Von Lothar Matthäus
Wenn ich als Markenbotschafter für die DFL weltweit unterwegs bin, rate ich als Erstes immer: Schaut die Bundesliga! Sie ist vielleicht nicht die beste Liga der Welt, aber sie punktet mit der tollen Atmosphäre in super Stadien, attraktiven Spielen und der Torquote, der Sicherheit und Talenten, die zu Weltstars reifen wie zuletzt Jude Bellingham. Als Zweites empfehle ich, unbedingt Dortmund gegen Bayern zu schauen, das Duell der bekanntesten Klubs.
Zum deutschen Klassiker hat sich dieses Duell erst in den 2000ern entwickelt. Wahrscheinlich gefiel uns allen die Anlehnung an die Partie FC Barcelona gegen Real Madrid in Spanien, El Clasico. Natürlich bestand schon zu meiner aktiven Zeit diese Rivalität, als der BVB mit Ottmar Hitzfeld und aus Italien zurückgeholten Ex-Bayern wie Jürgen Kohler und Stefan Reuter zweimal Meister wurde und die Champions League gewann, sich dabei aber wirtschaftlich übernahm und praktisch pleite war. In den 70ern war Mönchengladbach der härteste Rivale des FC Bayern, in den 80ern der HSV und Werder Bremen, zwischendurch Köln oder Kaiserslautern. Aber eben immer nur für eine Phase.
In Spanien drängt sich Atletico auch mal dazwischen, an Barça gegen Real rüttelt dennoch niemand
Mittlerweise ist Dortmund gegen Bayern das Spiel der Spiele, vergleichbar mit dem Derby d'Italia zwischen Juventus und Inter in der Serie A. Dazu hat sicher beigetragen, dass sich der BVB in den vergangenen 15 Jahren endgültig als zweite Kraft im deutschen Fußball etabliert hat. Auch dank der Hilfe des FC Bayern entging die Borussia dem finanziellen Ruin, die Wiederauferstehung ist ihr unter der Führung von Hans-Joachim Watzke sehr gut gelungen. Selbst wenn die beiden Top-Teams mal nicht auf Platz 1 und 2 aufeinandertreffen, bleibt dieses Spiel das Nonplusultra. In Spanien drängt sich Atletico Madrid auch mal dazwischen, an Barça gegen Real rüttelt dennoch niemand.
Die Konstellation der Bundesliga ist sehr erfreulich, die Spitze enger zusammengerückt. Mehrere Teams können spielerisch mithalten. Für mich ist Bayer Leverkusen sogar der größte Rivale der Bayern, wobei ich den BVB loben muss, wie er aus der pikanten Situation mit verspielter Meisterschaft und mäßigem Saisonstart herausgekommen ist. Deshalb ist mit ihm bei der Titelvergabe zu rechnen. An einen Alleingang der Bayern glaube ich ohnehin nicht. Auch RB Leipzig sollte man nicht vergessen, auch wenn nach dem Umbruch noch nicht alles wie geschmiert läuft.
Bei Bayer könnte es höchstens bei Xabi Alonsos Abschied einen Bruch geben
Die Konkurrenten der Bayern lassen im Gegensatz zu früher kaum Punkte liegen und strotzen vor Selbstvertrauen. Die Tabelle spiegelt diese Konstanz wider. Auch der FC Bayern kränkelt keineswegs, ist schon schlechter in eine Saison gestartet. Thomas Tuchel hat den Turnaround im Frühjahr nicht auf Anhieb geschafft, es wurde zunächst eher schlechter als besser. Nun hat sich die Mannschaft an seinen Stil gewöhnt, ist aber noch nicht da, wo sie hinmöchte. Der Kader ist gut, mit einer Einschränkung: Er darf keine längerfristigen Ausfälle haben. Mit 17 Feldspielern kannst du heutzutage vielleicht eine WM über fünf Wochen bestreiten, aber keine Saison mit Bundesliga, DFB-Pokal, Champions League und Länderspielen.
Dem FC Bayern und dem BVB muss man zugutehalten, dass sie über viele Jahre konstant an der Spitze stehen. Deshalb ist es schwierig, in deren Phalanx einzudringen. Leverkusen kann es schaffen, das ist kein Jahresprojekt. Der Kader ist superstimmig zusammengestellt worden. Einen Bruch könnte es höchstens geben, sollte Xabi Alonso den Klub verlassen.
An diesem Samstag wird dem FCB nichts geschenkt werden, ihn erwartet eine Herkulesaufgabe. Zu Hause ist der BVB eine Macht. Wir dürfen uns hoffentlich auf ein atemberaubendes Topspiel freuen.