Bundesliga

Kommentarr: Terzic hat BVB mit neuem Leben gefüllt

Kommentar

Kein Happy End, Dortmunds Weg aber bleibt richtig: Terzic hat den BVB mit neuem Leben gefüllt

Am Ende war nur Leere: Dortmunds Trainer Edin Terzic.

Am Ende war nur Leere: Dortmunds Trainer Edin Terzic. IMAGO/RHR-Foto

Diese verrückte Saison hat ein dazu passendes Achterbahn-Finish bekommen - mit dem schlechteren Ende für Borussia Dortmund. Die Schale, sie wanderte wieder einmal - zum elften Mal in Serie - in die Hände der Münchner, die ihr Spiel in Köln mit 2:1 gewannen. Was den Dortmunder nach dem 2:2 gegen Mainz blieb, war Leere: Leere Hände. Leere Köpfe. Und viele zerplatzte Träume. Um das zu erkennen, musste man sich nur die Szenen nach dem Abpfiff ansehen.

Hallers Elfmeter: Der eine Halbsatz Kitsch zu viel im Drehbuch

Minutenlang stand etwa Mats Hummels 22 Meter vor dem Mainzer Tor, das zu diesem Zeitpunkt längst verlassen war. Der Routinier bewegte sich nicht. Schockstarre. Ein paar Meter weiter saß Sebastien Haller auf dem Boden und hielt die Hände vor sein Gesicht. Was war das für ein Jahr für den Dortmunder Stürmer. Er hatte den Krebs besiegt und sich zurückgekämpft, den BVB in Augsburg an die Tabellenspitze geschossen und nun gegen Mainz den frühen Ausgleich verpasst, weil er den Strafstoß nicht im Tor unterbringen konnte. Es war im übertragenden Sinn vielleicht der eine Halbsatz Kitsch zu viel im Drehbuch dieser Dortmunder Saison, das Haller das Tor machen wollte.

Meisterrennen am 34. Spieltag

Ob ein anderer Borusse an diesem Tag getroffen hätte? Darüber zu spekulieren ist müßig. Es lag am Ende nicht an Hallers Fehlschuss, das es nicht zum erhofften Märchen-Ende für den BVB reichte. Zu viele Etablierte hatten in der ersten Hälfte ihren Nerven Tribut zollen müssen und spielten nicht in der Form der vergangenen Wochen. Die Defensive präsentiere sich brüchig, die Offensive fand nicht statt. Im Mittelfeld reihten sich die Fehler aneinander. Als würden die Knie schlottern, die Füße zucken, der Kopf blockieren im wichtigsten Spiel der Saison. Fast folgerichtig fielen die Treffer der Mainzer, die bereits vor der Pause Konterchancen zu weiteren Toren hatten. Phasenweise wirkte es, als würden die Dortmunder auf dem Rasen in Anbetracht der Ereigniskette selbst am möglichen Erfolg zweifeln, als würden sie vergessen, was sie zuletzt so stark gemacht und an die Spitze geführt hatte. Doch sie konnten sich in diesen Momenten auf ihre Fans verlassen, die sie lautstark anschoben.

Acht Minuten auf Meisterkurs, dann kommt Musiala

Nach dem Seitenwechsel kamen sie dann, die Chancen, die der BVB gleich zu Beginn der Partie benötigt hätte, auch wenn es weiterhin beachtlich rumpelte im Dortmunder Spiel. Der eingewechselte Topjoker Giovanni Reyna, der unbekümmert aufspielende Debütant Julien Duranville und Raphael Guerreiro, Torschütze zum 1:2, belebten die Hoffnungen, Kölns Tor machte die Runde im Stadion, acht Minuten lang wirkte es, als würde aus Dortmunder Sicht doch noch alles gut gehen. Der BVB nahm den Fuß für einige Minuten vom Gas - warum auch immer. Dann traf Jamal Musiala ins Kölner Tor und Dortmunder Herz zugleich. Es war das Ende aller schwarz-gelben Träume, auch wenn Niklas Süle wenige Sekunden vor dem Ende noch den Ausgleich erzielen konnte.

