Bundesliga

Rummenigge: Darum gibt es seit 2013 nur Bayern als Meister

Exklusiv: Ex-Vorstandsboss gibt detaillierte Einblicke

Rummenigge erklärt: Darum gibt es seit 2013 nur Bayern als Meister

Karl-Heinz Rummenigge (Mi.) erlebte große Jahre bei Bayern - mit Robert Lewandowski (hier nach dem CL-Triumph 2020), Franck Ribery und Pep Guardiola.

Karl-Heinz Rummenigge (Mi.) erlebte große Jahre bei Bayern - mit Robert Lewandowski (hier nach dem CL-Triumph 2020), Franck Ribery und Pep Guardiola. imago images/Sven Simon

Gemeinsam mit Uli Hoeneß, dem Ehrenpräsidenten, führte und prägte er diesen Verein. Karl-Heinz Rummenigge, der ehemalige Vorstandsboss, erinnert sich im Gespräch mit dem kicker an einige Anekdoten und wesentliche Meilensteine, die den bayerischen Erfolgsweg pflasterten. Unter anderem erklärt der 66-Jährige, welche Rolle Franck Ribery, Louis van Gaal, Javi Martinez und Borussia Dortmund dabei spielten.

Karl-Heinz Rummenigge über …

… die entscheidende Saison 2011/12:
"Der Ursprung liegt im Jahr 2012, als wir dreimal Zweiter wurden, in der Liga von Dortmund geschlagen, im Pokal 2:5 das Endspiel verloren und schließlich noch das 'Finale dahoam'. Da sind wir alle ziemlich 'belämmert' in den Urlaub gefahren. Wir waren sehr enttäuscht, Jupp Heynckes, Uli Hoeneß und ich. Der Stachel saß tief. Dieser Sommer 2012, nach den ganzen Enttäuschungen, war aber entscheidend, der Verein befand sich in einer Krisensituation und wir mussten handeln. Aki Watzke hat mir später gesagt: 'Wir haben einen großen Fehler gemacht, wir haben euch zu sehr gereizt und da war klar, dass die Antwort nicht lange auf sich warten lässt.' Uli und ich hatten die Marschroute: Do the Unexpected - mach das Unerwartete."

… den Transfer von Javi Martinez:
"Wir haben wochenlang über die Verpflichtung von Martinez diskutiert. Wollen wir das machen? Können wir das machen? Alle haben gesagt, er ist ein guter Spieler, aber 40 Millionen Euro sind Wahnsinn. Ich hatte dann nur eine Frage an Jupp, der den Spieler am besten kannte. 'Jupp, bringt dieser Spieler unserem Kader mehr Qualität?' Jupp sagte: 'Ja klar.' Also sind wir seinem Rat gefolgt. Das war ein wichtiges Zeichen nach innen und nach außen, dass der FC Bayern in eine Aufbruchstimmung kommt."

… das Finale in London:
"Dann erinnere ich mich noch an das Finale von Wembley. Auf dem Weg zum Stadion saßen Uli, Jan Dreesen und ich im Auto. Während der Fahrt, die fast eine Stunde gedauert hat, hat nicht einer auch nur ein einziges Wort gesagt. Wir waren alle unglaublich angespannt, weil wir wussten, wir mussten die Scharte von 2012, als Dortmund das Double holte, an diesem Tag auswetzen. Dieses Spiel hatte einen ganz wesentlichen Zukunftsfaktor. Aber mit diesem 2:1 war alles, was in der Vergangenheit war, erledigt. Die Feier danach hatte eine unglaubliche Atmosphäre. Es war eine so schöne, angenehme Stimmung damals, das Grosvenor House in London platzte aus allen Nähten. Verstehen Sie mich nicht falsch, der Abend war nicht wild oder verrückt, alle waren einfach nur beseelt und glücklich. Eine Qualität, die ich so noch nie erlebt habe."

Das gibt es in Europa, in dieser Qualität, kaum noch.

