Bundesliga

"Lang leben die iranischen Frauen": Azmoun kritisiert Mullah-Regime

Leverkusens iranischer Nationalspieler bricht das angeordnete Schweigen

"Lang leben die iranischen Frauen": Azmoun kritisiert Mullah-Regime

Irans Natonalspieler Sardar Azmoun kritisiert das Mullah-Regime in seiner Heimat heftig.

Irans Natonalspieler Sardar Azmoun kritisiert das Mullah-Regime in seiner Heimat heftig. Getty Images

"Wegen der Regeln der Nationalmannschaft durften wir bis zum Abschluss unseres Trainingslagers nichts sagen, aber ich kann kein Schweigen mehr ertragen. Schmeißt mich raus. Wenn dadurch ein Haar einer iranischen Frau gerettet wird, hat es sich gelohnt. Schämt euch, die ihr Menschen so leicht tötet. Lang leben die iranischen Frauen." Die Kritik von Sardar Azmoun ist donnernd, aufwühlend - und natürlich riskant.

Wenn dadurch ein Haar einer iranischen Frau gerettet wird, hat es sich gelohnt. Schämt euch, die ihr Menschen so leicht tötet.

Sardar Azmoun

Diese Sätze hatte der 27-jährige Iraner auf Instagram gepostet und damit offen gegen das Grund- und Menschenrechte verachtende Regime in seiner Heimat protestiert, in der seit dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini am 16. September bei Unruhen mehr als 50 Menschen ums Leben gekommen sind.

Bewundernswerte Zivilcourage - mit Folgen?

Mahsa Amini soll wegen eines angeblich zu locker sitzenden Kopftuchs inhaftiert worden sein und starb im Gefängnis. So erschütternd der Tod dieser jungen Frau und die Unruhen mit weiteren Todesopfern sind, so bewundernswert ist die Zivilcourage, mit der sich Azmoun für Veränderungen im Iran einsetzt.

So droht dem 27-Jährigen womöglich nicht nur der Ausschluss aus der Nationalelf, womit er die Teilnahme an der WM im November in Katar verpassen würde, sondern es sind auch Repressalien gegen ihn und seine Familie nicht auszuschließen. Nicht umsonst titelt der Kölner Stadt-Anzeiger: "Ein Volksheld riskiert alles".

Azmoun bricht das angeordnete Schweigen der Nationalspieler

Azmoun und seinen Nationalmannschaftskollegen waren auf ihrer Länderspielreise in Österreich, wo sie nach dem 1:0-Sieg gegen Uruguay nun am Dienstag ihren letzten WM-Test gegen den Senegal absolvieren werden, vom iranischen Regime untersagt worden, ihre Meinung zu den Vorfällen zu äußern. Mit Erfolg aus Sicht des iranischen Regimes - bis Azmoun am Montag das Schweigen brach.

Sein mutiges Statement auf Instagram wurde wie sein Account nur wenige Stunden später gelöscht und war dann zwar wieder aktiviert worden, allerdings waren alle Inhalte entfernt. Die Zahl seiner Follower erhöhte sich am Montag dennoch von 4,8 auf 4,9 Millionen.

Azmoun fördert iranisches Frauen-Volleyballteam

Azmoun engagiert sich schon seit geraumer Zeit für die Verbesserung der Lebensumstände der Frauen im Iran, fördert dort ein Frauen-Volleyballteam, deren Mitgliedern der Profi ein monatliches Gehalt zahlt - im Iran ein seltener Fall.

Wie es für den Angreifer im Nationalteam weitergeht, ist offen. Gegen den Senegal dürfte der Torjäger, der gegen Uruguay umgeknickt war, nicht auflaufen. Beim Abschlusstraining am Montag stand er im Reserveteam.

Bayer unterstützt Azmoun

Sein Klub stärkt ihm selbstverständlich den Rücken. "Sardar solidarisiert sich sehr mit der weiblichen Bevölkerung im Iran. Und natürlich unterstützen wir als Bayer 04 Leverkusen Sardars persönliches Engagement, weil er sich damit für die Wahrung und Stärkung demokratisch legitimierter Grundwerte einsetzt", erklärte Geschäftsführer Simon Rolfes.

Ob Azmoun im Verantwortungsbereich des iranischen Fußballerverbands noch eine Perspektive besitzt, muss sich zeigen. Dagegen spricht Azmouns mutiges Statement, das die Mullahs anklagt. Dafür aber, dass ein Ausschluss des populärsten iranischen Fußballers aus der Nationalelf und damit auch von der bevorstehenden WM international für noch größeres Aufsehen und im Iran für zusätzliche Aufregung sorgen würde.

Azmoun selbst, von der Bild-Zeitung als "Der mutigste Profi der Bundesliga" gefeiert, stellt seine sportliche Zukunft als Nationalspieler angesichts der Tragödie in seiner Heimat selbstlos wie mutig in den Hintergrund, was in umso bewundernswerter erscheinen lässt.

Stephan von Nocks