Bundesliga

"Keiner darf zweifeln" - Frankfurt setzt auf den "Hexenkessel"

Frankfurt: Warum Joao Felix in Unterzahl nicht zu stoppen war

"Keiner darf zweifeln" - Frankfurt setzt auf den "Hexenkessel"

Zuversicht trotz Pleite: Die Hessen vertrauen auf ihr Publikum.

Zuversicht trotz Pleite: Die Hessen vertrauen auf ihr Publikum. imago

Aus Lissabon berichtet Julian Franzke

Es wirkte fast schon ein bisschen dick aufgetragen, wie optimistisch sich Profis und Verantwortliche nach der Niederlage im Viertelfinale der Europa League äußerten. Nüchtern betrachtet sind die Chancen aufs Weiterkommen nicht allzu hoch. Allen voran Joao Felix auszuschalten, wird auch am kommenden Donnerstag eine Herkulesaufgabe. Gleichwohl ist das zur Schau getragene Selbstvertrauen genau der richtige Weg, um für eine kleine Sensation zu sorgen. "Es darf keiner zweifeln! Wir können bis zum Schluss laufen und kämpfen. Wir haben auf Schalke in der 99. Minute gewonnen, gegen Hoffenheim in der 96. Minute und gegen Donezk ein unheimlich gutes Spiel gemacht", zählt Kevin Trapp auf. Der Torhüter bekräftigt: "Wenn wir nicht optimistisch wären, wäre das fatal. Wir haben schon viele schwierige Spiele positiv bestritten und müssen bis zum Schluss an uns glauben. Wer jetzt nicht positiv ist, soll nächste Woche nicht auflaufen!"

"Die Kampfeslust ist geweckt"

Mut macht, dass die Eintracht vor dem Platzverweis die bessere Mannschaft war und auch "Jahrhunderttalent" (Hütter) Joao Felix im Griff hatte. Außerdem kann das Team im Rückspiel auf den 12. Mann vertrauen - die Fans haben die Spieler in dieser Saison speziell in der Europa League schon mehrfach beflügelt. "Benfica wird nächste Woche einen Hexenkessel erleben. Das gibt ein wunderbares Endspiel – und solche Partien liegen uns", frohlockt Vorstand Axel Hellmann. Sebastian Rode kündigt an: "Die Kampfeslust in uns ist geweckt, mit den Fans im Rücken wollen wir das umbiegen. Wir sind optimistisch." Trainer Adi Hütter erwartet "einen heißen Tanz in Frankfurt", Sportdirektor Bruno Hübner spricht von einer "machbaren Aufgabe" und Martin Hinteregger erklärt: "Die Zuversicht ist groß. Ich freue mich jetzt schon riesig auf das Rückspiel. Die Fans wissen genau, was sie zu tun haben, um solche Spieler (gefragt war nach Joao Felix, Anm. d. Red.) zu verunsichern. Sie werden uns extrem helfen."

Hallers Einsatz bleibt fraglich

Tore schießen und verhindern müssen die Profis freilich immer noch selbst. Vorne sind Luka Jovic, Ante Rebic, Goncalo Paciencia und Filip Kostic sicherlich dazu in der Lage, zwei, drei oder sogar noch mehr Tore zu erzielen. Gegen Lazio Rom (4:1), Olympique Marseille (4:0) und Schachtar Donezk (4:1) traf Frankfurt jeweils viermal ins Schwarze; gegen Benfica würde schon ein 2:0 oder 3:1 zum Einzug ins Halbfinale reichen. Allerdings muss die Offensive wohl erneut ohne den vielleicht wichtigsten Stürmer im Team, Sebastien Haller, auskommen. Auf kicker-Nachfrage erklärte der Franzose am Donnerstagabend, dass er nicht wisse, ob er in einer Woche oder erst in sechs Wochen wieder einsatzfähig sei. Der 24-Jährige hat Probleme im Bauchmuskelbereich, die sich auch auf die Adduktoren auswirken. Da er eine vergleichbare Blessur noch nie hatte, fällt die Prognose schwer.

Joao Felix profitierte von der Roten Karte

Defensiv muss die Eintracht alles daransetzen, dass Joao Felix nicht erneut die Sterne vom Himmel schießt. Der 19-Jährige profitierte wie kein anderer Spieler von der frühen Roten Karte, die sich Evan Ndicka für seine Notbremse einhandelte (20., Foul an Gedson). Da in Gelson Fernandes und Rode fortan nur noch zwei Frankfurter im zentralen Mittelfeld spielten, waren automatisch die Räume größer, in die sich Joao Felix bewegen konnte. Der junge Portugiese verstand es exzellent, sich in die Zwischenräume zwischen der Abwehr-Dreierkette und dem Mittelfeld zu schleichen. Am deutlichsten zu sehen war dieses Zuordnungsproblem vor dem Tor zum 2:1. In der Entstehung befand sich Joao Felix zunächst ganz dicht bei Makoto Hasebe, der überraschend auf der Sechs begonnen hatte, nach dem Platzverweis aber auf die zentrale Position in der Dreierkette zurückbeordert wurde. Um diese Kette nicht auseinanderzureißen, bewegte sich der Japaner nicht raus, als sich Joao Felix zurückfallen ließ. Das Problem: Fernandes und Rode mussten auch andere Benfica-Spieler im Blick haben, weshalb sie zu spät kamen, um Joao Felix nach der Ballannahme zu stoppen. Auch wenn es hypothetisch ist, aber mit elf Mann wäre dieser Treffer so wahrscheinlich nicht gefallen, schließlich hätte sich Hasebe in seiner Funktion als Sechser um den Dreifachtorschützen kümmern können.

Annulliertes Tor: Eine Entscheidung im Graubereich

Neben der berechtigten Roten Karte gab es noch ein zweites Ärgernis in der ersten Hälfte: Kostics annulliertes Tor in der Nachspielzeit. Ob Danny da Costa beim Schuss des Serben tatsächlich im Abseits stand, ist auch nach Ansicht der TV-Bilder schwer zu sagen. Geholfen hätte – wenn überhaupt – nur eine kalibrierte Linie, die es nicht gab. Klar ist nur: Hinteregger stand lediglich passiv im Abseits, da er sich nicht in der Schussbahn aufhielt und sich obendrein vom Tor entfernte. Eine Fehlentscheidung kann man Schiedsrichter Anthony Taylor, der insgesamt keine klare Linie zeigte und nicht sonderlich souverän wirkte, in dieser Szene nicht vorwerfen. Umgekehrt wäre es aber auch keine Fehlentscheidung gewesen, das Tor zu geben; ohne kalibrierte Abseitslinie handelt es sich um eine Entscheidung im Graubereich.

Dieses Spielglück, das Benfica auch vor dem 3:1 hatte (Joao Felix verlängerte eine Ecke mit seinem Rücken), braucht die Eintracht im Rückspiel. Ohne diese besondere Zutat, auf die allenfalls der viel zitierte Fußballgott Einfluss hat, könnte sich der 2:4-Rückstand bei allem Optimismus als zu hohe Hürde erweisen.