2. Bundesliga

Müllers Abberufung mit Beigeschmack

KSC-Mitglieder votieren mit einfacher Mehrheit gegen den Vizepräsidenten

Müllers Abberufung mit Beigeschmack

Vizepräsident Martin Müller muss seinen Hut beim KSC nehmen.

Vizepräsident Martin Müller muss seinen Hut beim KSC nehmen. IMAGO/Carmele/tmc-fotografie.de

Mit 1640 bzw. 60,85 Prozent der abgegebenen Stimmen fand die außerordentliche Mitgliederversammlung des Karlsruher SC am Donnerstagabend ihr erwartetes Ergebnis: Martin Müller, Vizepräsident und Mitglied des Beirats, wurde mit sofortiger Wirkung aus seinen Ämtern abberufen. Über die Nachfolge wird in einer weiteren außerordentlichen Mitgliederversammlung zu entscheiden sein. Die Führungsgremien des Zweitligisten bleiben auch in der Zwischenzeit voll handlungs- und beschlussfähig. Trotz Müllers Ausscheiden, oder nach offizieller Lesart: Gerade deswegen. Weil das Vertrauensverhältnis zwischen Müller und dem Präsidenten Holger Siegmund-Schultze sowie den weiteren Beiratskollegen Thomas H. Hock und Christian Fischer irreparabel zerstört sei, hatte ja der Mitgliederrat des Klubs die virtuell durchgeführte Veranstaltung zum Zweck der Abberufung initiiert.

Pikantes Detail zur Kreuzer-Entlassung im Hauruck-Verfahren

Neue Hintergründe über den spätestens seit der Trennung von Sport-Geschäftsführer Oliver Kreuzer am 1. April 2023 eskalierenden Zwist förderte die rund zweieinhalbstündige Befragung der Protagonisten durch die Mitglieder - in der Spitze waren über 3000 zugeschaltet - praktisch nicht zutage. Außer vielleicht dem Eingeständnis Siegmund-Schultzes, dass die Abstimmung über Kreuzers Aus tatsächlich nicht auf der Tagesordnung der fraglichen Beiratssitzung gestanden hatte. Dann aber quasi im Hauruck-Verfahren mit 3:2-Stimmen durchgezogen wurde - was für Außenstehende zumindest nachvollziehbar macht, warum sich Müller vom damaligen Ablauf überrumpelt fühlte und diesen öffentlich kritisierte. Nach Dafürhalten aller Beteiligten letztlich der Ursprung der sich immer weiter zuspitzenden Führungskrise.

Der "wichtige Grund" zur Abberufung bleibt objektiv ungeklärt

Diese scheint nun zumindest vordergründig gelöst. Siegmund-Schultze, Hock und Fischer bilden im Beirat ohnehin eine harmonische Einheit. Der als Müller-Vertrauter geltende Vizepräsident Günter Pilarsky stellte vorab klar, dass er in jedweder Konstellation weiterhin die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sehe: "Gerne auch mit Martin Müller", so der 86-jährige Unternehmer ausdrücklich. Aber eben auch ohne ihn. Pilarskys Haltung indes trägt mit dazu bei, dass die letztlich alles entscheidende Frage objektiv ungeklärt bleibt: War eine konstruktive Zusammenarbeit in den Gremien zum Wohle des Vereins mit Müller wirklich nicht mehr möglich? Der Mitgliederrat um den Vorsitzenden Dieter Gläser will das in vielen Gesprächen eruiert haben.

Zugleich räumte Gläser freilich ein, "keine Detektivarbeit leisten" zu können und daher letztlich auch "nicht die Schuldfrage" beantworten zu können. Gleichwohl führte Gläser das nach seinem Urteil zerstörte Vertrauensverhältnis als jenen "wichtigen Grund" an, aus dem Müller satzungsgemäß mit einfacher Mehrheit abberufen werden konnte. Ohne einen solchen Grund wäre eine Zwei-Drittel-Mehrheit zur Abwahl nötig gewesen, die wohlgemerkt nicht erzielt wurde.

Siegmund-Schultze schloss einen Rücktritt schon vor der Abwahl aus

Müller muss also gehen, explizit auch ohne dass ihm letztlich die "Schuld" am Zerwürfnis nachgewiesen werden kann. Insofern bleibt von außen betrachtet zumindest ein fader Beigeschmack. Indizien, dass der Klub auch mit Müller weiter prinzipiell konstruktiv handlungsfähig war, gibt es schließlich mehrere. Nicht nur Müllers ausdrückliche Versicherung dessen. Sondern beispielsweise auch die jüngste Verpflichtung von Profi Nicolai Rapp, dessen Vertragslaufzeit über dreieinhalb Jahre durch den Beirat genehmigungspflichtig war und für keine Dissonanzen sorgte.

Unterdessen betonte Siegmund-Schultze mit Blick auf die Kooperation mit Müller, es könne "so nicht weitergehen". Die Frage, ob er selbst zurücktreten würde, sollte Müller nicht abgewählt werden, beantwortete der Präsident allerdings mit einem entschiedenen Nein. Was logischerweise bedeutet, dass man sich dann offenbar doch wieder hätte zusammenraufen können. Ungereimtheiten wie diese wurden von einigen Mitgliedern zwar angerissen - änderten am mehrheitlichen Votum aber nichts. Ob dieses nun gerechtfertigt war oder nicht, bleibt letztlich eine Glaubensfrage.

Thiemo Müller