2. Bundesliga

50+1: Warum Martin Kind am längeren Hebel zu sein scheint

96-Boss droht indirekt mit Klage, die DFL nimmt Brisanz heraus

Verstoß gegen 50+1? Warum Kind am längeren Hebel zu sein scheint

Könnte erneut gegen Hannover 96 vor Gericht ziehen: GmbH-Geschäftsführer Martin Kind.

Könnte erneut gegen Hannover 96 vor Gericht ziehen: GmbH-Geschäftsführer Martin Kind. IMAGO/localpic

Die massiven Zweifel der Deutschen Fußball-Liga, ob die unter Regie von Martin Kind geübte Praxis bei Hannover 96 wirklich von der 50+1 Regel gedeckt ist, lassen sich aus einem Schreiben vom 23. August diesen Jahres ableiten, das auch dem kicker vorliegt. Gerichtet ist das Papier an die Geschäftsführung der Hannover 96 GmbH & Co KGaA, also an Kind, unterzeichnet hat Jürgen Paepke, Direktor Recht und Mitglied der Geschäftsleitung der DFL.

Betont wird darin unter anderem, "dass das uneingeschränkte Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung […] gegenüber der Geschäftsführung eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass die gesellschaftsrechtliche und vertragliche Struktur […] als noch mit der 50+1-Regel vereinbar angesehen wird." Sollte dieses Weisungsrecht gegenüber einem weisungsgebundenen Geschäftsführer, also Kind, ins Leere laufen, sei "die Vereinbarkeit mit der 50+1-Regel deutlich infrage gestellt". Die DFL werde dann "ggf. Änderungen des Gesellschaftsvertrags einfordern, […] einschließlich der Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Hannover 96 Management GmbH."

Dass Kind nicht abberufen werden kann, ist laut DFL von 50+1 gedeckt

Letztgenannter Aspekt ist ein springender Punkt. Laut Ansicht des Landgerichts könne die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung nämlich nur durch mehrheitlichen Beschluss des genannten Aufsichtsrats erfolgen. Die Hannover Management GmbH ist zwar zu 100 Prozent in Vereinsbesitz, im letztlich über die Geschäftsführung entscheidenden Aufsichtsgremium herrscht allerdings eine 2:2-Pattsituation zwischen der Kind zugehörigen "Kapitalseite" und den e.V.-Vertretern. Heißt im Klartext: Kind kann, wie am Dienstag jedenfalls vom Landgericht Hannover festgestellt, nicht vom Mutterverein abberufen werden.

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Wie die DFL am Abend klarstellte, liegt darin aber - entgegen anderslautender Interpretationen - ausdrücklich kein Verstoß gegen die 50+1-Regel begründet. Wörtlich heißt es auf der DFL-Homepage: "Das Weisungsrecht ist nicht gleichzusetzen mit dem Recht zur Bestellung oder Abberufung der Geschäftsführung der Hannover 96 Management GmbH durch deren Aufsichtsrat, das bereits seit dem Jahr 2004 in der Satzung geregelt und 2019 im sogenannten 'Hannover-96-Vertrag' von den Vertragsparteien bestätigt wurde." Damit ist der Angelegenheit zunächst einmal die größte unmittelbare Brisanz genommen.

Befolgt Kind die Weisungen der Gesellschafterversammlung?

Allerdings hält die DFL auch fest: "Entscheidend für die Einhaltung der 50+1-Regel unter den spezifischen Umständen in Hannover ist, dass ein Geschäftsführer […] den Weisungen der Gesellschafterversammlung der Hannover 96 Management GmbH […] unterworfen ist und dass rechtmäßige Weisungen auch beachtet und erfüllt werden."  Sollte sich "im Austausch mit den Beteiligten ergeben, dass dies nicht der Fall ist, dann wird die DFL die Vereinbarkeit der gesellschaftsrechtlichen und vertraglichen Konstruktion in Hannover mit der 50+1-Regel neu prüfen."

Dieser angesprochene Austausch bleibt nun also zunächst einmal abzuwarten. Klare Interessenslage der DFL ist, eine schon 2019 einmal im Raum stehende Klage Martin Kinds gegen die 50+1-Regel erneut abzuwenden. Kinds finale Anmerkung auf der 96-Homepage am Dienstag fassten diverse Beobachter bereits als kaum verhohlene Klagedrohung auf: "Es ist klar festzuhalten: Das Unternehmensrecht ist höher einzuordnen als das Verbandsrecht."

Eine Klage von Kind könnte den deutschen Profifußball erschüttern

Bei der Suche nach einem Kompromiss, der die Konstellation bei 96 als weiterhin 50+1-konform etikettiert, scheint Kind somit nach wie vor am längeren Hebel zu sitzen.  Verhandelt wird über die 50+1-Regel in einem anderen Kontext schließlich seit geraumer Zeit ohnehin. Wie das Bundeskartellamt festgestellt hat, ist die Regel als Wettbewerbsbeschränkung zwar legitim, allerdings nicht mit den in bisheriger Form praktizierten Förderausnahmen für Bayer Leverkusen, den VfL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim.

In dieser Angelegenheit wird aktuell hinter den Kulissen nach Lösungen gesucht. Würde Kind den Klageweg beschreiten, weil der von ihm in Personalunion geführten Hannover 96 GmbH & Co. KGaA seitens der DFL die Lizenz verweigert würde, könnte die 50+1-Regel ohnehin Geschichte sein. Und der deutsche Profifußball in seinen Grundfesten erschüttert.

Thiemo Müller

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