Rummenigge über die Qualität der Bayern-Trainer

… die Trainer in den vergangenen zehn Jahren:
"Wir hatten großes Glück mit der Wahl unserer Trainer. Nehmen Sie Louis van Gaal - er war ein Glücksgriff. Kein einfacher Mensch, aber ein erstklassiger Trainer, der eine neue Philosophie in den Klub gebracht hatte. Er hat unseren Fußball auf ein neues Niveau gehoben. Dann Jupp Heynckes, der das Spiel von van Gaal nochmal ein Stück kultivierten konnte und die Mannschaft hinter sich vereint hat. Und schließlich kam der vielleicht größte Taktiker der Welt zum FC Bayern: Pep Guardiola.

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Diese Trainer haben einen großen Beitrag geleistet, dass der Klub heute wie ein 'Shining Star' am Himmel steht. Es hat sich ja dann auch fortgesetzt mit Hansi Flick und jetzt Julian Nagelsmann, der ebenfalls einen sehr guten Eindruck macht. Wenn ein Trainer zwischendurch mal nicht optimal gepasst hat, dann hat man das korrigiert. Aber mit van Gaal, Heynckes, Guardiola, Flick und Nagelsmann haben und hatten wir fünf Trainer in den letzten zehn Jahren, mit denen es ausgezeichnet gepasst hat. Das gibt es in Europa, in dieser Qualität, kaum noch."

… die Leitfiguren und Ausnahmespieler Thomas Müller, Manuel Neuer, Robert Lewandowski:
"Thomas Müller kam aus dem eigenen Nachwuchs. Van Gaal hat uns da ein echtes Geschenk gemacht, denn er hatte den Mut, Müller mit 18 Jahren reinzuwerfen. Sie erinnern sich, wie er in seiner unnachahmlichen Art sagte: Müller spielt immer!

Um Manuel Neuer und Robert Lewandowski zu verpflichten, mussten wir unglaublich viel Energie aufbringen. Ich erinnere mich an ein Spiel, bei dem Uli und ich fast durchgedreht sind, als aus der Südkurve die Plakate und Gesänge kamen: 'Koan Neuer'. Wir haben 1:0 verloren, was uns ohnehin geärgert hat, aber was uns richtig wütend machte, waren diese Plakate aus der Kurve. Deshalb bin ich nach dem Spiel in die Kabine gegangen - erst in unsere und dann rüber zur Umkleide von Schalke 04. Da stand Horst Heldt, ich fragte, ob ich bitte kurz mit Manuel sprechen dürfe. Er guckte etwas verwundert, ließ mich aber gewähren. Dann erschien Manuel. Ich sagte: 'Ich möchte mich für das Verhalten der Zuschauer entschuldigen. Das ist nicht die Meinung der Fans, das ist nur die Meinung einer gewissen Gruppe. Das werden wir untersuchen müssen.' Er entgegnete, er habe nur eine Frage: 'Wollen Sie und Uli Hoeneß, dass ich komme?' Ich antwortete: 'Ja, selbstverständlich!' Da erwiderte er: 'Dann komme ich.'

Das war ein extrem schwieriger Transfer, Robert war zwar ablösefrei, aber wir hatten größte Konkurrenz mit Real Madrid.

Karl-Heinz Rummenigge

Drei Jahre später konnten wir dann noch den beste Stürmer der Welt verpflichten. Da haben wir unheimlich gekämpft. Kurioserweise auch Matthias Sammer, der 2012 auf Christian Nerlinger als Sportdirektor gefolgt war - und der heute auf der anderen Seite in Dortmund sitzt. Er hat einen großen Beitrag geleistet, dass Robert zum FC Bayern gekommen ist. Das war ein extrem schwieriger Transfer, Robert war zwar ablösefrei, aber wir hatten größte Konkurrenz mit Real Madrid.

Sein Argument lautete, er wolle die Champions League gewinnen und der beste Fußballer der Welt werden. Ich werde nie vergessen, wie er 2020 nach dem Finale in Lissabon auf dem Platz saß, mit dem Pokal in der Hand und Tränen in den Augen. Ich habe ihm gratuliert zum Triumph und gefragt, ob er sich denn noch an die Gespräche von vor ein paar Jahren erinnern könne. 'Ja klar', meinte er. Ich sagte: 'Siehst du, man kann auch mit Bayern München die Champions League gewinnen.' Seine Antwort war: 'Ja, aber jetzt müssen wir eine Serie starten.' Im größten Erfolg, als er mit dem Pokal dasaß, dachte er schon an die Zukunft. Ein bisschen verrückt ist er schon, aber im positiven Sinn. (grinst)."

