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Sevilla und Ivan Rakitic: Eine Liebesgeschichte

Publikumsliebling verlässt die Andalusier

Sevilla und Ivan Rakitic: Eine Liebesgeschichte

Publikumsliebling in Sevilla: Ivan Rakitic.

Publikumsliebling in Sevilla: Ivan Rakitic. picture alliance / Newscom

Als Ivan Rakitic am 27. Januar 2011 in einem Hotel in Sevilla saß, bekam er gleich zweimal große Augen. Zum einen, weil ihn einen Tag vor dem Medizincheck beim FC Sevilla auf einmal ein anderer Verein kontaktierte. Ein Privatjet würde ihn abholen, mehr Geld gäbe es sowieso. Die Verlockung war groß.

Ivan Rakitic in Zahlen

  • geboren am 10. März 1988 in Rheinfelden/Schweiz
  • Schweizer Meister mit dem FC Basel 2005
  • Schweizer Pokalsieger mit dem FC Basel 2007
  • DFB-Pokalsieger mit Schalke 2011
  • Europa-League-Sieger mit Sevilla 2014 und 2023
  • Spanischer Meister mit Barça 2015, 2016, 2018, 2019
  • Spanischer Pokalsieger mit Barça 2015, 2016, 2017, 2018
  • Champions-League-Sieger mit Barça 2015
  • 106 Länderspiele für Kroatien (15 Tore)
  • Vizeweltmeister mit Kroatien 2018

Der damalige Schalker blieb loyal, er stand ja bei Sevilla im Wort. Dass er absagte, hatte aber auch mit einer Begegnung unmittelbar vor dem Handyklingeln zu tun. Eine Bedienung namens Raquel hatte ihm und seinem Bruder die Getränke an die Hotelbar gebracht. "Ich sagte zu meinem Bruder: 'Ich bleibe auf jeden Fall hier. Und ich will diese Kellnerin heiraten.'" 

Im April 2013 läuteten dann die Hochzeitsglocken. Es sei allerdings "keine Liebe auf den ersten Blick" bei Raquel gewesen, wie Rakitic dem Schweizer "Blick" erzählte. Doch er blieb - trotz aller Ausflüchte und Absagen - hartnäckig. Als sie einmal privat in der Bar war, ging er an ihren Tisch und sagte: "Jetzt arbeitest du nicht. Jetzt hast du Zeit für mich." Am nächsten Tag seien sie gemeinsam essen gewesen, seitdem sind sie ein Paar. "Das ist eine Hollywood-Story, die könnte ich verkaufen", so Rakitic.

Privat fand er also in Sevilla die Liebe - und beruflich ebenso. Drei Jahre blieb er den Andalusiern treu, avancierte zu einem der gefragtesten Mittelfeldspieler, wurde zum Publikumsliebling, holte als Kapitän mit den Rot-Weißen 2014 die Europa League. Als der FC Barcelona kurz darauf anklopfte, konnte er nicht Nein sagen. Der Erfolg blieb. Mit den Katalanen gewann er viermal die spanische Meisterschaft, viermal die Copa del Rey und 2015 auch die Champions League.

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Im Sommer 2020 kehrte ein hochdekorierter Rakitic mit 32 Jahren nach Sevilla zurück, seinen Zenit hatte er da eigentlich schon überschritten. So mancher in Sevilla dachte, der Routinier würde dem Klub nicht mehr weiterhelfen können.

Sevillas Absturz kann auch Rakitic nicht verhindern

Doch weit gefehlt. Der Kroate war nie einer der schnellsten, ihn zeichnen vielmehr seine brillante (Schuss-)Technik, seine Spielintelligenz und seine Führungsstärke aus. In der Saison 2022/23 bestritt er 51 Pflichtspiele und hatte entscheidenden Anteil am Triumph in der Europa League 2023. 120 Minuten stand er im Finale auf dem Platz, traf auch beim Elfmeterschießen gegen die Roma. Hätte Sevilla-Legende Jesus Navas nicht auf dem Platz gestanden, hätte Rakitic auch damals die Mannschaft als Kapitän auf den Platz geführt.

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Doch jede Hollywood-Story landet eben irgendwann beim unvermeidlichen Abspann. Sevilla stolpert durch die laufende Saison, mit Quique Sanchez Flores versucht sich bereits der dritte Coach bei den abstiegsgefährdeten Andalusiern. Der Unterschied zu seinen Vorgängern: Er setzte nur noch sporadisch auf Rakitic. Im Pokal-Aus bei Atletico Madrid (0:1) wurde er eingewechselt, sein 323. Pflichtspieleinsatz war gleichzeitig sein letzter für die Rot-Weißen.

Nur zehn Akteure in Sevillas Vereinshistorie standen häufiger auf dem Platz als der Vize-Kapitän. Er ist der ausländische Spieler mit den meisten Einsätzen für den Klub und der einzige, der je die 300-Spiele-Marke überschritten hat. 51 Tore hat er geschossen, 63 Vorlagen geliefert. Und nicht nur das Herz seiner Angebeteten für sich gewonnen. "Der gesamte Verein bedankt sich bei Ivan Rakitic, einem der verdientesten und beliebtesten Spieler unserer Geschichte", hieß es nicht ohne Grund in Sevillas Pressemitteilung.

Rakitic will nicht weinen - und scheitert schnell

Der erneute, der endgültige Abschied fällt schwer. Das ist auch seinem Abschiedsvideo via "X" zu entnehmen. "Ich habe mein Herz für dieses Wappen hergegeben, habe meine Frau hier getroffen und meine Töchter aufwachsen sehen. Ich werde eure Liebe immer in meinem Herzen tragen. Ich werde auf ewig einer von euch bleiben", sagte der inzwischen 35-Jährige.

Bei seiner Abschieds-Pressekonferenz am Nachmittag unter dem Motto "Gracias, Ivan" konnte er seine Emotionen nicht mehr hinter einem Video verstecken. "Das Erste, was ich sage, ist, dass ich nicht weinen werde - mal sehen, ob ich es schaffe." Er schaffte es nicht. "Du musst einsehen, wenn dein Zyklus beendet ist - auch wenn es weh tut", erklärte er. Kurz darauf rollten bei ihm die Tränen.

Hollywood wird wohl trotzdem nicht mehr anklopfen, zumal der Wechsel nach Saudi-Arabien Fußball-Romantiker dann doch ein wenig verprellt hat. Aber Sevilla und Ivan Rakitic, das war dennoch eine große Liebesgeschichte.

Christoph Laskowski

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