Es war nur zu verständlich, dass anschließend Enttäuschung und Trauer zu den stärksten Emotionen bei den Dortmundern zählten. Sie waren so nah dran, hätten sich belohnen können für ihr starkes Comeback nach der WM-Pause, in der sie sich gestrafft und zusammengerauft hatten. Nüchtern betrachtet wäre diese Meisterschaft vielleicht zu früh gekommen für die Entwicklungsphase, in der sich Mannschaft und Trainer aktuell befinden. Wer wollte, konnte das am Spiel gegen Mainz ablesen. Doch auch darüber zu spekulieren, ist müßig. Wer in den 34. Spieltag als Tabellenführer geht, über die Gesamtheit einer Saison deutlich mehr richtig gemacht als viele andere in der Bundesliga. Doch am Ende fehlten Nuancen. An Cleverness. An Abgezocktheit. An Resilienz. Typisch BVB, werden jetzt manche Spötter sagen - Argumente für ihre Argumentation gibt es durchaus. Doch dem Wirken von Trainer Edin Terzic und Sportdirektor Kehl würde man damit gewiss Unrecht tun.

Kader braucht mehr Tiefe - und auch mehr Qualität

Dortmunds sportliches Führungsduo wird ihre Schlüsse ziehen aus dieser Saison. Dass weiter Bedarf besteht, den Kader zu optimieren, ihm mehr Tiefe zu verleihen und auch in die individuelle Qualität weiter zu erhöhen, darüber herrscht Konsens bei den Dortmunder Verantwortlichen. Dieser Bedarf wäre auch bei einem Titelgewinn vorhanden gewesen, doch es hätte die Gefahr bestanden, davon überdeckt zu werden.

Es wird für Terzic und seine Mannschaft, für Kehl und den gesamten BVB fraglos Zeit benötigen, diesen Tiefschlag zu verkraften. So sehr sich die Dortmunder Fans nach dem Schlusspfiff auch mühten, die Protagonisten auf dem Rasen aufzubauen - und damit Größe bewiesen. Doch das Verpassen des Titels sollte nun nicht dazu führen, den zuletzt eingeschlagenen Weg zu negieren. Im Gegenteil: Führungspersonal und Mannschaft sollten ihn nach der Sommerpause konsequent weitergehen und Motivation aus dem zurückliegenden Halbjahr ziehen, auch wenn das Happy End ausblieb. Dann - und nur dann - besteht die Chance, dass die Bundesliga auch im nächsten Jahr wieder einen spannenden Titelkampf bis zum Schluss erlebt. Vielleicht ja sogar mit einem anderen Meister als dem FC Bayern, der mitten im Umbruch steht und sich trotz des Titels erst einmal neu finden muss.

Bilder zur Partie Borussia Dortmund gegen 1. FSV Mainz 05

Terzic streckt die Fäuste kämpferisch in die Luft

Terzic lieferte dazu spät am Nachmittag das passende Bild: Erst hatte er noch gezögert, als die Fans auf der Südtribüne mehr als 20 Minuten nach der Partie seinen Namen skandierten. Dann trat er aus dem Kreis seines Teams hervor, ging vier, fünf Schritte auf die Anhänger zu und bedankte sich für ihre Unterstützung. Der von seinen Tränen gezeichnete 40-Jährige, dessen Herz seit frühester Jugend für diesen Klub schlägt, streckte kämpferisch beide Fäuste in die Luft und klopfte sich anschließend aufs Herz.

Terzic hat den BVB belebt, er hat das Band zu den Fans gestärkt und aus vielen Einzelkönnern eine Einheit geformt. Es gibt wahrschlicht schlechtere Startvoraussetzungen für die neue Saison.

Fußball: Bundesliga, Borussia Dortmund - FSV Mainz 05, 34. Spieltag, Signal Iduna Park. Fans von Dortmund strömen zum Stadion.

"Die ersten BVB-Fans waren um 6 Uhr da - für die Stadionkneipe"

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