Bundesliga

Frankfurts Debakel und der gefährliche Trend

Tabellenplatz 4 ist trügerisch

Frankfurts Debakel und der gefährliche Trend

Leere Blicke: Kapitän David Abraham (r.) & Co. nach der 1:6-Niederlage in Leverkusen.

Leere Blicke: Kapitän David Abraham (r.) & Co. nach der 1:6-Niederlage in Leverkusen. imago images

Die Profis gingen nach der Blamage beim direkten Konkurrenten im Kampf um die Champions League auf Tauchstation. Weder in der Mixed Zone nach dem Spiel noch am Tag danach bestand die Möglichkeit, die Protagonisten dieses historischen Debakels zu befragen. Lediglich die für den Sport Verantwortlichen, Trainer Adi Hütter und Sportvorstand Fredi Bobic, äußerten sich nach dem Schlusspfiff. "Das war ein rabenschwarzer Tag und die schlimmste Halbzeit, die ich als Trainer miterleben durfte", sagte Hütter, während Bobic resümierte: "Im Endeffekt ist alles, was wir uns vorgenommen haben, in die Hose gegangen. Das war ein Niederschlag wie beim Boxen."

Beide bemängelten insbesondere die Nachlässigkeiten in den direkten Duellen. "Wir haben es nicht geschafft, in die Zweikämpfe zu kommen", haderte Hütter. Das ist eigentlich eine der großen Stärken der Eintracht. Der Sportvorstand ergänzte: "Wir hatten keinen Zugriff, sind manchmal planlos in Situationen reingelaufen und haben uns vorführen lassen. Man hat die Mannschaft eigentlich gar nicht wiedererkannt. Wir haben alles falschgemacht, was wir sonst immer gut machen."

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Nur drei Punkte Vorsprung auf Platz acht

Hätte die Eintracht zuvor ihre Pflichtaufgaben gegen Augsburg (1:3) und Hertha BSC (0:0) erledigt, wäre dieser Tiefschlag viel leichter wegzustecken. Doch nun drohen der Eintracht plötzlich sämtliche Felle davonzuschwimmen. Der vierte Tabellenplatz ist trügerisch, da der Achte Hoffenheim nur drei Punkte hinter der Eintracht liegt und nun obendrein das bessere Torverhältnis aufweist. Gegen Mainz darf sich Frankfurt keinen weiteren Ausrutscher erlauben.

Wir müssen die Niederlage so schnell wie möglich abhaken. Ich bin überzeugt, dass die Mannschaft ein anderes Gesicht zeigen wird.

Trainer Adi Hütter

"Wir müssen das Heimspiel gegen Mainz gewinnen, das ist klar", weiß Hütter. Die 05er haben zuletzt jedoch beim 3:3 gegen Leipzig, als sie einen 1:3-Rückstand aufholten, gezeigt, dass sie die Saison nicht einfach gemütlich im Niemandsland der Tabelle ausklingen lassen werden. Mainz ist ein unangenehmer Gegner, den Frankfurt nur dann wird schlagen können, wenn die Mannschaft wieder ihr volles Leistungsvermögen ausschöpft. Ob ihr das gelingt, steht in den Sternen, zumal am Donnerstag erst noch das schwere Halbfinal-Rückspiel beim FC Chelsea ansteht.

Die Verantwortlichen leben trotz des Nackenschlags unterm Bayer-Kreuz Zuversicht vor. "Wir haben es selbst in der Hand. Wenn wir uns richtig reaktivieren und mobilisieren können, ist in jedem Spiel etwas drin. Wir müssen aber immer an die Leistungsgrenze gehen, in Leverkusen waren wir davon sehr weit weg", meint Bobic. Er ist sicher: "Wir werden wieder aufstehen!" Auch Hütter gibt sich optimistisch. "Wir müssen die Niederlage so schnell wie möglich abhaken. Ich bin überzeugt, dass die Mannschaft wieder ein anderes Gesicht zeigen wird", bekräftigt der Trainer.

"Lethargisch und träge": Trapps Warnung verpufft

Allerdings zeigt der Trend in der Liga seit Wochen nach unten. Schon das 1:3 gegen Augsburg war ein deutlicher Schuss vor den Bug, nach dem 0:0 gegen Hertha kritisierte Torhüter Kevin Trapp: "Gegen eine Mannschaft, die nichts mehr zu gewinnen oder verlieren hat, zu Hause so zu spielen, das ist einfach schade und traurig. Das war eine Riesenchance, uns da oben festzusetzen." Die Leistung nannte er "lethargisch und träge". Doch auch diese Warnung verpuffte. Die Spieler sind drauf und dran, all das, was sie sich hart erarbeitet haben, zu verspielen.

Für mich hatte es nichts mit dem System zu tun, sondern ausschließlich mit dem Zweikampfverhalten.

Trainer Adi Hütter

Doch nicht nur die Profis müssen sich an die eigene Nase packen. Der sonst so oft mit einem glücklichen Händchen gesegnete Hütter lag mit seiner Aufstellung diesmal komplett daneben. Obwohl lediglich der angeschlagene Sebastian Rode ersetzt werden musste, brachte er mit Evan Ndicka, Jetro Willems und Almamy Touré drei Reservisten, die zuletzt wenig oder gar nicht gespielt hatten. Einher ging eine Systemumstellung, Frankfurt agierte in einer Art 5-2-2-1-Formation. Vor der Fünferkette spielte eine Doppelsechs, davor bewegten sich Danny da Costa und Filip Kostic in den offensiven Halbräumen, Ante Rebic gab die alleinige Spitze. Die Kritik an dieser Ausrichtung kann Hütter jedoch nicht verstehen: "Für mich hatte es nichts mit dem System zu tun, sondern ausschließlich mit dem Zweikampfverhalten." Außerdem verweist er auf die fehlende körperliche und geistige Frische.

Katastrophale Raumaufteilung vor dem 0:1

Mit dieser Analyse macht es sich der Trainer jedoch etwas zu einfach. Denn einerseits kamen immerhin vier Feldspieler frisch in die Mannschaft. Andererseits darf man sich nicht wundern, wenn nach so vielen Umstellungen die Raumaufteilung derart katastrophal gerät, wie es schon in der 2. Minute in der Entstehung des 0:1 der Fall war. Der gelernte Innenverteidiger Ndicka, der auf ungewohnter Position als Linksverteidiger eingesetzt wurde, stand viel zu weit außen, obwohl das Spiel über die andere Seite lief. Da sich Touré rechts aus der Kette gelöst hatte und in der gegnerischen Hälfte stand, rückte David Abraham raus, um den an der Außenlinie lauernden Kevin Volland abzuschirmen. In die entstandene Lücke zwischen Abraham und Libero Makoto Hasebe flitzte Charles Aranguiz, der Vorbereiter des Führungstores. Eine eingespielte Mannschaft macht es dem Gegner normalerweise nicht so leicht...

Am Donnerstag in London sollte Hütter keine weiteren Experimente wagen. Denn bei aller Kritik nach dem Leverkusen-Debakel ist eines klar: In Bestbesetzung ist der Eintracht an der Stamford Bridge noch immer eine Überraschung zuzutrauen. Nicht umsonst heißt es im Volksmund: "Angeschlagene Boxer sind gefährlich." Damit sich dieser Spruch bewahrheitet und nicht nur das Phrasenschwein füllt, muss die Mannschaft jedoch an die Leistungen aus der Hochphase Mitte der Rückrunde anknüpfen.

Julian Franzke

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