Bundesliga

Schalke: Stevens im Interview - 20 Jahre Meister der Herzen

20 Jahre Meister der Herzen

Stevens im Interview: "Wenn man da oben steht und die Fans weinen sieht ..."

Bilder eines Fußball-Dramas: Fassungslose Fans, ein frustrierter Trainer Huub Stevens und ein heißer Manager Rudi Assauer.

Bilder eines Fußball-Dramas: Fassungslose Fans, ein frustrierter Trainer Huub Stevens und ein heißer Manager Rudi Assauer. picture-alliance (3)

Huub Stevens, welche Erinnerungen haben Sie an den 19. Mai 2001?

Sehr viele. Zum Beispiel, dass wir in das Spiel gegen Unterhaching mit dem Gefühl gegangen sind, die Meisterschaft irgendwie schon drei Spiele zuvor beim 1:1 in Bochum vergeigt zu haben. Aber natürlich bestand an jenem letzten Spieltag die kleine Chance, die Bayern doch noch abzufangen. Deshalb wollten wir unbedingt unsere Pflichtaufgabe erfüllen.

Es sah zunächst nicht danach aus, als würde dies dem FC Schalke gelingen.

Wir sind gegen Unterhaching früh in Rückstand geraten, erst 0:1, dann sogar 0:2. Zum Glück haben wir kurz vor der Pause per Doppelschlag durch Nico van Kerckhoven und Gerald Asamoah ausgeglichen und am Ende noch 5:3 gewonnen. Dass die Meldung durchs Stadion schwappte, das Spiel in Hamburg sei vorbei und der HSV habe 1:0 gewonnen, bekamen wir auf der Trainerbank dann natürlich mit...

Wie war das für Sie?

Irgendwie traute ich dem Braten nicht. Irgendwas in mir wollte ins Stadioninnere, also bin ich ins Trainerbüro im Kabinentrakt gegangen, dort saßen Youri Mulder und noch ein paar andere. Der Fernseher lief. In dem Moment, als ich reinkomme, bekommen die Bayern den Freistoß.

Wie war Ihre Reaktion?

Ich konnte nicht fassen, was ich da sah. Die Bayern schießen das 1:1 und ich höre draußen unsere eigenen Fans über unsere vermeintliche Meisterschaft jubeln. Das war eine surreale Situation. Ich habe sofort alle Spieler reinholen lassen, ich wollte sie in der Kabine beisammenhaben.

Was haben Sie der Mannschaft gesagt?

Dass wir gerade sehr schmerzhaft erfahren, wie hart Fußball sein kann, aber auch, dass ich sehr stolz darauf bin, was sie in dieser Saison geleistet hat. Wir haben uns direkt für die Champions League qualifiziert, vor allem aber bestand ja noch die Aussicht auf einen Titel: Wenige Tage später stand das Pokalfinale an. Wir wollten versuchen, uns so gut wie möglich darauf zu konzentrieren.

Hat's geklappt?

Nein. (lacht) Als wir uns nach diesem 19. Mai 2001 das erste Mal wiedergetroffen haben, hatte keiner den Kopf frei. Und auch am Tag des Endspiels in Berlin hat man gemerkt, dass diese Ereignisse eine Woche zuvor noch allen in den Knochen steckten.

Hatten Sie Sorge, dass die Leistung im Finale von den ganzen Emotionen beeinträchtigt werden könnte?

Durchaus. Wir trafen in Berlin auf eine Mannschaft aus Berlin, und dass Union damals als Regionalliga-Meister der große Außenseiter war, machte es für uns nicht einfacher. Es lastete ein großer Druck auf uns. Zum Glück hat uns Jörg Böhme mit seinen zwei Toren den DFB-Pokal beschert.

Haben Sie die Trophäe als Trostpflaster empfunden?

Sie war ein Trostpflaster, ja. Aber natürlich war die Wunde vom 19. Mai größer als das Pokal-Pflaster. Um das zu erkennen, reicht allein schon der Gedanke daran, wie wir nach dem 5:3 auf der Tribüne standen.

Wie kam es dazu?

Ich habe der Mannschaft in der Kabine gesagt, dass es gerade sehr weh tut, aber dass wir rausgehen und uns von unserem Publikum verabschieden müssen. Wenn man dann da oben steht und die Fans weinen sieht, geht das mitten ins Herz. Es tat mir unfassbar leid, vor allem auch für meinen Freund Rudi Assauer. Ich hätte ihm so gerne einen Meistertitel geschenkt. Wir haben zusammen die Eurofighter-Mannschaft 1997 aufgebaut und fast auch eine Meister-Mannschaft, aber leider nur fast.

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