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Taktik-Analyse: So funktionieren die NFL-Offenses - Teil 1

kicker-Experte Adrian Franke sortiert die NFC-Teams

Taktik-Analyse: So funktionieren die NFL-Offenses - Teil 1

A.J. Brown (li.) verhalf Jalen Hurts und der Eagles-Offense letzte Saison zu einem großen Sprung.

A.J. Brown (li.) verhalf Jalen Hurts und der Eagles-Offense letzte Saison zu einem großen Sprung. Getty Images

Bevor in Teil 1 der großen Offense-Analyse die 16 NFC-Teams unter die Lupe genommen werden - Teil 2 mit den AFC-Teams folgt am 25. Juli -, hier zunächst rudimentär zusammengefasst die zentralen Merkmale der offensiven Schemes, welche als eine Art Grundlage die heutige NFL prägen:

West Coast Offense:

• Fokus auf kurze und mittellange Pässe - primär horizontales statt vertikales Passspiel.

• Rhythmus und Timing sind von zentraler Bedeutung.

• Dropback des Quarterbacks ist präzise mit den Routes des Receivers synchronisiert.

• Spiel soll mit einer Mischung aus (meist Zone) Run Game und Kurzpassspiel kontrolliert werden.

• Viele In-Breaking-Routes, viel Pre-Snap-Motion, Tight Ends und Running Backs intensiv als Receiver eingesetzt.

Einst von Bill Walsh geprägt, gibt es heute keine "reine" West-Coast-Offense mehr. Kaum ein Team nutzt aber nicht zumindest einige Elemente aus dieser offensiven Philosophie. Andy Reid, Doug Pederson, aber auch Sean Payton sind einige Vertreter, deren Offenses im Kern West Coast Offenses sind.

Air Coryell:

• Fokus auf ein vertikaleres Passspiel, das Downfield Passing Game ist prominenter als in anderen Offenses.

• Spread Offense, die bewusst ein höheres Risiko im Passspiel eingeht.

• Kombiniert in der Regel mit einem Power Run Game.

• Der Tight End übernimmt häufig eine vergleichsweise große Rolle als Receiver.

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Erhardt-Perkins Offense:

• Extrem wandelbar, passt sich stark an die Spieler an: Eine EP-Offense kann genauso eine Oldschool-Run-Offense wie eine vertikale Spread-Offensive sein.

• So können aus unterschiedlichsten Formationen die gleichen Konzepte gespielt werden.

• Die Offense ist dementsprechend auch beliebig erweiterbar, etwa mit Option-Plays, Option-Routes und dergleichen.

Air Raid Offense:

• Sehr auf den Pass fokussiert, bis zu dem Grad, dass schnelle, kurze Pässe sogar das Run Game in Teilen ersetzen.

• Die Offense ist in ihrer reinsten Form dementsprechend stark auf Wide Receiver aufgebaut: 4-Receiver-Sets sind keine Seltenheit, Tempo ist Trumpf. Das sorgt bisweilen auch dafür, dass es der Offense an Komplexität fehlen kann.

• Spread-Formationen, auch 5 Wide, und der Quarterback in der Shotgun treten häufiger auf als in anderen Offenses.

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NFL Scheme Analyse 2023: Die NFC

Arizona Cardinals

Stat to Know 2022: Lediglich 19,4 Prozent der Dropbacks von Kyler Murray in der vergangenen Saison waren Play-Action-Pässe - unter allen Quarterbacks mit mindestens 150 Dropbacks Platz 36. Stellvertreter Colt McCoy (20,8 Prozent) rangierte nur zwei Plätze weiter oben. Das sollte sich 2023 gravierend ändern.

Offense-Grundlage 2023: West Coast mit Heavy Bootleg Play Action

Die Cardinals sind mit einem komplett neu zusammengestellten Trainerstab noch ein Stück weit eine Wundertüte, zumindest den Rahmen kann man aber abstecken: Der neue Offensive Coordinator Drew Petzing war von 2014 bis 2019 in Minnesota, ehe er 2020 gemeinsam mit Kevin Stefanski nach Cleveland weiterzog, wo er die letzten drei Jahre als Tight-Ends- und Quarterbacks-Coach verbrachte.

