Bundesliga

Bundesliga - Der FC Schalke 04 und der 1. FC Nürnberg: Die Geschichte einer besonderen Fanfreundschaft im Fußball

Mehrere Gründungsszenarien - Choreographie am Freitagabend

Schalke und der FCN: Die Geschichte einer Fanfreundschaft

Beeindruckende Choreo: Die Schalker Arena hüllte sich beim Hinspiel (5:2) in ein besonderes Gewand.

Beeindruckende Choreo: Die Schalker Arena hüllte sich beim Hinspiel (5:2) in ein besonderes Gewand. imago

Freunde beeindruckender Choreographien hatten sich im Vorfeld die Hände gerieben. Die Nürnberger Fans hatten für Freitagabend die Zuschauer dazu aufgefordert, 20 Minuten vor dem Anpfiff beim Spiel gegen Schalke im Block zu sein, sein Becherpfand konnte man für das dann entstehende "Kunstwerk" übrigens spenden. Am Ende sprang ein Farbenmeer heraus - natürlich in den bekannten Farben der beiden Vereine. Außerdem zu sehen der Spruch: "Rot-Schwarz, Blau-Weiss in die Ewigkeit".

Spenden sind indes auch notwendig: Schalker und Nürnberger hatten schon im Hinspiel (5:2 für Königsblau) für eine beeindruckende Choreo gesorgt , am Tag darauf veröffentlichten die Ultras Gelsenkirchen Einzelheiten. Sie benötigten je 12.500 Pappen in den Farben rot, blau, schwarz und weiß, 18.550 Folienfahnen, 40 Rollen Panzerband und 200 Liter Farbe. Dazu wurden 65.000 Infoflyer gedruckt. Gesamtkosten: 22.240,96 Euro. "Da wir finanzielle Unterstützung seitens Schalke 04 oder Sponsoring durch Unternehmen aus Prinzip ablehnen, freuen wir uns über Spenden von Privatpersonen oder Fanclubs aus der Fanszene", hieß es auf deren Homepage weiter. Die Nürnberger kamen sicherlich nicht billiger davon.

FC Schalke 04 - Vereinsdaten
FC Schalke 04

Gründungsdatum

04.05.1904

Vereinsfarben

Blau-Weiß

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1. FC Nürnberg - Vereinsdaten
1. FC Nürnberg

Gründungsdatum

04.05.1900

Vereinsfarben

Rot-Weiß

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Pl. Verein Punkte
1
Bayern München Bayern München
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2
Borussia Dortmund Borussia Dortmund
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3
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58

Fanparty, Spieltagsschals, Sondertrikot

Nicht nur mit einer Choreographie, die im Übrigen erneut ansehnlich ausfiel, wurde der Zusammenhalt demonstriert. In der Nordkurve, der Heimat der Club-Fans, stieg nach dem Spiel eine "S04 & FCN"-Party, es gab einen Spieltagsschal zu kaufen - und die Spieler liefen in Sondertrikots auf, die beim gemeinsamen Ausrüster "Umbro" in limitierter Auflage zu erwerben sind. Das Schalker Jersey weist dabei Akzente des Nürnberger Auswärtsdress auf, "der fränkische Rechen ziert dabei die weiße Spielkleidung der Knappen", wie es auf der FCN-Website heißt. Das Sondertrikot des Club orientiert sich an dem des Schalker Heimtrikots. Mehrfach ist das Symbol "Schlägel und Eisen" zu sehen, das an das Gelsenkirchener Stadtwappen und die Schalker Bergbau-Tradition erinnert.

1. FC Nürnberg vs. FC Schalke 04

Die Choreo am 12. April 2019: "Rot-Schwarz, Blau-Weiss in die Ewigkeit". imago

Der Gründungsmythos: Schalke und FCN liefern verschiedene Versionen

Doch woher rührt eigentlich die Verbundenheit der Fans, die etwa seit 1980 besteht? Dazu gibt es verschiedene Theorien. Von Schalker Seite heißt es, Nürnberger Fans hätten für abgebrannte S04-Anhänger nach einem Spiel im Frankenstadion Geld gesammelt, um diesen die Heimfahrt mit dem Zug zu ermöglichen. Nicht ganz so rührend ist Variante Nummer zwei auf der S04-Website: Nürnberger und Schalker sollen gemeinsam einige Bayern-Hooligans durch einen Bahnhof gejagt haben. Aus der gemeinsamen Ablehnung gegen die Münchner sei die Freundschaft hervorgegangen.

