Bundesliga

Julian Schieber: "Das nagt am Ego, aber so ist das Geschäft"

Der vom FCA aussortierte Stürmer spricht über Vergangenheit und Zukunft

Schieber: "Das nagt am Ego, aber so ist das Geschäft"

Beim FC Augsburg aussortiert: Julian Schieber.

Beim FC Augsburg aussortiert: Julian Schieber. imago images

Drei Monate lang hat Julian Schieber geschwiegen. Weil er aus seiner Ausbootung beim FC Augsburg keine schmutzige Geschichte machen wollte. Nun sieht der Stürmer den Zeitpunkt gekommen, um über seine Situation zu reden. Als Treffpunkt schlägt er ein Augsburger Café vor, in dem er hin und wieder zu Gast ist. Es entsteht ein offenes, knapp einstündiges Gespräch über eine Botschaft, die er als mit die größte Enttäuschung seiner Karriere empfand. Und über einen Traum, den er sich noch erfüllen will.

Schieber sprach über ...

Spielersteckbrief Schieber
Schieber

Schieber Julian

FC Augsburg - Vereinsdaten
FC Augsburg

Gründungsdatum

08.08.1907

Vereinsfarben

Rot-Grün-Weiß

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... seine aktuelle Situation: "Ich habe lange mit den Co-Trainern individuell gearbeitet und bereite mich nun mit den Athletiktrainern auf das Mannschaftstraining bei der U 23 vor. Die Vereinbarung ist, dass ich Teil der Mannschaft sein darf und will. Ob ich auch spielen werde, wurde noch nicht besprochen. Ich kann mir das vorstellen, lieber habe ich ein paar Minuten in Aussicht als gar kein Spiel. Ich will fit werden und Spaß haben, vielleicht kann ich dem einen oder anderen jungen Spieler helfen. Ich sehe mich in der Vorbildrolle."

... die Entscheidung, dass der FCA trotz eines Profivertrags bis 2021 nicht mehr mit ihm plant: "Nach der vergangenen Saison gab es ein Gespräch mit dem Manager und dem Trainer. Da wurden Signale gesetzt, dass es in diese Richtung geht. Es hieß unter anderem, der Kader solle verkleinert werden und dass es für mich schwer werde. Während meines Urlaubs wurden dann Gespräche mit meinem Berater geführt. Da war ganz klar: Der FCA meint es ernst."

... die Maßnahme, dass er nicht mehr mit den Profis trainieren darf: "Vor dem Trainingsauftakt wurde mir klar signalisiert, dass ich kein Teil der Mannschaft mehr bin. Ich sollte nicht zum Trainingsgelände kommen, mein Spind wurde aufgelöst, später wurde auch meine Nummer vergeben. Da wurde es mir noch mal ganz bewusst. Meine Gefühlslage war eine Mischung aus allem: Entsetzen, Enttäuschung und Wut."

Der Trainer hat mir knallhart gesagt, dass er nicht auf mich bauen wird.

... sein Verständnis für diese Entscheidungen: "Ich bin beim FCA leider nie richtig in Tritt gekommen, das kann ich nicht leugnen. Ich habe noch ein Jahr Vertrag, bin ein älterer Spieler, der Kader sollte verkleinert werden. Da lag es nahe, dass es mich treffen könnte. Rein sportlich kann ich die Entscheidung akzeptieren. Menschlich ist es schwer, weil ich mir nichts zuschulden kommen lassen habe. Der Trainer hat mir knallhart gesagt, dass er nicht auf mich bauen wird und er - auch auf meinen Körper bezogen - nicht glaubt, dass ich konstant auf Bundesliganiveau spielen kann. Natürlich muss man bei der Offenheit erst mal schlucken, das nagt am Ego. Aber so ist das Geschäft."

... den Umgang miteinander: "Es hätte auch schmutzig laufen können. Aber ich habe medial nichts nach außen getragen, weil ich einfach Ruhe haben wollte. Trotz der knallharten Entscheidung war es auch von den Verantwortlichen ein fairer Umgang. Es gab keinen Druck vonseiten des Vereins, um mich wegzubekommen. Ich hatte meine Freiheiten und konnte Trainingsangebote wahrnehmen."

Hatte in der vergangenen Bundesliga-Saison nur zwei Kurzeinsätze, hier gegen Hertha: Julian Schieber.

Hatte in der vergangenen Bundesliga-Saison nur zwei Kurzeinsätze, hier gegen Hertha: Julian Schieber. imago images

... die Suche nach einem neuen Klub: "Es ging nicht um das Finanzielle, so weit kam es gar nicht. Ich bin 31 Jahre alt, habe drei Kinder und bin hier sesshaft. Ein, zwei Vereine in der 2. Liga hätten mich vielleicht gereizt, aber die haben sich das anders vorgestellt. Meine Familie zieht demnächst in den Stuttgarter Raum, das war schon vorher klar. Es gab ein paar Anfragen, aber die haben mich emotional nicht gepackt. Nur um Fußball zu spielen, will ich nicht 500 Kilometer weit weg von der Familie sein."

