2. Bundesliga

Schuster: "Aufgeben kann man nur einen Brief"

Spätes FCK-Glück in der achten Minute der Nachspielzeit

Schuster: "Aufgeben kann man nur einen Brief"

Später Ausgleich: Der 1. FC Kaiserslautern in Ekstase.

Später Ausgleich: Der 1. FC Kaiserslautern in Ekstase. picture alliance/dpa

Dirk Schuster hatte mit der Heimspielstätte des VfL Osnabrück nur gute Erfahrungen gemacht. Weder als Spieler noch als Trainer hatte er die Bremer Brücke je mit einer Niederlage verlassen müssen. Mehr noch, am 18. November 2000 erzielte er für seinen damaligen Klub LR Ahlen im Gastspiel ebendort einen Kopfballtreffer, die Partie endete 1:1. Vielleicht hätten die Kopfballkünste Schusters dem nun von ihm instruierten 1. FC Kaiserslautern am Sonntag früher Erlösung verschafft, wäre der 55-Jährige im Besitz eines gültigen Spielerpasses gewesen und aufs Feld geeilt. Seine Schützlinge konnten in der zweiten Spielhälfte versuchen, was sie wollten, der Ball, so schien es, mochte einfach nicht mehr über den Kreidestrich sausen. Beinahe wäre Schusters persönlicher Osnabrück-Nimbus zerstoben, und mit ihm die Serie seiner Mannschaft, die seit fünf Ligaspielen ungeschlagen war.

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Nimbus intakt, Serie ausgebaut

Aus der Historie heraus weiß man allerdings, dass gerade Spiele mit Beteiligung des FCK nicht für beendet erklärt werden sollten, ehe tatsächlich der letzte Pfiff ertönt ist. Und siehe da, in der achten Minute der Nachspielzeit köpfte Boris Tomiak den Ball nach einer Ecke des eingewechselten Philipp Klement ein letztes Mal in Richtung des Osnabrücker Tores und in dieses hinein; der aufgrund einer Schulterverletzung "einarmig" daherkommende und nicht mehr voll bewegungsfähige Oumar Diakhite fälschte das Spielgerät folgenschwer ab. 2:2. Nimbus intakt, Serie ausgebaut.

Egal, dass Kevin Kraus und Terrence Boyd gleich zwei Elfmeter in einer Partie verschossen. Egal, dass allein der in den Partien zuvor so treffsichere Ragnar Ache Chancen im Dutzend versiebte. Egal, dass die Roten Teufel nur 95 Sekunden nach Kraus' vergebener Chance vom Punkt das 0:1 schluckten und noch in der ersten Hälfte den zweiten Gegentreffer kassierten, per Strafstoß, den Redondo auf schlichte Art verschuldete. Die Moral dieser Mannschaft ist allseits bekannt, sie litt auch am Sonntag unter all den Nackenschlägen nicht.

Boyd sorgt für vermeintliches Novum seines Trainers

"Aufgeben ist keine Option. Das Einzige, das aufgegeben werden kann, ist ein Brief", bekundete Schuster in blumiger Form. Der Trainer musste "nach einer Achterbahnfahrt" selbst erst mal durchpusten und lobte seine Elf für ein an sich "sehr gutes Auswärtsspiel". Zwei verschossene Elfmeter einer eigenen Mannschaft seien für ihn "ein Novum", das er "so auch noch nicht erlebt“ habe. Im Eifer des Gefechts hatte das Gedächtnis Schuster offenbar im Stich gelassen: Am 3. Spieltag der Drittliga-Saison 2012/13 vergaben die Stuttgarter Kickers mit ihm als Coach zwei Strafstöße beim 0:0 gegen den SV Wehen Wiesbaden. Schuld mochte er nicht zuweisen, obgleich beim zweiten Strafstoß nicht Terrence Boyd als Schütze vorgesehen war. Offenbar wollte der in der Schlussviertelstunde ebenso wie Lex Tyger Lobinger ins Spiel gekommene US-Amerikaner sich nach Wochen der Dürre unbedingt bewähren.

Wir haben schon noch ein paar Möglichkeiten, uns zu steigern.

Dirk Schuster

Dies ging gehörig schief. Boyds Schuss war zu soft und unplatziert. Auch den Kopfball im Nachfassen entsandte der 32-Jährige ohne Überzeugung in Richtung des Osnabrücker Tores, in dem der ehemalige Kaiserslauterer Lennart Grill famos parierte. Auch Schuster rühmte den Schlussmann: "Ich muss ihm ein Riesenkompliment machen, wie er heute gehalten hat, unabhängig von den zwei Elfmetern. Wir haben extrem viel auf die Kiste geballert."

Das kann man wohl sagen. 35 Schüsse feuerte der FCK ab, 29 Mal flankte ein Spieler in den Strafraum; allein Tymoteusz Puchacz zehnmal. Sechs von sieben Großchancen blieben ungenutzt. Nicht nur deswegen mochte Schuster die Bezeichnung "Topmannschaft" aus dem Munde seines Osnabrücker Kollegen Tobias Schweinsteiger nicht gelten lassen. "Das sind wir nicht", widersprach Schuster, "wir haben schon noch ein paar Möglichkeiten, uns zu steigern". Bei den Gegentoren habe seine Elf erheblich mitgeholfen, einer Spitzenmannschaft unterlaufe dergleichen nicht. "Es ärgert mich, wenn man ein Spiel wie heute ein wenig billig herschenkt."

Opoku fällt Stein von der Seele

Julian Niehues, per Kopf Schütze des 1:2-Anschlusstores kurz vor der Pause, bemängelte die offenkundige Ineffizienz. "Leider müssen wir heute über 'einen Punkt retten' sprechen. Es war ein hochverdienter Punkt, aber wir müssen vor dem Kasten konsequenter werden. Ein Sieg wäre für uns mehr als verdient gewesen." Letzten Endes war auch Niehues froh darüber, ein weiteres Spiel unbezwungen geblieben zu sein. Das galt ebenso für Aaron Opoku, der rechtzeitig von einer Gesäßmuskelverletzung genesen war und zur 46. Minute auf den Rasen kam. Bei Tomiaks Ausgleichstreffer sei ihm "ein Stein von der Seele gefallen". "So kurz vor dem Ende zurückzukommen, das ist ein sehr schönes Gefühl", sagte Opoku, der in der Saison 2021/22 auf Leihbasis selbst für den VfL Osnabrück gespielt hatte.

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Eine hoch spannende Pokalaufgabe

Wurde der FCK am Nachmittag durch ein spätes Ausgleichstor beschenkt, so wurde ihm am Abend ein spätes Lospräsent zuteil. Bei der Ziehung der 2. DFB-Pokal-Hauptrunde befand der Klub aus der Pfalz sich als eines der beiden letzten Teams im Glasbottich. Trommelwirbel und Tusch: Schusters Elf empfängt am 31. Oktober oder 1. November den 1. FC Köln.

Für Schuster ist diese Aufgabe "hoch spannend". Eine volle Arena scheint garantiert, ein Weiterkommen aufgrund der aktuellen Formkurven beider Teams nicht ausgeschlossen.

Andreas Böhm