB Stuttgart: Streit über rechtliche Bewertung des Esecon-Berichts

Streit in der Datenaffäre

VfB: Die Kanzleien und das "Geschmäckle"

Es droht weitere Unruhe beim VfB Stuttgart: Der AG-Vorstandsvorsitzende Thomas Hitzlsperger (vorne) und Präsident Claus vogt.

Es droht weitere Unruhe beim VfB Stuttgart: Der AG-Vorstandsvorsitzende Thomas Hitzlsperger (vorne) und Präsident Claus vogt. picture-alliance

Während viele VfB-Mitglieder gespannt auf den Bericht der Firma Esecon warten, die die Datenaffäre aufklären soll, sorgt sich der Aufsichtsrat der VfB Stuttgart AG schon um die rechtliche Interpretation des Papiers. Oder besser: Teile des Kontrollorgans, dem der Präsident des e.V., Claus Vogt, vorsteht. Einem Bericht der Stuttgarter Zeitung zufolge möchte das Gros des Aufsichtsrats die international tätige Großkanzlei Gleiss Lutz für die juristische Bewertung mandatieren. Vogt aber soll dies nicht absegnen wollen.

Warum den 51-Jährigen offenbar Bedenken plagen, liegt auf der Hand: eine Nähe zur Daimler-AG, die unter anderem im Lkw-Kartellverfahren erfolgreich von Gleiss Lutz vertreten wurde und die als Minderheitsgesellschafter 11,75 Prozent an der VfB AG hält seit der Ausgliederung 2017. Jene Ausgliederung war begleitet worden von einer aus dem inneren VfB-Zirkel gesteuerten Guerilla-Marketing-Kampagne. In deren Zuge flossen auch Mitgliederdaten mutmaßlich ohne Rechtsgrundlage an einen Dienstleister, der privat eine dann mit Ausgliederungs-Propaganda unterfütterte Facebook-Seite betrieb. Der kicker enthüllte dies am 28. September 2020. Esecon soll den Sachverhalt aufklären.

Querelen auch wegen der Mitgliederversammlung

Der Esecon-Bericht wird erwartet. Vogt selbst plädierte dafür, dass Esecon die rechtliche Bewertung vornimmt. "Dies dürfte kostengünstiger und insbesondere schneller zu einer objektivierten rechtlichen Bewertung führen", schrieb der oberste Repräsentant der Mitglieder vergangene Woche. Zugleich aber teilte er mit, dass mangels Einigkeit darüber "ein einheitliches Bild zur rechtlichen Bewertung der Tatsachen" mit Blick auf die am 18. März geplante Mitgliederversammlung (MV) vielleicht nicht rechtzeitig machbar sei. Unter anderem deshalb will er die MV nicht einberufen. Seine Präsidiumskollegen Dr. Bernd Gaiser und Rainer Mutschler, der selbst in die von Esecon untersuchte Zusammenarbeit mit dem Dienstleister involviert war, verwiesen auf einen einstimmigen Präsidiumsbeschluss vom 2. November 2020 für eine MV am 18. März 2021. Mittlerweile fordern 138 Fanklubs die Verlegung im Sinne von Vogt.

Gegen den Amtsinhaber hatte der AG-Vorstandsvorsitzende Thomas Hitzlsperger überraschend seinen Hut in den Ring um das Präsidentenamt geworfen, Vogt am 30. Dezember 2020 mit einem beispiellos scharfen Brief öffentlich attackiert, um vier Wochen später die Kandidatur zurückzuziehen - freilich ohne die größtenteils unbelegten Vorwürfe auszuräumen. Hitzlspergers Aktion erweckt den Eindruck eines taktischen Manövers. Vogt mutmaßte schon am 31. Dezember 2020: "Ich sage Ihnen offen und ehrlich, was dahintersteckt. Die Aufklärung des Datenskandals (...). Mehrfach wurde in den zurückliegenden Wochen versucht, die Arbeit der Kanzlei Esecon zu torpedieren, ihren Auftrag einzugrenzen und schließlich sogar ohne Endergebnis zu den der für die im Raum stehende Datenweitergabe und Täuschungsversuchen verantwortlichen Personen zu beenden." Hitzlsperger verwehrte sich der Blockade-Vorwürfe.

Man darf gespannt sein, was Esecon zutage fördert. Angeblich soll der Bericht dem VfB in dieser Woche zugehen. Doch wer die rechtliche Bewertung vornimmt, ist offenbar weiterhin unklar. Vogts ursprüngliche Idee, Esecon auch diese zu überlassen, hätte eine nicht von der Hand zu weisende Schwäche. Bildlich gesprochen: Ermittlungsorgan und Richter wären eins.

Ende der vergangenen Woche soll es wegen der Mandatierung zu hitzigen Diskussionen im Aufsichtsrat gekommen sein, wo Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth als großer Gegenspieler des e.V.-Präsidenten gilt. Es überrascht daher kaum, dass Vogt wegen der Nähe zu Daimler Vorbehalte gegenüber Gleiss Lutz zu haben scheint. "Sicher ist es sinnvoll, ein umstrittenes anwaltliches Arbeitsergebnis gegenprüfen zu lassen. Die dafür offenbar ins Auge gefasste Kanzlei, Gleiss Lutz, ist sehr erfahren und auch zu Recht sehr anerkannt", begrüßt der renommierte Wirtschafts- und Sportstrafrechtler Dr. Ingo Bott das Prozedere im Grundsatz. Der Rechtsanwalt kritisiert jedoch: "Es muss den Beteiligten aber gerade in der bestehenden Gemengelage klar sein, dass es ein Geschmäckle hat, wenn genau die Anwälte beauftragt werden, die ansonsten wichtige Daimler-Mandate bearbeiten. Die mögliche Verschleifung von Interessen sorgt schon für Irritation, bevor es überhaupt zur Aufarbeitung kommt."

Es muss den Beteiligten aber gerade in der bestehenden Gemengelage klar sein, dass es ein Geschmäckle hat, wenn genau die Anwälte beauftragt werden, die ansonsten wichtige Daimler-Mandate bearbeiten.

Sportstrafrechtler Dr. Ingo Bott

Ob es zutreffend ist, dass sich der AG-Aufsichtsrat bzw. Teile des Gremiums bereits für Gleiss Lutz ausgesprochen haben, möchte der Rat nicht beantworten. Gab es bereits im Oktober 2020 ein Mandatsverhältnis zwischen der VfB AG und Gleiss Lutz im Zuge der Datenaffäre? Weder die VfB AG noch Gleiss Lutz möchten entsprechende Anfragen des kicker hierzu beantworten.

Dabei wären Antworten hochinteressant. Da führende Köpfe der AG schon zu Zeiten der Datenweitergabe in Amt und Würden waren und ihnen spätestens seit den Berichten im Herbst 2020 die zeitliche Abfolge von Beauftragungen des Dienstleisters und Daten-Mails hätte Spanisch vorkommen können.

Für Wirtschaftsstrafrechtler Bott von der Kanzlei Plan A drängen sich Fragen auf, zuvorderst: "Warum soll eine Kanzlei beauftragt werden, noch bevor der Esecon-Bericht vorliegt?" Ganz nebenbei steht auch noch die Bewertung durch den Datenschutzbeauftragten des Landes Baden-Württemberg, Dr. Stefan Brink, aus.

Benni Hofmann