Insofern dürfte eine Variante von Stefanskis Offense in Arizona Einzug erhalten, was ein deutliche Veränderung im Vergleich zu Kliff Kingsburys Air Raid Variante bedeutet: Mehr enge Formationen, mehr Plays mit dem Quarterback Under Center, mehr Play Action, mehr Outside Zone Run Game. Es passt ins Bild, dass die Cardinals mit Zach Pascal und Michael Wilson gleich zwei große Receiver geholt haben, die auch blocken können, nachdem über die letzten Jahre Speed ganz klar im Fokus stand. Eine solche Umstellung kann etwas dauern, dieses Scheme könnte aber der richtige Schritt sein, um Kyler Murray verglichen mit den letzten vier Jahren auf dem Platz zu entlasten.

Atlanta Falcons

Stat to Know 2022: In neutralen Spielsituationen bei Early Down hatte Atlanta die niedrigste Pass-Quote in der NFL (40,3 Prozent), noch hinter den Chicago Bears (42,4 Prozent).

Offense-Grundlage 2023: West Coast mit Heavy Bootleg Play Action

Kombiniert man die oben aufgeführte Stat mit der diesjährigen Falcons-Offseason - ein Rekord-Vertrag für Guard Chris Lindstrom, Kaleb McGary wurde gehalten und Run-Blocking-Spezialist Matthew Bergeron in der zweiten Runde gedraftet, nachdem man Running Back Bijan Robinson in der Top 10 gepickt hatte -, entsteht ein relativ klares Bild: Die Falcons wollen den Ball laufen, und zwar mit Nachdruck.

Atlanta war bereits in der vergangenen Saison extrem Run-Heavy, und kombinierte das mit einem Passspiel, das zu fast 45 Prozent via Play Action funktioniert hat. Ebenfalls Liga-Höchstwert letztes Jahr. Daran wird Arthur Smith anknüpfen wollen. Ein dominantes Run Game sowie jede Menge klarer Reads und "einfache" Pässe via Play Action könnten eine gute Erfolgsformel für Quarterback Desmond Ridder darstellen, der jetzt als Starter übernimmt.

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Carolina Panthers

Stat to Know 2022: Kein Receiver, Tight End oder Running Back mit mindestens 35 Targets für die Panthers hatte letztes Jahr mehr als 1,75 Yards pro gelaufener Route. Zum Vergleich: Ligaweit knackten 35 Spieler diese Marke in der vergangenen Saison.

Offense-Grundlage 2023: Moderne West-Coast-Variante

Die Panthers gehen, ähnlich wie Arizona, mit einem komplett neuen Trainerstab an den Start - im Fall der Panthers aber gibt es einen klareren Anknüpfungspunkt: Frank Reich übernimmt als neuer Head Coach, und dessen Offense war über die letzten Jahre in Indianapolis zu sehen. Reich wird hinter einer guten Panthers-Line den Ball laufen wollen, Carolinas offensive Besetzung erlaubt zudem eine gewisse Personnel-Vielfalt, inklusive Sets mit zwei - und vielleicht sogar drei - Tight Ends, etwas, das Reich in Indianapolis immer wieder genutzt hat.

Chicago Bears

Stat to Know 2022: Kein Nicht-Running-Back lief in der vergangenen Saison für mehr Yards (1.143) oder hatte mehr Runs über mindestens 10 Yards (33) als Justin Fields. Seine acht Rushing-Touchdowns wurden nur von Jalen Hurts übertroffen. Fields’ 728 Rushing-Yards nach Kontakt waren fast 300 mehr als der in dieser Kategorie Zweitplatzierte Josh Allen (430) vorweisen konnte.

Offense-Grundlage 2023: West Coast mit Heavy Bootleg Play Action und QB Run Game

Man kann relativ klar benennen, wann die Bears in der vergangenen Saison ihren Plan über den Haufen warfen, und bereit waren, die Offense in erster Linie um das Quarterback Run Game herum aufzubauen. Über die ersten sechs Spiele der Saison hatte Justin Fields zwar im Schnitt neun Runs pro Partie verzeichnet - mehr als die Hälfte davon aber war via Scramble gekommen.

