Bundesliga

Löws Weitblick zum Abschied: Zeit der Erneuerung, Veränderung und Bewegung

DFB-Direktor Bierhoff schließt ausländischen Trainer als Nachfolger aus

Löws Weitblick zum Abschied: Zeit der Erneuerung, Veränderung und Bewegung

Ein gelöster Bundestrainer Joachim Löw am Donnerstag auf der Pressekonferenz.

Ein gelöster Bundestrainer Joachim Löw am Donnerstag auf der Pressekonferenz. imago images

Wenn vorzeitige Trainerabschiede öffentlich erklärt werden, dann meist in einer von Groll und Betroffenheit geprägten Stimmung. Davon konnte keine Rede sein, als sich Joachim Löw, Fritz Keller und Oliver Bierhoff am Donnerstag von der Frankfurter DFB-Zentrale aus zu einer virtuellen Pressekonferenz luden. Der Noch-Bundestrainer wie auch der neben ihm sitzende DFB-Präsident und der daneben postierte Direktor Nationalmannschaften verbreiteten vielmehr einen geradezu erleichterten Eindruck, als sie über Gründe und Folgen der nach der EM endenden Zusammenarbeit sprachen. Keller machte keinen Hehl daraus, dass Löws Rückzug ein Jahr vor dem eigentlichen Vertragsende ganz in seinem Sinne ist. Eben diesen vorzeitigen Abschied hatte er Löw nach dem 0:6-Debakel in Spanien nahegelegt.

Es gibt keine Denkverbote, überhaupt nicht. Alles ist möglich.

DFB-Präsident Fritz Keller

"Jogi läutet mit seiner Entscheidung eine neue Ära ein. Ich bin der Meinung, es ist zum richtigen Zeitpunkt", sagte Keller zum Auftakt einer PK, die zwar über eine Stunde dauerte, aber kaum Neuigkeitswert vermittelte. Schon gar nicht in der Frage, wer Löw nach der Europameisterschaft beerben soll. Er sei Löw "dankbar", dass er mit seiner frühen Entscheidung dem DFB "die Zeit gegeben hat, in aller Ruhe und Sorgfalt die Nachfolge regeln zu können", betonte Keller, der sich nach allen Seiten offen zeigte: "Es gibt keine Denkverbote, überhaupt nicht. Alles ist möglich."

Bierhoff: "Wollen nicht in bestehende Verträge eingreifen"

Der vom DFB-Präsidialausschuss mit der Nachfolgersuche beauftragte Bierhoff schloss lediglich einen ausländischen Trainer aus. "Es gibt gute Trainer in Deutschland, gute deutsche Trainer im Ausland, und gute Trainer beim DFB", sagte Bierhoff und ließ sogleich Nachfragen zu naheliegenden Kandidaten wie Hansi Flick oder Ralf Rangnick abprallen: "Ich werde in der nächsten Zeit keine Kandidaten kommentieren." Wunschkandidaten, die in einem bestehenden Arbeitsverhältnis sind, will er nur mit Zustimmung des betreffenden Vereins kontaktieren: "Wir haben klar beschlossen, dass wir nicht in bestehende Verträge eingreifen wollen." Bierhoff genießt in dieser Frage das Vorschlagsrecht, die letzte Entscheidung trifft das DFB-Präsidium. Mit einer schnellen Findung sei nicht zu rechnen, betonte Bierhoff: "Es ist eine wichtige, aber keine dringende Entscheidung."

Beim Turnier im eigenen Land muss es zu einer Explosion führen. Ich sehe mich 2024 nicht mehr in dieser Position.

Joachim Löw

Dass es mit Blick auf die Zukunft und da vor allem auf die Heim-EM 2024 nicht ausreicht, nur den Cheftrainer auszuwechseln, das hob ausgerechnet Löw hervor. Der 61-Jährige, der einen aufgeräumten Eindruck machte, begründete seinen Entschluss vor allem damit, dass es jetzt einer grundsätzlichen Neuausrichtung bedarf, die dann in drei Jahren Früchte tragen soll. "Es ist die Zeit der Erneuerung, Veränderung und Bewegung. Wenn man ein Turnier im eigenen Land hat, kann das unheimlich viel bewegen", so seine bemerkenswerten Worte. Er sei "zutiefst davon überzeugt", dass die neue Spieler-Generation um Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Leroy Sané oder Serge Gnabry 2024 an ihrem Zenit ankommen. "Beim Turnier im eigenen Land muss es zu einer Explosion führen. Ich sehe mich 2024 nicht mehr in dieser Position." Hätte er wie vertraglich fixiert bis zur WM 2022 in Katar weitergemacht, hätte sein Nachfolger nicht ausreichend Gelegenheit, seine Ideen bis zur Heim-EM zu verwirklichen: "Es ist extrem wichtig, dass ein neuer Trainer die Zeit hat, neue Ideen einzubringen. Da kann man nicht in ein paar Monaten die Dinge auf den Weg bringen."

Löw über seine Zukunft: "Ich kann nichts völlig ausschließen"

Mit diesen Sätzen widersprach Löw der These, dass sein Entschluss zum Aufhören unter dem Eindruck des Spanien-Debakels entstanden sei und er mit dieser Entscheidung letzte Reserven aus dem Kader für die bevorstehende EM herauskitzeln wolle: "Ich glaube eher nicht, dass es den besonderen Kick gibt. Die Spieler sind völlig unabhängig von der Entscheidung des Trainers ambitioniert." Wie es für ihn selbst in vier Monaten weitergeht, ließ Löw offen. "Ich kann nichts völlig ausschließen. Meine völlige Konzentration gilt der EM."

Auch Keller betonte den Reformbedarf rund um die Nationalmannschaft, dies müsse bei der Wahl des neuen Bundestrainers berücksichtigt werden: "Ein Verband hat die Aufgabe, in Generationen zu denken, neu zu denken über das Projekt Zukunft. Jetzt ist wichtig, morgen ist wichtiger, übermorgen ist am Wichtigsten." Das gilt nicht mehr für Löw, für ihn zählt bis zur EM nur noch das hier und heute.

Oliver Hartmann