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DFB-Debakel: So verliert Hansi Flick auch die letzten Argumente

Schlimmes Debakel statt Befreiungsschlag zum Start in die EM-Saison

So verliert Flick auch die letzten Argumente

Die Zweifel, dass Hansi Flick in den nur noch neun Monaten bis zum Heim-Turnier den Turnaround schafft, könnten nach dem 1:4 gegen Japan größer kaum sein.

Die Zweifel, dass Hansi Flick in den nur noch neun Monaten bis zum Heim-Turnier den Turnaround schafft, könnten nach dem 1:4 gegen Japan größer kaum sein. IMAGO/Pressefoto Baumann

Von wegen Turnaround und Stimmungsumschwung. Das selbst in dieser Höhe vollauf verdiente 1:4 bei der WM-Neuauflage gegen Japan verschärft vielmehr die Krise des EM-Gastgebers und die Diskussionen um den Bundestrainer dramatisch.

Wie schon in den trostlosen Juni-Länderspielen gingen Hansi Flicks taktische und personelle Maßnahmen nicht auf.

Stattdessen agierte auf dem Platz erneut eine bemühte, aber defensiv erneut extrem anfällige und offensiv einfallslos nach Lösungen suchende Mannschaft, die zudem immer verunsicherter wirkte und am Ende auseinanderfiel. Auf der anderen Seite verkörperte Japan genau das, was die deutsche Mannschaft schon seit einem Jahr nicht mehr ist: Ein Team, das Selbstbewusstsein und Freude ausstrahlt, und in dem jeder weiß, was er zu tun hat und der andere tut.

Drei Pleiten in Serie gab es zuletzt 1985

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Das Pfeifkonzert, das die Fans in Wolfsburg bereits zur Halbzeit und noch viel lauter nach dem Schlusspfiff anstimmten, klang schon nach Endzeitstimmung. Drei deutsche Länderspiel-Niederlagen in Folge gab es zuletzt 1985 unter Franz Beckenbauer gegen England, Mexiko und die UdSSR.

Die Zweifel, dass Flick in den nur noch neun Monaten bis zum Heim-Turnier den Turnaround schafft, könnten nach dieser Blamage größer kaum sein. Und das nächste Debakel droht schon am Dienstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) gegen Vize-Weltmeister Frankreich.

Auf der Tribüne kauerten nebeneinander die DFB-Entscheider Bernd Neuendorf, Hans-Joachim Watzke und Rudi Völler, die bisher eisern zu Flick standen und ein flottes "Weiter so" propagierten. Mit solchen Auftritten und ausbleibender Entwicklung aber verliert der Bundestrainer auch die letzten Argumente.

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Krass konterkariert wurde in Wolfsburg das Vorhaben, den verlorenen Glauben bei den Fans wenigstens ansatzweise wieder herzustellen und ein erstes Fünkchen Hoffnung für die Heim-EM in neun Monaten zu zünden. Den bei der desaströsen Winter-WM gewonnenen Eindruck, dass in Katar eine Mannschaft am Start war, der es an Leben und Zusammenhang mangelte, hatte die entlarvende Amazon-Doku "All or nothing" in vielen Sequenzen bestätigt.

Bereits in den ersten fünf Länderspielen dieses Jahres - vor allem im Juni gegen die Ukraine (3:3), Polen (0:1) und Kolumbien (0:2) - scheiterten die Versuche der Wiederbelebung kläglich. Doch der Auftritt gegen Japan war in jeder Hinsicht ein sportlicher Offenbarungseid.

Neue Hierarchie, neue Struktur - aber das gleiche Gesamtbild

Das Bemühen, es besser machen zu wollen, war der deutschen Mannschaft immerhin in der ersten Halbzeit noch anzusehen. Aber wieder lief nichts zusammen. Und wieder kassierte der viermalige Weltmeister viel zu billige Gegentore. Mit der Systemumstellung hatten die Treffer durch Junya Ito und Ayase Ueda vor der Pause nichts zu tun, sie resultierten aus individuellen Fehlern des indisponierten Nico Schlotterbeck. In vier der letzten sechs Länderspielen kassierte die DFB-Auswahl mindestens zwei Gegentreffer, blieb in den letzten 17 Auftritten nur gegen die Underdogs aus Peru und dem Oman ohne Gegentor. Die Zahlen sind Ausdruck von mangelnder Wehrhaftigkeit.

Genau das wollte Flick eigentlich abstellen.

Im Vorfeld hatte er mit Worten und Taten unterstrichen, dass die Zeit der Kompromisse endlich vorüber ist. Leon Goretzkas Nichtberücksichtigung, Ilkay Gündogans Beförderung zum Kapitän und Mittelfeld-Chef, die Versetzung des bisherigen Spielführers Joshua Kimmichs auf die rechte Abwehrseite: Mit diesen Maßnahmen versuchte Flick, eine neue Hierarchie im Kader und eine neue Struktur auf dem Platz zu schaffen. Aber zu einer Veränderung des nach wie vor höchst alarmierenden Gesamtbildes führte das nicht.

Nicht mal nach dem Spiel, als man sich bei den Fans bedanken und entschuldigen wollte, konnten sich die Spieler auf einheitliche Laufwege einigen: Die einen liefen auf die linke Tribüne zu, die anderen auf die rechte.

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