Das änderte sich nach der Niederlage gegen Washington in jenem sechsten Spiel: Für den Rest der Saison lief Fields den Ball im Schnitt knapp zwölf Mal pro Spiel, und nur rund ein Drittel davon kam noch via Scramble. Chicago entfesselte Fields als Runner innerhalb der Struktur seiner Offense. Das war unbestreitbar wertvoll, doch die große Frage mit Blick auf die kommende Saison lautet: Ist das die Art und Weise, wie die Bears ihre Offense gestalten wollen? Oder war es eine aus der Not geborene Alternative, um das offensive Qualitätsdefizit auszugleichen?

Ist Letzteres der Fall, wird die Offense strukturell wieder verstärkt so aussehen wie in der Frühphase der vergangenen Saison - mit aber eben einer besseren Line und einem besseren Waffenarsenal. So oder so wird es essenziell sein, dass sich Fields als Passer steigert; gleichzeitig aber würde es mich auch wundern, wenn Chicago das designte Quarterback Run Game nicht weiter intensiv nutzen würde. Dafür war Fields in dem Bereich schlicht zu gut.

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Dallas Cowboys

Stat to Know 2022: 28,5 Prozent der Cowboys-Targets in der vergangenen Saison gingen zu CeeDee Lamb, was die Offense immer auch ein wenig ausrechenbar machte - einzig Davante Adams, Tyreek Hill und Drake London rangierten in dieser Kategorie vor ihm. Mit Brandin Cooks sowie Michael Gallup weiter weg von seiner schweren Verletzung sollte das 2023 anders aussehen.

Offense-Grundlage 2023: West Coast Offense

Nach vier Jahren haben sich die Cowboys von Offensive Coordinator Kellen Moore getrennt - Head Coach Mike McCarthy übernimmt als Play-Caller. McCarthy hatte Moore einst als Coordinator und offensiven Play-Caller im Amt gehalten, als er den Posten des Head Coaches übernommen hat. Die Offense wird also stärker McCarthys Handschrift tragen, gleichzeitig gehen die Cowboys mit einem neuen Offensive Line Coach (Mike Solari) und auch neuem Offensive Coordinator an den Start: Brian Schottenheimer, der zuletzt eine Beraterrolle in Dallas innehatte, wird befördert.

Solari war zuletzt Seattles Line-Coach, hat aber in Green Bay auch schon mit McCarthy gearbeitet. Inwieweit sich McCarthys Offense seit seiner Zeit als Play-Caller bei den Packers verändert hat, wird sich zeigen müssen, seine Prägung aber ist ganz klar in der West Coast Offense zu finden. Die Offense könnte schematisch etwas eindimensionaler werden, verglichen mit Moores Ansatz. Auch ein stärkerer Fokus auf das Run Game darf halbwegs realistisch erwartet werden.

Detroit Lions

Stat to Know 2022: 16 Touchdown-Pässe via Play Action warf Jared Goff in der vergangenen Saison. Das war nicht nur der ligaweite Spitzenwert, es war auch mehr als die Hälfte seiner Touchdown-Pässe insgesamt (29).

Offense-Grundlage 2023: West Coast mit Heavy Bootleg Play Action

Deutsche Spieler in der National Football League

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Was in der Beschreibung der offensiven Grundlage noch hätte erwähnt werden können, ist das: Ein sehr vielseitiges Run Game. Die beste Unit der Lions ist die Offensive Line, dementsprechend steht sie auch im Fokus von dem, was Detroit offensiv machen will. Die Lions konnten in der vergangenen Saison mit einer Vielzahl an Run-Konzepten punkten, welche sie dann noch gut mit ihrem Play Action Passspiel kombinierten. Das half Goff dabei, gute Zahlen aufzulegen, ohne dass er den Ball häufig tief werfen oder regelmäßig aus einem komplexen Dropback Passing Game agieren oder mit viel Pressure umgehen musste.

