Bundesliga

Spitzmaus und Büffel: Frankfurts Ordonez im Porträt

Acht Fragen zu Eintracht-Winter-Einkauf

Spitzmaus und Büffel: Frankfurts Ordonez im Porträt

Zuletzt zweimal von Beginn an in Frankfurts Innenverteidigung: Winter-Neuzugang Andersson Ordonez.

Zuletzt zweimal von Beginn an in Frankfurts Innenverteidigung: Winter-Neuzugang Andersson Ordonez. imago

Warum hat Frankfurt Ordonez verpflichtet?

Stamm-Innenverteidiger Jesus Vallejo ist nur bis zum Sommer von Real Madrid ausgeliehen. Ob die Königlichen ihr Abwehr-Juwel ein weiteres Jahr an die Eintracht abgeben werden, ist derzeit völlig offen. Michael Hector, der ohnehin nicht voll überzeugen konnte, muss nach seiner Leihe zurück zum FC Chelsea, sodass mit David Abraham und Marco Russ lediglich zwei etatmäßige Innenverteidiger unter Vertrag stehen. Die Frage nach neuen Abwehrspielern fürs Zentrum hätte sich also spätestens im Sommer ohnehin gestellt.

Spielersteckbrief Andersson Ordonez
Andersson Ordonez

Ordonez Valdez Andersson Rafael

Bundesliga - Tabelle
Pl. Verein Punkte
1
Bayern München Bayern München
70
2
RB Leipzig RB Leipzig
62
3
Borussia Dortmund Borussia Dortmund
56

"Wir haben Andersson lange intensiv beobachtet und sind davon überzeugt, dass er uns perspektivisch weiterhelfen kann. Er passt total in unser Anforderungsprofil. In diesem Fall war es sinnvoll, den Spieler in der Winterpause zu verpflichten", erklärte Sportvorstand Fredi Bobic bei der Verpflichtung per Vereinsmitteilung.

Während des Trainingslagers in Abu Dhabi führte Bobic aus: "Wir hatten ihn seit Mai, Juni im Blick. Im Sommer wäre eine Verpflichtung noch nicht möglich gewesen. Uns war es aber auch lieber, dass er in Guayaquil noch mal ein halbes Jahr durchspielt. Jetzt war die Situation viel klarer, auch von der Ablöseforderung her." Chefscout Ben Manga fiel der kantige Verteidiger vor Jahren schon als Juniorennationalspieler auf, damals arbeitete er mit Bobic noch zusammen in Stuttgart.

Warum spielt er erst jetzt eine Rolle?

Schon in den ersten Tagen in Abu Dhabi zog sich Ordonez eine Bänderverletzung im rechten Knie zu und fiel beinahe drei Monate aus. Nach der Rückkehr ins Mannschafstraining schaffte er es aber in Windeseile, im internen Ranking an Hector vorbeizuziehen. Am 27. Spieltag kam er in der 75. Minute als Joker zu seinem ersten Einsatz, im darauffolgenden Heimspiel gegen Werder Bremen stand er dann ebenso in der Startelf wie zuletzt in Dortmund. "Ich war positiv angespannt, ein gewisses Maß an Aufregung war schon da", erzählt der Mann mit der Rückennummer 29.

Welche sportlichen Qualitäten bringt er mit?

Ordonez misst 1,86 Meter und verfügt über eine bullige Statur. Bobic nennt ihn respektvoll einen "Büffel". Sich selbst beschreibt er als schnell, robust und stark im Luftkampf. Sein Trainer Niko Kovac schätzt zudem, dass er ein Linksfüßer ist, was beim Spielaufbau als linker Innenverteidiger durchaus ein Vorzug ist.

Klar ist allerdings auch, dass man dem Neuzugang nicht zu viele Steine in Form von überzogener Erwartungshaltung in den Rucksack packen sollte. Es wird Zeit brauchen, bis sich der Verteidiger an das Niveau in der Bundesliga gewöhnt hat. Dass er in den ersten Spielen hier und da mal einen Fehler gemacht hat, muss man ihm zugestehen. Kovac lobte nach dem Werder-Spiel: "Ich glaube schon, dass Ben Manga einen ganz guten Fang für uns gemacht hat." Ordonez spricht davon, nach der Verletzung noch körperliche Defizite zu haben. "Es ist schwer, sofort bei 100 Prozent zu sein. Ich bin jemand, der seine eigene Leistung kritisch beäugt. Es gibt noch Luft nach oben."

