Bundesliga

Toppmöller fordert: "Die Wut in positive Energie umwandeln"

Duell mit Heidenheim als Knackpunkt - Frankfurt muss weiter zulegen

Toppmöller fordert: "Wir müssen die Wut in positive Energie umwandeln"

Mit der Eintracht in einer kniffligen Phase: Trainer Dino Toppmöller.

Mit der Eintracht in einer kniffligen Phase: Trainer Dino Toppmöller. Getty Images

Beginnen wir mit der positiven Erzählung der 90 Minuten im stimmungsvollen Toumba-Stadion von Thessaloniki. Praktisch über die gesamte Spielzeit kontrollierte die Eintracht das Geschehen. In Ballbesitz agierte die Toppmöller-Elf variabel, zeigte über die stabile, ballsichere Doppelsechs (Skhiri, Larsson) einerseits den gewohnt gefälligen Aufbau mit Flachpässen, wählte situativ aber auch lange Bälle, um die Kette zu überspielen.

Pacho avancierte mit gefährlichen Bällen zum besten Mann

Allein Willian Pacho, der beste Mann auf dem Feld, leitete mit langen, gut getimten Schlägen drei Frankfurter Chancen ein (34., 37., 62.). Solche vermeintlich einfachen Bälle hinter die Kette hatte Trainer Dino Toppmöller zuletzt immer wieder gefordert. Torgefahr entstand indes auch aus ansehnlichen Kombinationen heraus, so wie bei Niels Nkounkous Chance in der 7. Minute.

Auch im Spiel gegen den Ball überzeugte die situativ mit Viererkette spielende Eintracht. Dank des guten Positionsspiels fand PAOK im Spiel nach vorne nur selten den Raum für fußballerische Lösungen und blieb weitestgehend harmlos. Abgesehen von den beiden Gegentoren, die nach Freistößen aus dem Halbfeld fielen, wurde es nur einmal gefährlich: In der 87. Minute reagierte Keeper Kevin Trapp bei einem Kopfball des eingewechselten Stefan Schwab glänzend. Der kicker zählte am Ende 7:3 Chancen für die SGE. Liegt Toppmöller also richtig, wenn er von einem "sehr guten Auswärtsspiel" spricht?

Wenige zwingende Chancen - Chaibi und Hauge gewinnen kaum Zweikämpfe

Man kann das Spiel auch anders lesen. Gegen einen keineswegs übermächtigen Gegner gab es nur wenige zwingende Chancen. Die gefährlichen Schüsse von Ellyes Skhiri (34., 37.) und der Freistoß von Fares Chaibi an die Latte (83.) waren Abschlüsse aus der zweiten Reihe; die Chancen von Nkounkou (7.) und Omar Marmoush (62.) erfolgten aus spitzem, wenig erfolgversprechenden Winkel; Ansgar Knauffs Kopfballchance (54.) ging eine kleine Unsicherheit des ansonsten starken PAOK-Keepers Dominik Kotarski voraus. Wirklich zwingende Tormöglichkeiten waren Mangelware.

Das einzige Frankfurter Tor durch den starken Marmoush resultierte aus einem krassen individuellen Fehler von Konstantinos Koulierakis. Bei Chaibi, der nur zwölf Prozent seiner Zweikämpfe gewann, und Jens Petter Hauge (29 Prozent) wechselten sich Licht und Schatten ab. Sie spielten zwar einige brauchbare Bälle, blieben aber aus dem Spiel heraus harmlos. Ein weiteres Manko: Von den Flügelspielern gingen nur wenige offensive Impulse aus.

Die Joker bleiben ohne positiven Einfluss

Auch die Joker zündeten nicht. Jessic Ngankam (fünf Ballkontakte) und Eric Junior Dina Ebimbe (zehn Ballkontakte) nahmen kaum am Spiel teil, Aurelio Buta verursachte schlafmützig den Freistoß vor dem 1:2. "Da muss er mehr Galligkeit entwickeln, die Situation früher erkennen und zurücklaufen, dann kann er den Ball stoppen und es ist kein Foul", moniert Toppmöller. Ausgerechnet die erst in der 90. Minute eingewechselten Makoto Hasebe und Nacho Ferri wirkten bei jenem entscheidenden Freistoß orientierungslos.