Amon-Ra St. Brown war in der Folge einer der produktivsten Slot-Receiver in der NFL und man kann davon ausgehen, dass er von Rookie Tight End Sam LaPorta in dem Bereich des Feldes Unterstützung bekommen wird. Dieses sehr gut designte Kurzpass-Spiel, vor allem aber das vielleicht vielseitigste Run Game in der NFL in Kombination mit dem Play Action Passspiel, das sind die tragenden Säulen dieser Offense.

Green Bay Packers

Stat to Know 2022: Aaron Rodgers hatte die höchste Screen-Quote in der vergangenen Saison, fast 17 Prozent seiner Dropbacks endeten mit einem Screen Pass. Mit fünf Screen-Touchdowns in der Regular Season führte er gemeinsam mit Patrick Mahomes die NFL an, seine 516 Screen-Passing-Yards waren der dritthöchste Wert ligaweit.

Offense-Grundlage 2023: West Coast mit Heavy Bootleg Play Action

Matt LaFleurs Prägung liegt in der Shanahan/McVay Offense: 2010 bis 2013 arbeitete er als Quarterbacks-Coach unter den Shanahans in Washington, 2015 und 2016 unter Kyle Shanahan und Atlanta und 2017 dann bei den Rams unter McVay. In Teilen hat sich das auf seine Packers-Offense übertragen, mit aber einigen offensichtlichen Abweichungen. Insbesondere die Tatsache, dass Aaron Rodgers die Mitte des Feldes eher ungern bedient, muss für LaFleur zu einem Umdenken geführt haben, gemessen daran, wo die Shanahan/McVay Offense bevorzugt attackiert.

Ändert sich das jetzt mit Jordan Love? Sehen wir 2023 mehr die "echte" LaFleur-Offense, mit mehr Motion und mehr Play Action beispielsweise? Unverändert dürfte der Fokus auf das Zone Run Game bleiben, welches eine klare Säule in LaFleurs Offense darstellt.

Los Angeles Rams

Stat to Know 2022: 90 Prozent ihrer First-Down-Snaps spielten die Rams in der vergangenen Saison aus 11-Personnel, der mit weitem Abstand höchste Wert in der NFL. Bleiben sie dabei, oder passt McVay die Offense an?

Offense-Grundlage 2023: Flexibler Hybrid aus West Coast und Spread Offense

Quarterback, offensiver Play-Caller und Nummer-1-Receiver sind Los Angeles im Vergleich zum Vorjahr zwar unverändert - ganz leicht ist es dennoch nicht, zu prognostizieren, wie diese Offense im Detail aussehen wird. Denn sowohl mit Blick auf die Receiving-Waffen hinter Cooper Kupp, als auch mit Blick auf die Offensive Line gibt es berechtigte Zweifel. Mike LaFleur, der von 2017 bis 2020 mit Kyle Shanahan in San Francisco war, kommt zudem als Offensive Coordinator neu mit dazu, er könnte noch einige neue Ideen ins Rennen werfen.

Die beste Version der Rams-Offense mit Stafford war die, als Stafford aus Empty Formations das ganze Feld attackieren konnte; damals hatte er allerdings mit Odell Beckham eine starke Nummer 2, sowie vor sich eine stabile Line. Zumindest in Teilen wird McVay hier Kompromisse eingehen müssen und vielleicht ein wenig mehr zu seinen Wurzeln zurückgehen müssen, um die Löcher im Kader zu kaschieren.

Minnesota Vikings

Stat to Know 2022: Kirk Cousins hatte die insgesamt viertmeisten Dropbacks in der vergangenen Regular Season - einzig Justin Herbert hatte mehr Dropbacks unter Druck als Cousins (252). Cousins’ 1.505 Passing-Yards unter Druck führten die Regular Season 2022 an.

Offense-Grundlage 2023: West Coast mit Heavy Bootleg Play Action

Als Kevin O’Connell vor der vergangenen Saison nach zwei Jahren als Offensive Coordinator bei den Rams unter Sean McVay als neuer Head Coach nach Minnesota kam, galt es als sicher, dass eine Version von McVays Offense bei den Vikings Einzug erhalten würde. Und in Teilen stimmte das auch, auffällig aber war, wie schlecht Minnesotas Run Game funktionierte - was auch dazu führte, dass ein hoher Druck auf dem Passspiel lag: Nach Expected Points pro Run belegte Minnesota Platz 29, nach Rush Success Rate Platz 25.

