Bundesliga

Links auf der Überholspur

Gladbach: Youngster Marcell Jansen (19) im Profil

Links auf der Überholspur

Hat sich bei Borussia Mönchengladbach durchgebissen: Linksverteidiger Marcell Jansen (19).

Hat sich bei Borussia Mönchengladbach durchgebissen: Linksverteidiger Marcell Jansen (19). Kicker

Am Morgen des 4. Dezember war Marcell Jansens Glück vollkommen. Auf dem Mannschafts-Spaziergang wenige Stunden vor dem Anpfiff nahm ihn Trainer Dick Advocaat zur Seite: "Du spielst!" Diese zwei Worte reichten, um bei Jansen das große Kribbeln auszulösen. "Auf diesen Moment hatte ich hingearbeitet. Es war die Erfüllung meines Jugendtraums", blickt Jansen zurück.

Keinen Gedanken verschwendete der Youngster, dass seine Bundesliga-Premiere zu einem Albtraum werden könnte. Die Borussia ging bei Hertha BSC unter, 0:6. Jansen verkaufte seine Haut teuer. Ein Gegentor, das letzte, verschuldete aber auch er.

Heute kann der 19-Jährige über seine verpatzte Profi-Premiere lachen. Sie war keineswegs ein Bremsklotz seiner Karriere, sondern der Startschuss. Jansen hat sich einen Platz erkämpft. Ein echtes Gladbacher Eigengewächs, ein "Fohlen", inmitten der Multi-Kulti-Truppe. Bodenständig, freundlich, offen. Eine Art Identifikationsfigur für die Fans nach den Klub-Einkäufen aus aller Herren Länder. Einer, der in Mönchengladbach geboren wurde, seit der E-Jugend im Verein spielt und früher auf dem Bökelberg als Balljunge seinen Idolen Martin Dahlin, Heiko Herrlich und Patrik Andersson zujubelte.

"Jeder Verein freut sich, wenn Spieler aus dem eigenen Stall den Sprung schaffen", sagt Sportdirektor Christian Hochstätter und nimmt Eugen Polanski, den Kapitän der deutschen U-19 Nationalmannschaft, gleich mit ins Boot. "Beide werden ihren Weg machen. Da sind wir uns sicher." Als Zeichen des Vertrauens stattete die Borussia Jansen und Polanski mit einem Profivertrag bis 2008 aus.

Trainer Advocaat war "überrascht, welche Qualität die beiden schon mitbringen", als sie im Training vorspielten. Offensivkraft Polanski muss sich noch gedulden. Jansen nutzte die Chance, die ihm der langfristige Ausfall von Christian Ziege auf der Linksverteidiger-Position bot. Er verdrängte Winter-Einkauf Filip Daems und zählt seit Wochen zu den beständigsten Borussen (kicker-Notenschnitt 3,3). "Ich wusste, dass durch die neuen Spieler die Konkurrenz noch härter wird. Ich wusste aber auch schon vorher, dass ich Gas geben und mich immer wieder beim Trainer anbieten muss", sagt Jansen.

Ehrgeiz und Zielstrebigkeit zählen zu den ausgeprägtesten Charaktereigenschaften des Newcomers. Jansens Credo lautet: "Talent alleine reicht nicht. Man muss auch den Willen haben, weiter an sich zu arbeiten."

Bei Jansen sind solche Sätze keine leeren Worthülsen. Als "sehr gelehrig" bezeichnet Dieter Eilts seinen Schützling bei der U-21-Nationalmannschaft. "Er saugt alles auf", lobt der DFB-Trainer, "er nutzt jeden Tipp, um sich weiterzuentwickeln."

Als einer der wichtigsten Ansprechpartner dient dabei Vater Michel Jansen. Der frühere Spieler bei Borussias Amateuren steht seinem Sohn mit Rat und Tat zur Seite. Als Marcell in der Jugend mit großen Wachstumsstörungen zu kämpfen hatte, zog er mit ihm Sonderschichten durch. "In einem Jahr bin ich um zehn Zentimeter gewachsen. Ich hatte Knieschmerzen, Rückenprobleme, alles, was dazugehört", erinnert sich der heute 1,91 m große Schlaks.

Jansen kämpfte sich durch diese "schwere Zeit". Trainingsinhalte waren neben der Ballarbeit auch Laufschule und Sprinttraining. Von diesen Extra-Einheiten profitiert er. Jansen besticht durch Schnelligkeit, er kann seine Spurts über lange Distanzen durchziehen und selbst im höchsten Tempo den Ball verarbeiten. Qualitäten, die einen modernen Außenverteidiger auszeichnen. Hinzu kommt die taktische Flexibilität. In den DFB-Nachwuchsteams wurde er immer in einer offensiven Rolle eingesetzt, wie zuletzt in der U 21, "weil wir mit dem Berliner Fathi und Schalkes Pander hinten links gut besetzt sind", so Dieter Eilts. Bei der Borussia spielte Jansen seit der Jugend vom Stürmer, über das Mittelfeld bis hin zum Außenverteidiger alles. Nur links musste es sein. Links ist seine Seite, die Überholspur, auf der er von den A-Junioren kommend nach einem halben Jahr bei der U 23 in der Oberliga Nordrhein bis in die Stammelf der Profis durchstartete. An den Defiziten arbeitet er beharrlich.

Seinen Körper könnte er trotz der Größe energischer in den Zweikämpfen einsetzen, taktisch gibt es seinem Alter entsprechend noch das Stellungsspiel zu verbessern - und natürlich der rechte Fuß. "Irgendwann möchte ich sagen können, dass ich ein kompletter Spieler bin", betont Marcell Jansen. Denn trotz der vielen Lobeshymnen weiß er: "Ich stehe erst am Anfang."

Jan Lustig