Bundesliga

Kolumne: Gehirnerschütterungen sind keine Bagatelle

Experten der DFB-Akademie schreiben im kicker

Kolumne: Gehirnerschütterungen sind keine Bagatelle

Bei Kopfverletzungen muss man vorsichtig sein: Christoph Kramer benommen am Boden.

Bei Kopfverletzungen muss man vorsichtig sein: Christoph Kramer benommen am Boden. picture alliance / SVEN SIMON

Es gibt viele medizinische Themen - und diese sind inhaltlich verbunden. Konzentriert werden sie deshalb im neuen Medizinischen Zentrum des DFB-Campus. Ziel ist eine optimale medizinische und physiotherapeutische Betreuung unter fußballspezifischen Bedingungen. Wir erhalten so die Gesundheit unserer Nationalspieler (Anm.: Die männliche Form umfasst alle Geschlechter) oder helfen ihnen, sie wiederzuerlangen.

Dies ermöglichen unsere Zusammenarbeit mit mehr als 100 deutschlandweit vernetzten Ärzten und Physiotherapeuten sowie den Ärzteteams der Bundesligaklubs und eine etablierte Kooperation mit dem Universitätsklinikum Frankfurt. Dabei verbindet der medizinische Bereich Disziplinen wie Orthopädie, Allgemeinmedizin oder Neurologie und viele weitere Themen wie Belastungs- und Beanspruchungssteuerung. Alle medizinischen Maßnahmen sind bestmöglich wissenschaftlich abgesichert, sodass Innovation aus aktuellen Forschungsergebnissen ermöglicht wird.

Blicke über den Tellerrand hinaus

Gemeinsam mit Universitäten führen wir Forschungsprojekte durch, deren Ergebnisse direkt den Nationalspielern zugutekommen. Zugleich teilen wir die Erkenntnisse in Fort- und Weiterbildungsangeboten der DFB-Akademie mit der Fußball-Community. Als größte Veranstaltung bieten wir zweimal im Jahr die "Fortbildung Fußballmedizin" an, in deren Rahmen nationale und internationale Experten zum neuesten Stand aus ihrem Fachgebiet referieren. Auf Blicke über den Tellerrand legen wir besonderen Wert. Als Speaker waren zum Beispiel Ian Beasley, langjähriger Teamarzt der englischen Nationalmannschaft, oder James C. Brown, Rugby-Experte aus Südafrika, dabei. Durch unseren neuen Online-Campus Fußballmedizin sowie die Akademiewelten erfolgt Wissensaustausch zudem in moderner Form.

Unterstützung bietet die Medizinische Kommission mit ihren Mitgliedern aus dem professionellen Vereinsfußball, den DFB-Nationalmannschaften sowie der Wissenschaft. Gemeinsam mit Vertretern der DFL werden in dieser interdisziplinären Expertengruppe übergreifende Themen wie der Umgang mit Verletzungen oder das Corona-Management inhaltlich erarbeitet und entsprechende Empfehlungen formuliert.

Wichtige Erkenntnisse bei Kopfverletzungen

Beim Thema Kopfverletzungen z. B. ergaben sich in den vergangenen Jahren neue Erkenntnisse: Wer mit einer Gehirnerschütterung weiterspielt, riskiert eine Beeinträchtigung der Hirnfunktion. Außerdem existieren Hinweise, dass bei zu früher Rückkehr auf den Platz weitere Verletzungen drohen, weil die fußballspezifische Koordination eingeschränkt sein kann. Um zwei populären Missverständnissen vorzubeugen: Es kommt vor, dass eine Gehirnerschütterung erst verzögert diagnostiziert wird.

Fahrlässig war der Einsatz des Spielers trotzdem nicht zwangsläufig. Denn nicht jede Gehirnerschütterung lässt sich sofort feststellen. Liegen keinerlei Anhaltspunkte vor, kann man nicht jeden Spieler ohne begründeten Verdacht auswechseln. Und: Eine Platzwunde am Kopf ist kein Indikator für eine Gehirnerschütterung. Dass blutende Spieler mit dem passenden Verband weiterspielen, kann medizinisch unbedenklich sein.

Individuelle Empfehlungen zur Vorbeugung

Insbesondere im Frauen- und Juniorinnenfußball legen wir und die Trainerinnen sehr viel Wert auf eine Reduktion von Verletzungen des vorderen Kreuzbandes. Aufgrund der vielen Faktoren, die zu dieser Verletzung beitragen können, werden im Rahmen der Performance Days medizinische und physiotherapeutische Untersuchungen durch biomechanische Tests ergänzt. So lässt sich das individuelle Verletzungsrisiko besser abschätzen. Auf Basis der Diagnostik müssen individuelle Empfehlungen zur Vorbeugung gegeben und von den Spielerinnen umgesetzt werden.

Corona-Gefahr im Fußball

Corona hat auch den Fußball vor große Herausforderungen gestellt. Nicht alle waren mit wissenschaftlichen Mitteln zu bearbeiten. Zumal Fußballspielen zeitweise verboten oder nur in besonderem Rahmen erlaubt war. Zur Frage der Ansteckungsgefahr auf dem Platz haben wir dennoch zwei mittlerweile veröffentlichte Studien durchgeführt, mit sehr ähnlich zu interpretierenden Resultaten: Das Fußballtraining und -spiel selbst birgt keine wesentliche Ansteckungsgefahr.

Das Zusammensein vor- und nachher aber durchaus. Diese Erkenntnisse haben sich in Hygienekonzepten und Corona-Regularien des deutschen Fußballs widergespiegelt. Gehirnerschütterungen, Kreuzbandrisse und Corona: Beispielthemen, die zeigen, wie das Medizinische Zentrum der DFB-Akademie als Innovations-, Netzwerk- und Austauschplattform wirkt. Wir möchten den Fußball als Ganzes weiterentwickeln, ihn noch gesünder machen. Denn klar ist: Nur gesunde Spieler können Leistung bringen.

Die Autoren

Tim Meyer (53) ist Professor für Sport- und Präventivmedizin an der Universität des Saarlandes. Er ist Vorsitzender der Medizinischen Kommissionen des DFB und der UEFA und seit 2001 Mannschaftsarzt der A-Nationalmannschaft der Männer.

Thomas Hauser (38) ist Leiter des Medizinischen Zentrums auf dem DFB-Campus sowie Mitglied der Medizinischen Kommission.

Einmal im Monat schreiben Expertinnen und Experten der DFB-Akademie im kicker über die vielfältigen Akademiethemen wie Trainerausbildung, Technikschule, Taktikschule, Manager-Zertifikat, Ernährung, neurozentriertes Training oder künstliche Intelligenz. Es geht um Entwicklung und Fortschritt im Fußball - kurzum: "Akademie inside".

Tim Meyer und Thomas Hauser