Justin Jefferson

Justin Jefferson ist der offensive Dreh- und Angelpunkt der Minnesota Vikings Getty Images

Hier wird O’Connell mehr herausholen müssen, während die strukturelle Grundlage insbesondere im Passspiel gelegt wurde. Die Vikings agieren gerne aus engen Formationen, mit Receivern in Bunch Formations und mit Receivern, die vielseitig innen und außen eingesetzt werden können. Rookie Jordan Addison soll in dieser Rolle jetzt Justin Jefferson unterstützen. Mit T.J. Hockenson und Josh Oliver kann man mehr 12-Personnel erwarten, was vielleicht das Run Game, aber auch das Play Action Passspiel besser machen kann.

New Orleans Saints

Stat to Know 2022: Trotz einer wackeligen Quarterback-Situation warfen im Schnitt nur fünf Teams den Ball tiefer als die Saints. Kurios: 50 Prozent der Saints-Pässe flogen auf die rechte Seite des Feldes, der höchste Wert ligaweit - hier stand häufig Rookie Chris Olave, der sich in puncto Yards pro gelaufener Route nur Tyreek Hill, Justin Jefferson, A.J. Brown, Jaylen Waddle und Davante Adams geschlagen geben musste.

Offense-Grundlage 2023: West Coast Offense mit flexiblen Personnel Groupings

Mit Pete Carmichael ist weiterhin ein Überbleibsel der Sean-Payton-Ära bei den Saints für die Offense zuständig: Carmichael war Paytons Quarterbacks-Coach und Passing Game Coordinator, seit 2009 ist er der Offensive Coordinator in New Orleans. Damit bleibt die West Coast Offense die Wurzel der Offense, doch was Payton so besonders machte, waren seine vielschichtigen Interpretationen und Anpassungen der Offense.

Mit Formationen, mit Personnel Groupings, mit einem Talent dafür, vorteilhafte Matchups zu kreieren und bestimmte gegnerische Verteidiger zu isolieren. Dieses Talent, ganz simpel gesagt, haben nicht viele. Die Saints dürften mit Derek Carr darauf aus sein, Carr ein sauberes Quick Game sowie ein gutes Run Game an die Hand zu geben. Carr ist kein schlechter Deep Passer, eher ein bisweilen unwilliger. Ihm mit tiefen Play Action Dropbacks Shot-Gelegenheiten zu geben, könnte der Offense eine wichtige Dimension geben.

New York Giants

Stat to Know 2022: Die 120 (79 designte) Runs waren mit Abstand ein persönlicher Karriere-Höchstwert für Daniel Jones, genau wie die 708 Rushing-Yards und die 7 Rushing-Touchdowns in der vergangenen Regular Season. Unter Quarterbacks erlief in der vergangenen Saison einzig Jalen Hurts mehr First Downs als Jones.

Offense-Grundlage 2023: Air Raid Hybrid mit QB Run Game

Das Markenzeichen von Head Coach Brian Daboll und Offensive Coordinator Mike Kafka 2022 lag darin, dass man aus limitierten Mitteln das Maximum herausholen konnte, indem Flexibilität eine der obersten Qualitäten darstellte. Trotz mehrerer Verletzungen, einer anfälligen Offensive Line und einem schwachen Waffenarsenal. Das sollte jetzt alles besser sein, die Line und das Receiving Corps wurden deutlich verbessert.

Das könnte dazu führen, dass Daniel Jones etwas weniger ins Run Game eingebunden wird; ich sehe aber auch ein Szenario, in dem die Neuzugänge Jalin Hyatt und Darren Waller darauf hindeuten, dass die Offense mehr in eine Spread-Richtung gehen soll. Das könnte zu leichten Boxes führen, was wiederum Quarterback Runs umso effizienter machen kann.

Philadelphia Eagles

Stat to Know 2022: Das Quarterback Run Game war ein essenzieller Bestandteil der Eagles-Offense im Vorjahr: Jalen Hurts lief den Ball in der Regular Season 165 Mal. Dementsprechend führte Hurts auch alle Quarterbacks in Rushing-Touchdowns (18, inklusive Playoffs) und erlaufenen First Downs (85) jeweils deutlich an.