Wie lebt er in Frankfurt?

Ordonez lebt in einer Frankfurter Wohnung, ist aber noch immer Strohwitwer. Seine Frau und die acht Monate alte Tochter Casey leben weiterhin in Ecuador: "Ich habe sie seit fast fünf Monaten nicht gesehen, aber sie ziehen im Sommer zur neuen Saison zu mir nach Frankfurt. Das Heimweh ist nicht mehr so akut. Ich habe mich erst mal damit abgefunden, alleine zu wohnen." Bis er seine Liebsten am Flughafen abholen kann, hilft tägliches Skypen dabei, dass die Sehnsucht nicht zu groß wird.

In der neuen Stadt fühlt er sich schon rundum wohl. "Ich habe mich gut eingelebt. Frankfurt ist sehr schön, eine bunte und spektakuläre Stadt mit Einwohnern aus aller Herren Länder – das finde ich sehr schön", erzählt der 23-Jährige. Wenn er nicht gerade Fußball spielt oder mit seiner Familie spricht, lässt er es eher ruhig angehen, schaut Fernsehen oder ruht sich anderweitig aus.

Das passt zu seinem Naturell: Im Gespräch mit den Journalisten, das von Eintracht-Dolmetscher Stéphane Gödde übersetzt wird, spricht er leise und mit Bedacht. Kontaktscheu ist er laut eigener Aussage aber nicht: "Ich bin ein offener Mensch, der auf alle zugeht und sich mit jedem gut verstehen will." In der Mannschaft kommt er besonders gut mit den ebenfalls spanischsprachigen Omar Mascarell und Guillermo Varela aus.

Wie entstand sein ungewöhnlicher Spitzname?

Zum Fußball kam Ordonez über seinen Kumpel Freddy, der ihn eines Tages einfach zum Training mitgenommen hat. Jener Freund taufte ihn "Musarana", was übersetzt "Spitzmaus" bedeutet. Daraus abgeleitet entstand sein Spitzname "Musa". Sein Vorbild ist allerdings keine Spitzmaus, sondern ein Hai. Genauer gesagt: Carles Puyol, in Spanien ehrfurchtsvoll "el tiburon", der Hai, genannt.

Andersson Ordonez (rechts)

Von der ecuadorianischen Liga ins Laufduell mit Aubameyang: Im Duell mit dem BVB bekam es Ordonez gleich mit dem schnellen Gabuner zu tun. imago

Was hat ihn in Deutschland überrascht?

Die Kälte, vor allem die Kälte. Während der Verteidiger am Mittwochnachmittag in Loge 3.02 des Stadions spricht, zieht draußen ein Graupelschauer vorbei. Aus Ecuador kennt er das nicht, in Guayaquil liegen die durchschnittlichen Tagestemperaturen im ganzen Jahr bei rund 30 Grad. Auch das professionelle Arbeiten bei der Eintracht ist ihm in dieser Form neu. Eine solche medizinische Betreuung – den Spielern wird fast täglich Blut abgenommen – gebe es in Südamerika nicht.

Hatte er einen Plan B, falls es mit dem Sprung zum Fußballprofi nicht gereicht hätte?

Ja! "Ich habe die Schule immer gut gefunden und hätte mir vorstellen können, Polizist zu werden", erzählt Ordonez. Nun muss er eben den Strafraum der Eintracht bewachen. Auch kein schlechter Job.

Wie schätzt er die sportliche Situation ein?

"Unsere Tabellenposition ist so schlecht nicht, wir haben noch Kontakt nach oben. Die Mannschaften vor uns sind in Schlagdistanz, aber wir müssen uns nach unten absichern. Das nächste Spiel gegen Augsburg ist eminent wichtig. Die Mannschaft glaubt an sich und arbeitet weiter hart", erklärt der Abwehrspieler.

Generell sei die Bundesliga eine sehr umkämpfte, komplexe Liga, eine der "weltweit schwierigsten". Besonders die Schnelligkeit und die kampfbetonten Spiele beeindrucken ihn. Gelingt es dem Innenverteidiger, sich zu behaupten, dürfte er seinem nächsten großen Ziel ein gutes Stück näherkommen. "Die Nationalmannschaft ist ein Traum, den ich mir erfüllen will", betont Ordonez. Bislang war die U20 Ecuadors das höchste der Gefühle.

Julian Franzke