Ist das Glas nun also halbvoll oder halbleer? Das ist wie so oft Ansichtssache, auch bei den Fans der Adlerträger gehen die Meinungen teils weit auseinander. Unstrittig ist, dass es sich um eine "total unverdiente Niederlage" (Toppmöller) handelt. Für das Rückspiel am 30. November kündigt der Trainer an: "Da kann sich PAOK auf einen heißen Tanz einstellen. Auch wegen der Geschehnisse nach dem Spiel wird meine Mannschaft mit maximaler Energie an die Sache rangehen."

Toppmöller hofft auf Jetzt-erst-recht-Stimmung

Zum Knackpunkt könnte das bevorstehende Duell mit Aufsteiger Heidenheim werden. Sollte die Eintracht auch diese Partie nicht gewinnen, würde sich die Stimmung im Umfeld deutlich verdüstern. Dann stünde die Frage im Raum: Gegen wen will und kann die Eintracht überhaupt ein Spiel gewinnen? Umgekehrt könnte ein Dreier vor der Länderspielpause wie eine Befreiung wirken und das Selbstvertrauen vor den kommenden schweren Aufgaben (Hoffenheim, Dortmund) womöglich entscheidend stärken.

Nach dem Last-minute-Gegentor und den Tumulten nach Abpfiff hofft Toppmöller auf eine Jetzt-erst-recht-Stimmung. "Wir müssen die Wut in positive Energie umwandeln", fordert der Coach. Er weiß: "Es ist nicht immer nur so, dass Siege die Truppe zusammenschweißen, sondern auch solche Momente." Jeder sei bereit, den anderen zu beschützen, die Gruppe sei noch enger zusammengewachsen.

Toppmöller ist aus vielerlei Gründen nicht zu beneiden

Toppmöller ist in der momentanen Lage nicht zu beneiden. Die Neuzugänge Nkounkou, Chaibi und Ngankam haben nach dem radikalen Umbruch in der Offensive weiterhin Probleme mit der Intensität; bei Hauge und Aaronson ist offen, ob sie sich auf diesem Niveau überhaupt jemals durchsetzen können. Auf den fleißigen Marmoush ist zwar Verlass, er allein kann es aber nicht richten. Ob Lucas Alario, der nach seiner Knie-OP gegen Heidenheim wohl erstmals im Kader stehen wird, noch einmal die Kurve bekommt, bleibt ebenfalls abzuwarten.

Ein veritables Problem besteht auch auf den Außenbahnen, wo Toppmöller bisher viel probierte - ohne durchschlagenden Erfolg. "Auf den Flügelpositionen hat noch keiner konstant gut gespielt. Es waren vereinzelt gute Spiele dabei, auch gute Aktionen in den Spielen, dann aber auch wieder weniger gute Aktionen. Natürlich ist das nicht hilfreich fürs Offensivspiel", bilanziert Toppmöller und verrät: "Wir im Trainerteam warten auch auf diesen Moment, wo wir sagen: Okay, dieser Spieler setzt sich jetzt einfach mal fest." Die Spieler müssten weiter an sich arbeiten und sich aufdrängen, fordert er.

Der Trainer braucht Zeit, die er eigentlich nicht hat

Auf der rechten Bahn könnte die Dauerlösung Dina Ebimbe heißen. Der hochveranlagte Franzose wird bislang viel hin und her geschoben. Das muss früher oder später ein Ende haben. Seine besten Spiele machte er in Frankfurt auf der rechten Bahn. Dort könnte er schon gegen Heidenheim den Vorzug erhalten.

Links ist die Situation schwieriger. Nkounkou ist noch eine unberechenbare Größe und Philipp Max spielte zuletzt kaum eine Rolle. Ansgar Knauff, der links und rechts spielen kann, ist noch ein gutes Stück von seiner Bestform entfernt. Denkbar ist, dass es Toppmöller gegen Heidenheim von Beginn an mit Pacho als Linksverteidiger in einer Viererkette probiert - so wie situativ in der zweiten Hälfte in Saloniki. Allerdings: Das lahmende Flügelspiel in der Offensive wäre damit auch nicht behoben.

Der Trainer braucht Zeit, um seine Spielidee weiter zu implementieren, die vielen jungen Spieler zu entwickeln und auch physisch auf ein Top-Level zu bringen. Leider ist Zeit im Spitzenbereich des Profifußballs ein rares Gut. Zumal sich nur mit Siegen und dem daraus resultierenden Selbstvertrauen die Entwicklung beschleunigen lässt. Deshalb ist der Erfolgsdruck gegen Heidenheim besonders groß.

Julian Franzke

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