Offense-Grundlage 2023: QB-Option-Offense mit West-Coast-Basis und vertikalem Passspiel

Insbesondere was designte Runs angeht, war keine Offense in der vergangenen Saison so intensiv um das Quarterback Run Game herum aufgebaut wie die der Eagles. Mit Jalen Hurts und der Qualität der Offensive Line macht das Philadelphia extrem unangenehm zu verteidigen: Man muss früher oder später mehr Ressourcen in die Box investieren, ermöglicht dann aber potenzielle Eins-gegen-Eins-Matchups für DeVonta Smith und A.J. Brown.

Mit Brian Johnson übernimmt ein neuer Offensive Coordinator, der allerdings war die vergangenen beiden Jahre Hurts' Quarterbacks Coach in Philadelphia, und sollte dementsprechend nicht nur Shane Steichens Offense bestens kennen, sondern auch wissen, wo Hurts' Stärken liegen, und was er komfortabel umsetzen kann. Eine gravierende schematische Veränderung verglichen mit der vergangenen Saison erwarte ich nicht.

San Francisco 49ers

Stat to Know 2022: Bei Pässen in unter 2,5 Sekunden knackten in der vergangenen Saison drei Quarterbacks (mindestens 150 Pässe) die Marke von 7,8 Yards pro Pass: Tua Tagovailoa, Jimmy Garoppolo und Brock Purdy. Diese Offense ist nach wie vor darauf ausgelegt, Big Plays zu kreieren, ohne dass der Quarterback den Ball lange halten muss.

Offense-Grundlage 2023: West Coast mit Heavy Bootleg Play Action

Shanahans offensive Grundlage ist nach wie vor klar definierbar, aber es sind die vielen Anpassungen und daraus entstehenden Mutationen, welche die Offense über die letzten Jahre erfahren hat, die San Francisco dennoch eine Vielzahl an offensiven Dimensionen geben. So sind die Niners etwa längst kein (nahezu) reines Zone Blocking Team mehr, die Flexibilität der offensiven Waffen bietet zudem eingebaute Matchup-Möglichkeiten.

Deebo Samuel, Kyle Shanahan

49ers-Coach Kyle Shanahan (re.) ist vielleicht der prägendste Offense-Coach in der NFL aktuell. Getty Images

Doch es ist aus schematischer Perspektive vor allem Shanahans Talent dafür, einerseits anpassungsfähig zu bleiben, andererseits dabei aber stets Play-Designs miteinander zu verknüpfen und die Kunst des Sequencings zu meistern - das gibt San Francisco offensiv diesen enorm hohen Floor aus Scheme-Perspektive. Shanahans Offense ist nach wie vor extrem gut nach dem Catch, teilweise mit einem guten Screen Game, aber auch durch gut designte Passkonzepte Underneath.

Am Boden sind die 49ers zudem auch ohne eine Quarterback-Rushing-Komponente Jahr für Jahr eines der effizienteren Teams. All das zusammengenommen erklärt, warum San Francisco bei den Buchmachern weiter als ein Mitfavorit zumindest in der NFC gilt - obwohl wir noch nicht wissen, wer als Starting Quarterback in die Saison gehen wird, und was das wiederum für die Offense bedeutet.

Seattle Seahawks

Stat to Know 2022: Kein Quarterback warf in der vergangenen Regular Season mehr tiefe Touchdown-Pässe (Touchdowns bei Pässen über mindestens 20 Air Yards) als Geno Smith (14). Seine Completion Quote von 47,6 Prozent bei tiefen Pässen wurde unter Quarterbacks mit mindestens 25 tiefen Pässen einzig von Tua Tagovailoa (54,5 Prozent) übertroffen.

