Bundesliga

Kehl und die neuen Player: "Werden uns nicht hintenanstellen"

BVB-Sportdirektor über die Entwicklung in Europa

Kehl und die neuen Player: "Werden uns nicht einfach sportlich hintenanstellen"

Hält an den Zielsetzungen fest: Sebastian Kehl.

Hält an den Zielsetzungen fest: Sebastian Kehl. IMAGO/Jan Huebner

Die aktuelle Gruppe von Borussia Dortmund in der Champions League liest sich so ein wenig wie das "Who is Who" der neureichen europäischen Klubszene. Paris St. Germain gehört der Qatar Sports Investments, der AC Mailand zu 99,93 Prozent dem US-amerikanischen Investor RedBird Capital Partners und Newcastle United neuerdings einem vom saudischen Staatsfonds Public Investment Fund angeführten Konsortium. Es ist viel Geld, das von außen in den Fußball fließt, um Ziele zu erreichen, die nicht alle sportlicher Natur sind, sondern auch die Vermehrung der investierten Summe und ein Imagegewinn.

"Es gibt neue Player am Markt", sagt auch Dortmunds Sportdirektor Sebastian Kehl in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe mit Blick auf die direkten Gegner dort: "Newcastle hat wahnsinnig viel Geld investiert, auch Milan. Paris ohnehin. Wir müssen schon seit langer Zeit mit diesen Herausforderungen umgehen." An der Zielsetzung, die K.o.-Runde zu erreichen, ändert das aber nichts: "Wir benötigen die Champions League jedes Jahr aus wirtschaftlichen Gründen, und wir werden nicht akzeptieren, dass wir uns einfach sportlich hintenanstellen."

Wettbewerbs-Nachteile für den BVB

Schwerer werde es aber schon: "Ja, wir haben Wettbewerbs-Nachteile im Vergleich zu Klubs, hinter denen milliardenschwere Besitzer oder ganze Staaten stehen, wir müssen unser eigenes Geld verdienen und wir werden immer wieder schauen müssen, dass wir auch Spieler verkaufen. Natürlich hätte ich auch gerne einen Jude Bellingham behalten, wenn man sieht, welchen Stempel er Real Madrid jetzt schon aufdrücken kann. Trotzdem: Wir möchten eine wichtige Rolle in Europa spielen."

Transfers machen die veränderten Machtverhältnisse in Europa aber anspruchsvoller. "In manchen Ablöse- und Gehälter-Bereichen können wir nicht mehr mitspielen, das müssen wir akzeptieren und unsere Schlüsse daraus ziehen. Wir müssen kreativer, mutiger sein, auch mal ablösefreie Spieler verpflichten und junge Spieler möglicherweise noch früher holen", sagt der Ex-Profi: "Dabei geht man dann logischerweise verstärkt Risiken ein. Ein Beispiel ist Julien Duranville, der sich noch im Wachstum befindet, der leider aktuell immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen hat. Wir bauen ihn behutsam auf und glauben an ihn, aber das benötigt eben Zeit."

Auch der Norweger Julian Ryerson sei "eine mutige Lösung" gewesen: "also: jemanden von Union Berlin im Winter zu verpflichten, der nicht jedem Fan sofort ein Begriff war". Inzwischen könne man sehen, "wie wichtig er für uns ist. Mutig wird auch sein, wieder Talente aus dem Nachwuchsleistungszentrum nach oben zu führen, damit wir von unserer Arbeit dort profitieren".

Der Anspruch ist die Meisterschaft

Bundesliga, 8. Spieltag

Den Spagat zwischen Anspruch und sportlichen Gegebenheiten erlebt er aber nicht nur in der Königklasse, sondern auch in der Liga. "Es ist keine leichte Aufgabe für den gesamten Klub und seine Mitarbeiter, sich jedes Jahr gefühlt rechtfertigen zu müssen, dass man Zweiter geworden ist", sagt Kehl: "Wir haben alle den Anspruch, etwas nach oben zu strecken und auch wieder Deutscher Meister zu werden, die Dominanz der Bayern punktuell zu brechen." Dortmund sei "in den Augen der Menschen immer der Herausforderer Nummer eins", könne die Erwartungen aber nicht immer erfüllen: "Am Ende muss man es aber trotzdem hinbekommen, dass die Motivation und die Zufriedenheit der Menschen nicht ausschließlich von Platz 1 oder von einem Titel abhängen, denn dieses Rennen, das wir gewinnen möchten, ist wirtschaftlich betrachtet eben ein ungleiches. Unabhängig davon, dass wir das letzte hätten gewinnen müssen."

Das sei keine einfache Situation angesichts der Sehnsucht nach der ersten Meisterschaft seit 2012, aber "wir nehmen die Herausforderung an", sagt der 43-Jährige: "Es wird wichtig sein, das Stadionerlebnis zu etwas Besonderem zu machen, immer wieder berauschenden Fußball zu bieten. Außerdem können wir ja auch einfach mal stolz darauf sein, Topstars wie Erling Haaland und Jude Bellingham in den eigenen Reihen gehabt und sie entwickelt zu haben." Der BVB benötige "über Titel hinaus weitere Facetten, die diesen Klub einfach besonders machen. Und die haben wir noch und nöcher. Nur besonders zu sein, weil man Erster ist, kann nicht unser Ansatz sein. Denn das wird nicht immer gelingen."

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