Bundesliga

Tuchels humorvolle Spitze gegen Hoeneß

"Die einen sagen so, die anderen so"

Tuchels humorvolle Spitze gegen Hoeneß

Karrieresprung: Aleksandar Pavlovic steht sogar im EM-Aufgebot.

Karrieresprung: Aleksandar Pavlovic steht sogar im EM-Aufgebot. IMAGO/Sven Simon

Auch eine Saison ohne Titel kann ein paar helle Momente aufweisen, selbst beim FC Bayern. Er, der FC Bayern, hat zum Beispiel wieder einen Top-Torjäger wie Harry Kane. Er hat nur um einen abgeprallten Abschluss das Champions-League-Finale verpasst. Und er hat Aleksandar Pavlovic, ein Eigengewächs, das sich durchgesetzt und ganz oben festgebissen hat.

Weil Joao Palhinha im Sommer nach München flog und schneller als geplant wieder nach London zurückfliegen musste, blieb Trainer Thomas Tuchel ohne den gewünschten Neuzugang im defensiven Mittelfeld. Dann brach sich Leon Goretzka zwischendurch mal die Mittelhand, Konrad Laimer verletzte sich an der Wade, Joshua Kimmich fehlte kurz mal rotgesperrt und ist seit Längerem eigentlich wieder Rechtsverteidiger.

Pavlovic nutzte die Vakanzen, debütierte im Herbst beim 8:0 gegen Darmstadt, sammelte sieben Tage später beim 4:0 in Dortmund als Einwechselspieler seinen ersten Assist und erzielte im Januar beim 3:2 in Augsburg und beim 3:1 gegen Gladbach jeweils das erste Tor der Bayern.

Ob es mit Palhinha so weit gekommen wäre? Müßig, Pavlovic hat sich als ballsicherer, spielstarker und selbstbewusster Sechser hervorgetan und sich nun sogar vor Teamkollege Leon Goretzka einen Platz im deutschen EM-Aufgebot gesichert.

Tuchel scherzt: "Wir konnten die Nominierung nicht verhindern"

Ob Tuchel, der die Bayern im Sommer verlässt, Pavlovic "ein bisschen" als sein Vermächtnis an den Verein sieht, wurde der Noch-Trainer der Münchner am Freitag gefragt. Tuchel staunte, zog die Mundwinkel hoch, grätschte in die Frage und schnaubte: "Die einen sagen so, die anderen so." Er lachte, und auch die Reporter lachten. Weil jeder die humorvolle Spitze gegen Uli Hoeneß verstanden hatte. "Wir konnten die Nominierung nicht verhindern", legte Tuchel noch einmal nach und lachte erneut.

Noch im April, wenige Tage vor dem Halbfinal-Hinspiel gegen Real Madrid, hatte Ehrenpräsident Hoeneß bei einem Podiumsgespräch der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über Tuchel gesagt. "Er meint nicht, dass man den Pavlovic verbessern kann, den Davies verbessern kann. Sondern wenn’s nicht weitergeht, dann kaufen wir. Und das kann nicht die Lösung sein."

Tuchel hatte umgehend und deutlich reagiert, dieses Mal beließ er es bei den zwei Lachern und machte dann "im Ernst" weiter: "Das ist natürlich sensationell", sagte er über Pavlovic. "Das ist einfach eine Freude, den Jungen Fußball spielen zu sehen."

"Es ist eine Freude, diese Entwicklung zu sehen"

Vor rund 13 Monaten, als Tuchel und sein Trainerteam inmitten zahlreicher englischer Wochen beim FC Bayern angefangen hatten, durfte der damals unbekannte Regionalliga-Spieler Pavlovic nach Spieltagen am Spielersatztraining der Profis teilnehmen, um das Aufgebot aufzustocken. "Vom ersten Training an haben wir gedacht, dass wir in dem Jungen was Besonderes sehen", freut sich Tuchel. "Er war extrem ballsicher und, was eigentlich das Schönste war, sehr selbstbewusst. Nicht aufgesetzt, sondern er war durch seine Art, Fußball zu spielen, selbstbewusst. Er will einfach jeden Ball haben, er bietet sich in der Lücke an, er bietet sich auch nach einem Fehler wieder an. Das ist sein Selbstverständnis."

Dazu kam, ergänzte Tuchel, "dass er wahnsinnig nett war und bis heute immer mit einem großen Lachen zum Training kommt. Es ist eine Freude, diese Entwicklung zu sehen. Das allergrößte Lob gebührt ihm selbst." Also nicht dem Trainer oder Entdecker Tuchel. "Das hat natürlich eine Entwicklung genommen mit der Nominierung für die Heim-EM - die hätten wir alle nicht erwartet, aber die hat er sich absolut verdient. Deshalb ein dickes Kompliment. Es gibt, glaube ich, niemanden, der ihm das nicht gönnt." Schon gar nicht Hoeneß.

Mario Krischel