Bundesliga

Müder Ewerthon ist Sammers Sorgenkind

Dortmund: Brasilianer seit 759 Minuten ohne Tor

Müder Ewerthon ist Sammers Sorgenkind

Im Festzelt von Grün-Weiß Kappenberg (Münsterland) versammelten sich einige Hundert Zuhörer. Zum 50. Geburtstag ihres Vereins lauschten sie dem sonntäglichen Festvortrag Michael Meiers. "Geschichten aus der Vergangenheit" erzählte er bei dem Kreisliga-A-Klub, dessen sportliche Stütze er zehn Jahre als Aktiver gewesen war.

Heute trägt Meier als Manager von Borussia Dortmund die Verantwortung - und könnte in dieser Funktion "Geschichten aus der Gegenwart" vortragen. Über das sportliche Siechtum des einstigen Meisters. Über eine Mannschaft, für die selbst Maulwurfshügel (wie 1860 München oder Wolfsburg) zu Bergen wachsen. Über einen Klub, der es sich nicht erlauben kann, aus der wirtschaftlichen Hängematte zu purzeln.

"Wir müssen die Champions League erreichen", sagt Meier. Er gibt zu, dass die Stimmung "angespannt" ist. Und beteuert: "Das ist mir lieber, als wenn wir ziellos im Niemandsland der Tabelle herumdümpeln würden." Nur noch nach einem Strohhalm greifen sie in Dortmund, nach Platz drei, weil sie erst dem FC Bayern und jetzt auch Stuttgart mit ideenlosem Kuddelmuddel-Fußball hinterherstolpern. Unweigerlich sucht Trainer Matthias Sammer nach dem Schalter, mit dem man seine Geschwindigkeit von 33 auf 45 umlegen kann - so wie früher beim Schallplattenspieler. Doch auch Borussias Meistermacher fehlt das Patentrezept für ein schnelles Wendemanöver.

Sammer, der es in dieser Saison als Zuchtmeister und Freund versuchte und dabei mit verschiedensten Stilwendungen das nahezu kom- plette zur Verfügung stehende Instrumentarium bei der Führung eines Teams ausnutzte, geißelte wiederholt die Berufseinstellung seiner Profis. Deren Sofa-Mentalität und Ernährungsgewohnheiten ("Pommes rot-weiß") prangert er an, öffentlich und wütend, auch deshalb, um Fehltritte anderer Art dezent zu verhüllen: wie nächtliche Ausflüge von Spielern, die im Partyleben größere Aktivitäten entwickeln als bei der Ausübung ihres Berufes und dabei die entscheidenden Prozentpunkte an Fitness einbüßen.

Ewerthon beispielsweise, nach neun Toren in der Hinrunde und zwei zu Beginn der Rückrunde schon als "Zauberer der Zukunft" gepriesen, ist Sammers größtes Sorgenkind: Der Brasilianer beklagt in Pflichtspielen seit 759 (!) Minuten Ladehemmung. "Sein Leistungsknick ist mir ein Rästel", stöhnt Sportmanager Michael Zorc. Ewerthon habe "nicht die optimale Grundlage, um eine lange Saison durchzustehen", verrät Sammer.

Er hat das Problem geortet, das von Ewerthon und das von anderen, hat den Unbelehrbaren den Spiegel vorgehalten und setzt, weil er noch immer an das Gute in jedem glaubt, weiter auf Selbstreinigung und Eigentverantwortung. Sportmanager Michael Zorc hingegen, am Samstag angefressen wie selten, erteilt modernen Erziehungsmethoden dieser Art eine klare Absage: "Damit kommst du im Fußball nicht weiter. Du musst alles vorgeben." Vom Aufstehen bis zum Schlafengehen.

Skepsis ist erlaubt, ob die Professionalitäts-Diskussion auch die fußballerische Verelendung von Borussia Dortmund ausreichend erklärt. Das taktische Gesicht der Mannschaft oder die bestürzenden Mängel bei der Ausführung von Standardsituationen bieten eben so viel Anlass zur Kritik. Und damit auch der Trainer. Sammers Kredit schwindet bei den Fans - im Verein aber passt zwischen Vorstand und ihn kein Blatt Papier.