Bundesliga

Manuel Neuer: Der Beste - auch nach Noten

Ungewöhnliche Saison für Bayerns Torhüter

Manuel Neuer: Der Beste - auch nach Noten

Ohne seine Reflexe hätte der FC Bayern wohl einige Punkte weniger auf dem Konto: Manuel Neuer.

Ohne seine Reflexe hätte der FC Bayern wohl einige Punkte weniger auf dem Konto: Manuel Neuer. imago images

Es gab in Manuel Neuers Karriere Jahre, da wurde er in seiner Kernkompetenz - dem Abwehren von Bällen - nur selten gefordert. Zu sicher agierte seine Defensive vor ihm, zu sehr drückte das gesamte Team den Gegner tief in dessen Hälfte und ließ ihn kaum gefährlich vor das eigene Tor kommen. Neuer agierte dann als eine Art Libero, verteilte die Bälle als elfter Feldspieler weit vor seinem Tor, bereinigte auf diese Art und Weise manch brenzlige Situation im Ansatz und wurde mit dieser Spielwiese zu einer Stil-Ikone.

Zu sehen ist das noch immer, von seiner Präzision mit dem Fuß hat Neuer nichts eingebüßt, fast immer strahlt er dabei Ruhe und Souveränität aus. Geändert hat sich 2020/21 dennoch etwas: Plötzlich ist Neuer oft Retter in der Not, muss er spektakuläre Paraden zeigen, um größeres Unheil für sein Team abzuwenden, sprich Gegentore. Die Defensive erwies sich oft genug als porös, nach leichten Ballverlusten geht die Post ab in Richtung Bayern-Tor, 19-mal jubelten die Gegner in der Liga bereits.

Das ist kein guter Wert, ohne Neuer wären es freilich mehr gewesen. Mit Ausnahme der Partien beim VfB Stuttgart (3:1) und gegen Leipzig (3:3) spielte Neuer in der Hinrunde fehlerlos. Seinen Notenschnitt von 2,69 überbietet kein Schlussmann in der Liga, womit Neuer erst zum zweiten Mal in seiner Karriere an der Spitze dieses Rankings steht. Das erste Mal? Vor Urzeiten, noch im Schalker Trikot. Am Ende seiner Debütsaison wurde 2006/07 eine 2,61 für Neuer notiert.

Kurios derzeit: Mit seiner Paradenquote von 63,5 Prozent liegt Neuer unter den Stammkeepern nur auf Rang 14, lediglich Freiburgs Florian Müller, Gladbachs Yann Sommer, Dortmunds Roman Bürki und Herthas Alexander Schwolow rangieren dahinter, während Leipzigs Peter Gulacsi mit 71,9 Prozent abgewehrter Schüsse top ist. Endgültige Aussagekraft besitzt dieser Wert freilich nicht, weil er nicht messen kann, wie frei ein Schütze vor dem Tor steht bzw. wie oft der Torwart überhaupt eine Abwehrchance hatte. Womit wir wieder bei Neuer und seinen spektakulären Taten in diesem Herbst wären.

Ohne seine Reflexe hätte der FC Bayern ziemlich sicher gegen Werder Bremen (1:1) daheim in der Schlussphase verloren und gegen den VfL Wolfsburg (2:1) den Ausgleich kassiert. Nur zwei herausragende Beispiele von vielen guten Partien. In der Champions League agiert Neuer übrigens noch besser, kommt dort auf einen Notenschnitt von 2,4. Wenn er einen Wunsch für 2021 frei hätte, darf man davon ausgehen, dass es weniger Beschäftigung durch gegnerische Angreifer und damit letztlich weniger Gegentore wäre.

Frank Linkesch