Leroy Sané

Bekam in München das Vertrauen ausgesprochen: Leroy Sané. imago images/Sven Simon

… das Festhalten an Spielern:
"Wenn sich der FC Bayern für einen Spieler entschieden hat, dann versucht der Klub auch, diesen zu fördern und zu entwickeln. Man sieht es jetzt ja auch bei Leroy Sané, der vergangenes Jahr keine überzeugende Saison gespielt hat. Bei anderen Klubs wird in solchen Momenten oft darüber nachgedacht, ob man ihn nicht wieder abgibt, um die finanziellen Kosten aufzufangen. Beim FC Bayern ist das nicht so. Dafür braucht es einerseits die richtigen Trainer, andererseits aber auch die richtige Mentalität der Spieler. Es ist auch ein wichtiger Faktor, dass die meisten Spieler, die wir geholt haben, das FC-Bayern-Gen übernommen haben."

… Klub-Philosophien:
"Du brauchst einen Klub, der Fußball lebt und weiß, wie Fußball tickt. Man muss sich die ganzen Klubs in Europa nur ansehen: Überall, wo pro Fußball gearbeitet wird, ist weitgehend Erfolg da. Überall, wo nur pro Finanzen gearbeitet wird, wird es schwierig. Es gibt nicht mehr so viele Führungskräfte in den Top-Klubs, die nicht nur Fußball Sachverstand haben, sondern auch Fußball ticken. Ich habe immer gesagt: Football first - auch wenn die Formulierung etwas in Verruf geraten ist. Und wenn der sportliche Erfolg da ist, dann muss es mit dem Teufel zugehen, dass kein finanzieller Erfolg folgt."

… die Zusammenarbeit mit Uli Hoeneß:
"Uli und ich, solange wir zusammengewirkt haben, waren durchaus auch mal verschiedener Meinung. Ich nenne ein Beispiel: Stefan Effenberg. Da war ich früher durchaus skeptisch. Franz Beckenbauer neutral, Ottmar Hitzfeld pro. Wir haben gesagt, wir machen es. Aber wir haben nicht abgestimmt. Wenn es schiefgeht, sagt später keiner: 'Das habe ich doch gleich gesagt.' Solche Situationen wollten wir vermeiden. Weil wir nie wollten, dass jemand als Verlierer vom Tisch aufsteht. Wir haben solange gesprochen, bis wir auf einem Nenner waren - oder zumindest mit der Entscheidung leben konnten. Das war eine wichtige Kultur, die wir bei Bayern gepflegt haben. Darüber hinaus waren unsere Finanzvorstände Karl Hopfner und Jan Dreesen die wichtigsten Ansprechpartner. Es spricht Bände, wenn man in 20 Jahren nur zwei Finanzvorstände hat."

Weltrekord-Ablöse für Ribery? Nach drei Stunden stand die Entscheidung: "Wir machen es nicht"

… das Angebot für Franck Ribery: 
"Ich werde nie vergessen: Wir hatten ein Wahnsinns-Angebot für Franck Ribery. Zwei Angebote - eines aus Spanien, eines aus England. Es ging um eine Weltrekord-Ablöse - zur damaligen Zeit. Und noch nicht mal ausgereizt! Wir haben drei Stunden hoch- und runterdiskutiert und uns dann dazu entscheiden: Wir machen es nicht. Mit einer Haltung: Wir sind kein Verkaufsverein. Wir statuieren damit auch ein Exempel und senden ein Signal nach Spanien, nach England etc., dass man den FC Bayern nicht mehr anzurufen braucht, wenn man die besten Spieler kaufen will. Das ist bis heute so und unterscheidet uns extrem von allen Bundesligaklubs und von vielen in Europa."

In der aktuellen Montagsausgabe des kicker (oder hier im eMagazine) lesen Sie einen ausführlichen Report über die bayerische Dominanz. Neben Karl-Heinz Rummenigge erklären auch Uli Hoeneß, Herbert Hainer und Lothar Matthäus, warum die Münchner der nationalen Konkurrenz enteilt sind.

Georg Holzner

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