Ebenfalls in Betracht gezogen wird von Schalker Seite die Theorie, dass in einer Reportage des Magazins "Stern" Fotos von Schalke-Fans und ihren Kutten mit aufgenähten Abzeichen des 1. FC Nürnberg zu erkennen waren. Der Artikel kreist durch die Fanszene, die Idee eines West-Süd-Bündnisses kommt an. Wobei dieser Mythos vielleicht die Verbreitung erklärt, nicht aber, warum Schalker überhaupt FCN-Fanembleme auf ihre Kutten aufnähten.

Triebfedern "Red Devils" und "Gelsen-Szene"

Auch die Nürnberger verbreiten einen Gründungsmythos. Der 2017 verstorbene Heino Hassler vom Fanprojekt Nürnberg begründete sie mit Zugfahrten von Nürnberger Fans der "Red Devils" mit einem Schalker der "Gelsen-Szene" aus Regensburg ("Bazi"), regelmäßig begegnen sie sich auf ihren Auswärtsfahrten. "Da hat man gemerkt: Der ist ja ganz nett. Dann hat er uns ins Schalker Vereinsheim eingeladen. Die Freundschaft hält seitdem", so Hassler 2016 in einem Interview mit "Nordbayern.de".

Damals war das Bündnis Schalke/FCN jedoch ein zartes Pflänzchen. Beim Auswärtsspiel 1980/81 in Gelsenkirchen "hatte sich der Beginn unserer Freundschaft noch nicht überall herumgesprochen. Nach dem Spiel wollten uns einige Schalker an den Kragen. Die Jungs von der "Gelsen-Szene" halfen uns", wurde Hassler auf der FCN-Website zitiert. Laut eines Gründers der "Gelsen-Szene" sei der erste Kontakt sogar schon 1979 entstanden. So oder so, die anschließende Fete im "City-Eck" 1981 soll die Freundschaft endgültig besiegelt haben.

Ansehnlich: Die Choreo 2013 im Frankenstadion.

Ansehnlich: Die Choreo 2013 im Frankenstadion. imago

Die Wahrheit über die Fanfreundschaft, sie liegt wohl wie immer irgendwo dazwischen. Nicht immer waren die Bande übrigens so eng wie heute, wie so viele Freundschaften bekommt auch diese Risse. Doch wichtig ist: Sie hält - obwohl die Spieler beider Seiten sich herzlich wenig darum scheren. 1981 steigen die Knappen nach einem 1:1 aus der Bundesliga ab. Gegner: Nürnberg. 2007/08 und 2013/14 muss der Club nach einem 0:2 bzw. nach einem 1:4 am letzten Spieltag in die 2. Liga. Jeweils der Gegner: Schalke.

Blau-Weiß trifft Rot-Schwarz in Wattenscheid

Schalker und Nürnberger feiern trotzdem seit fast vier Jahrzehnten zusammen, ab den Achtziger Jahren zum Beispiel auf den Turnieren des Nürnberg-Fanclubs "Seerose", zu denen S04-Fans regelmäßig eingeladen wurden. Gemeinsame Auswärtsfahrten und Partys werden organisiert, Sonderbusse und -züge zu den Duellen eingesetzt. In der Saison 1990/1991 feiern Fans beider Lager gemeinsam im Wattenscheider Lohrheidestadion den Nürnberger Klassenverbleib. "Schon auf dem Weg zum Stadion hat man die Schalker Trompete gehört", erinnert sich die damals 13-jährige Nürnberg-Anhängerin Sonja Stepancich an die "unbeschreibliche Atmosphäre". Der berühmte "Attacke"-Schlachtruf der Königsblauen sei auch während des Spiels einige Male zu hören gewesen, den Platzsturm lassen sich die Schalker ebenfalls nicht entgehen. Am Folgetag steigt S04 nach einem Spiel gegen Darmstadt auf. Mit dabei: die Fans vom 1. FC Nürnberg.

Trotz der prekären Ausgangslage - beide Teams kämpfen um den Klassenerhalt - genossen Nürnberger und Schalker auch diesen Abend wieder gemeinsam. Und wie bei jedem Spiel, egal ob gegen Frankfurt, Leverkusen oder München, stimmten die Fans ein Lied an - mit der Ausnahme, dass der gegnerische Fanblock diesmal mitsingt. Der Titel: "Schalke und der FCN".

Christoph Laskowski

Gänsehautmomente: Die Choreos des Jahres 2018