... den Nachteil, dass er zwei Monate lang nur alleine trainieren durfte: "Wenn ich im Rhythmus geblieben wäre und vielleicht das eine oder andere Tor in den Testspielen geschossen hätte, wäre das sicher kein Nachteil gewesen. Trotzdem befinden wir uns in einer schwierigen Phase. Die großen Vereine können immer noch Ablösen stemmen, die kleinen tun sich schwer mit Transfers. Ich war in den letzten zwei Jahren viel verletzt und in der Corona-Phase ohne Einsatz. Meine Karten waren deshalb nicht die besten."

... die Möglichkeit, seinen Vertrag vor dem 5. Oktober aufzulösen, um auch danach noch verpflichtet werden zu können: "Wir haben alle Szenarien durchgesprochen. Das stand kurz zur Debatte. Aber dann wäre ich von heute auf morgen arbeitslos. Man muss bedenken, dass viele Vereine ohnehin nicht zu meinem Profil passen und ich hier bei meiner Familie bin. Ich fühle mich in der jetzigen Rolle wohler."

... seine Situation im Vergleich zu arbeitslosen Profis: "Ich bin in einer ganz angenehmen Situation. Auch weil ich schon zehn Jahre im Profifußball dabei bin und 32 Jahre alt sein werde, wenn mein Vertrag nächstes Jahr ausläuft. Es geht auf das Ende zu, das hat mir der Körper immer wieder signalisiert. Ich habe zum Glück in meiner Karriere ein wenig Geld verdient, um eine gewisse Sicherheit zu haben."

Ich will meine Karriere noch nicht beenden.

... Gedanken ans Karriereende: "Es war der Körper, der mir immer mal wieder einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Aber die Geschichte mit dem Knie ist jetzt vier, fünf Jahre her. Die muskulären Probleme, die ich zwischenzeitlich mal hatte, waren ärgerlich. Ich pflege meinen Körper bestmöglich und möchte natürlich noch mal in Fahrt kommen. Ich will meine Karriere noch nicht beenden. Ich sehe mich noch dazu in der Lage, professionell Fußball zu spielen."

... seine Zeit in der Bundesliga bei Stuttgart, Nürnberg, Dortmund, Hertha und Augsburg: "Ich hatte fünf tolle Bundesligaklubs, die alle auf ihre Art Tradition und Größe haben. Was erwartet mich in Deutschland noch Neues? Da gibt es vermutlich nur noch wenig Überraschendes, da ich schon einiges gesehen habe. Deshalb reizt mich noch mal etwas ganz anderes."

Ein paar Monate Bangkok?

... seinen Traum: "Nach wie vor besteht mein kleiner Traum, mal in Asien zu spielen. Aber da geht es nicht um ein langes Zeitfenster, sondern um ein paar Monate. Das Transferfenster in Thailand schließt Mitte Januar, die Saison endet Anfang April. Das sind dreieinhalb Monate, die man überbrücken könnte. Ich würde dort gerne eine Saison beenden, weil man dann etwas gewinnen kann. Da könnte ich in einem neuen Land Erfahrungen sammeln und ein Lebensziel verwirklichen."

... den Reiz von Thailand: "Asien und speziell Thailand habe ich durch Reisen kennengelernt, Bangkok ist meine Lieblingsstadt. Philip Roller, ein Deutsch-Thai und guter Freund von mir, ist Kapitän bei Ratchaburi FC. Im letzten Thailand-Urlaub habe ich mir die Bedingungen vor Ort angeschaut. Auch mit Hajime Hosogai, mit dem ich bei Hertha gespielt habe, bin ich in Kontakt, er spielt bei Bangkok United. Es geht da nicht mehr ums Geld, das ist eine emotionale Geschichte. Ich wäre froh, wenn ich zwei Flüge gezahlt bekomme und vielleicht eine kleine Hütte zum Wohnen."

... seine Pläne nach der Profikarriere: "Ich sehe mich nach meiner Karriere im Jugendbereich. Da kann ich mich jetzt im NLZ des FC Augsburg orientieren, das Training und die Spiele der U 19 und U 17 anschauen. Das NLZ ist aber auch darüber hinaus eine gute Basis, um Abläufe und Strukturen in verschiedensten Jugenden kennenzulernen. Am DFB-Stützpunkt in Inningen gibt es zudem die Möglichkeit, sich zu orientieren und ein wenig zu hospitieren."

Aufgezeichnet von David Bernreuther

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