Offense-Grundlage 2023: Flexibler Hybrid aus West Coast und Spread Offense

Offensive Coordinator Shane Waldron hat eine klare schematische Verbindung zu Sean McVay; von 2017 bis 2020 arbeitete Waldron in verschiedenen offensiven Coaching-Rollen unter McVay in Los Angeles, nachdem er 2016 bereits unter dem damaligen Offensive Coordinator Sean McVay in Washington gearbeitet hatte. Waldron setzt dabei, ähnlich wie sein langjähriger Mentor mittlerweile in L.A., auf eine flexible Interpretation dieser Offense - und Waldron ist bisweilen noch Pass-lastiger als McVay.

Das gibt Rookie-Receiver Jaxon Smith-Njigba eine potenziell gravierende Rolle, als Target-Maschine und Raumdeuter Underneath, potenziell auch bei Option Routes und dergleichen, wie sie Cooper Kupp in L.A. läuft, zwischen den vertikaleren Waffen DK Metcalf und Tyler Lockett. Waldron hat Kenneth Walker in der vergangenen Saison einige leichtere Boxes kreiert, was zu explosiven Runs führte. Auch hier könnte ein Rookie eine Rolle spielen: Running Back Zach Charbonnet gibt den Seahawks eine konstantere Between-the-Tackles-Rushing-Option.

Tampa Bay Buccaneers

Stat to Know 2022: Im Schnitt hielt Tom Brady den Ball in der vergangenen Saison ganze 2,3 Sekunden - mit weitem Abstand der kürzeste Wert. Joe Burrow (2,49) und Trevor Lawrence (2,52) folgten auf den Plätzen 2 und 3.

Offense-Grundlage 2023: Run-heavy Interpretation der McVay-Offense

Die Suche nach einem neuen Offensive Coordinator infolge der Entlassung von Byron Leftwich erwies sich als nicht ganz einfach - gelandet ist man schließlich bei Dave Canales. Für den 42-Jährigen ist es die Premiere als Play-Caller, nachdem er von 2010 bis zum Ende der vergangenen Saison in verschiedenen Rollen (Receivers Coach, Quarterbacks Coach, Passing Game Coordinator) bei den Seahawks tätig war. Der Offensive Coordinator bei den Bucs ist angesichts der Tatsache, dass Head Coach Todd Bowles klar auf der defensiven Seite zuhause ist, eine exponierte Rolle - doch ernsthaft zu prognostizieren, was für eine Art Offense Canales spielen lässt, ist schwierig.

Als "Offensive-Line-freundlich" hatte Bowles Canales' Offense bezeichnet, darauf angesprochen erklärte Canales: "Wir laufen den Ball viel, und sie lieben es. Wenn man den Ball effektiv läuft, hilft das dem Play Action Passspiel." Die Botschaft scheint klar: Das Run Game - mit Blick auf Canales' Seahawks-Vergangenheit würde ich auf ein Zone Run Game tippen - soll im Fokus stehen. Der Quarterback, mutmaßlich Baker Mayfield, soll ein möglichst geringer Faktor sein.

Washington Commanders

Stat to Know 2022: Mit einer Rush-Rate von 44 Prozent sowie einer Pass Rate Over Expected von -7,6 Prozent waren die Commanders eines der Run-lastigsten Teams in der NFL. Setzt sich das unter Eric Bieniemy fort?

Offense Grundlage 2023: Flexibler Hybrid aus West Coast und Spread Offense

Auf die Fans in der Hauptstadt wartet eine zumindest mal interessante Kombination: Mit Eric Bieniemy gelang es den Commanders, den langjährigen Andy-Reid-Schüler als neuen Offensive Coordinator an Land zu ziehen. Für Bieniemy ist es die Chance, sich aus Reids Schatten zu bewegen - gleichzeitig aber muss er diesen Schritt entweder mit Sam Howell, oder aber mit Jacoby Brissett bewerkstelligen.

Seit 2013 hat Bieniemy in Kansas City unter Reid gearbeitet, einige Parallelen sind also zu erwarten, zumal Bieniemy von 2006 bis 2010 unter Brad Childress in Minnesota war, nicht nur ein weiterer Vertrauter von Andy Reid, sondern auch ein Vertreter der West Coast Offense. Das sollte also die Grundlage sein, spannender ist die Frage danach, inwieweit Bieniemy die Details übernehmen und installieren kann, welche Reids Offense so besonders machen.

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