Bundesliga

Jura-Professor erklärt, warum eine Impfpflicht für Fußballprofis nicht angemessen wäre

Fischinger: "Die wenigen Ungeimpften sind für den Spielbetrieb nicht relevant"

Jura-Professor erklärt, warum eine Impfpflicht für Fußballprofis nicht angemessen wäre

Für die Fans in München geht es nur noch mit 2G ins Stadion.

Für die Fans in München geht es nur noch mit 2G ins Stadion. imago images/MiS

Eine Impfpflicht für Profifußballer wurde zuletzt von den Ministerpräsidenten Markus Söder (Bayern) und Hendrik Wüst (NRW) propagiert. In der Bundesliga stieß das auf Unverständnis. "Populismus", schoss etwa der Mainzer Sportvorstand Christian Heidel zurück. Im kicker-Interview äußert sich der Mannheimer Jura-Professor Philipp S. Fischinger, Experte für Sport- und Arbeitsrecht, zu den juristischen Grundlagen der Debatte - und zum vom FC Bayern angekündigten Gehaltsstopp für ungeimpfte Profis, die in Quarantäne müssen.

Nachdem Politiker über eine mögliche Impfpflicht bzw. 2-G-Regel für Profisportler diskutiert hatten, gibt es nun Stimmen, die sagen: Die DFL könnte eine solche Regel auf Grundlage der Verbandsautonomie auch unabhängig vom Gesetzgeber und von den einzelnen Klubs erlassen. Was halten Sie davon?

Ich bin da sehr skeptisch. Natürlich ist die Verbandsautonomie grundrechtlich geschützt, sie gilt aber nicht grenzenlos. Hier steht ihr die Schutzbedürftigkeit der körperlichen Unversehrtheit und des Selbstbestimmungsrechts des Spielers über seinen Körper entgegen. Maßgeblich ist eine Abwägung - und die geht meiner Meinung nach zugunsten der Spieler aus. Insofern sehe ich einen Verband juristisch nicht in einer stärkeren Position gegenüber dem Spieler als es der Klub als Arbeitgeber ist. Im Gegenteil: Beschlüsse des Verbandes wären nicht nur an den genannten Grundrechten, sondern auch am Kartellrecht zu messen, an dem die Sache auch scheitern könnte, weil hier gegebenenfalls in letzter Instanz sogar der Europäische Gerichtshof ins Spiel kommen könnte.

Trotzdem: Spieler, die beispielsweise im Rahmen von Dopingtests einen Bluttest verweigern würden, dürften nicht spielen. Warum lässt sich bei einer verweigerten Impfung nicht einfach genauso vorgehen?

Weil eine Impfung ein wesentlich gravierenderer Eingriff in die Rechte des Spielers ist. Die mit einer Covid-Impfung verbundenen Risiken sind im Vergleich zu einer Corona-Infektion zwar recht gering, aber schon größer als das einer Blutabnahme. Außerdem müssen wir immer beachten: Ist der Eingriff wirklich verhältnismäßig? Denn wir müssen unter gleich geeigneten Mitteln immer das mildeste wählen, das dazu dient, ein bestimmtes Ziel zu erreichen.

Bedeutet konkret?

Die erste Frage ist: Lässt sich die konkrete Ansteckungsgefahr nicht auch mit Maßnahmen wie Abstandhalten und Maskentragen in Innenräumen sowie lückenloser Testung im Hinblick auf den Trainings- und Spielbetrieb genauso wirksam minimieren wie mit der Impfung? All diese milderen Maßnahmen müssten erst einmal ausgeschöpft sein. Das aktuelle Hygienekonzept der DFL sieht ja nicht einmal zwingendes Maskentragen im Kabinenbereich oder in den Stadionkatakomben vor. Dann aber gleichzeitig auf eine Impfpflicht zu pochen, würde nicht zusammenpassen. Und die zweite Frage lautet: Wäre die Maßnahme zur Erreichung des legitimen Ziels überhaupt angemessen?

Worauf zielt das ab?

Das legitime Interesse des Verbands ist ganz sicher die Durchführung bzw. Aufrechterhaltung des Spielbetriebs. Aber ist das aktuell wirklich gefährdet? Jeder Verein hat seinen Kader ganz bewusst so gestaltet, dass er Ausfälle bis zu einem gewissen Maß kompensieren kann. Ob einzelne Spieler dann wegen einer Muskelverletzung fehlen, wegen Corona oder weil sie in Quarantäne sind, ist unerheblich. Und die Impfquote unter Profifußballern ist mit rund 90 Prozent so hoch, dass die wenigen Ungeimpften nicht mehr relevant sind für die Durchführung des Spielbetriebs. Außerdem: Wir haben jetzt November. Es bliebe bis Saisonende noch genügend zeitlicher Puffer, um Spiele nachzuholen. Und selbst eine Verlängerung der Saison ist grundsätzlich möglich, wie 2019/20 gezeigt hat. All das spricht gegen die Angemessenheit einer Impflicht. Egal ob sie nun ein Fußballklub als Arbeitgeber einführen wollte oder der Verband.

Der FC Bayern und andere Klubs haben angekündigt, ungeimpften Spielern, die in Quarantäne müssen, für diesen Zeitraum kein Gehalt zu zahlen. Betroffene Spieler prüfen nun angeblich, dagegen vorzugehen. Hätten sie im Zweifel eine Chance auf Erfolg?

Ich denke nicht. Maßgeblich ist zunächst Paragraph 616 BGB. Der besagt, dass ein Arbeitnehmer den Anspruch auf Vergütung nicht verliert, wenn er "für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" und "ohne sein Verschulden" verhindert ist. Eine Woche in Quarantäne dürfte ein verhältnismäßig noch nicht erheblicher Zeitraum sein. Deshalb geht es bei der "Kurzzeitquarantäne" darum: Ist die Quarantäne, in die sich ein Ungeimpfter als Kontaktperson begeben muss, von ihm selbst verschuldet oder nicht? Ich würde sagen: Ja. Denn wer das anerkannt sinnvolle Impfangebot nicht annimmt, ist selbst schuld. Einfacher ist die Rechtslage, wenn die Quarantäne so lange dauert, dass sie nicht mehr nur "eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit" beträgt. Das ist wohl der Fall, wenn sie sich, wie bei Joshua Kimmich, auf zwei Wochen summiert. Hier gilt dann nicht mehr Paragraph 616 BGB, sondern Paragraph 56 des Infektionsschutzgesetzes. Dieser schließt Entschädigungsansprüche ausdrücklich aus, wenn durch die Inanspruchnahme der öffentlich empfohlenen Impfung gegen COVID-19 eine Absonderung vermieden worden wäre. Und wenn einer der ungeimpften Spieler an COVID-19 arbeitsunfähig erkranken sollte, gilt nach meiner Auffassung auch nichts anders. Ein möglicher Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall (Paragraph 3 EFZG) wäre dann wiederum wegen Verschuldens ausgeschlossen.

Es bleiben also nur Maßnahmen wie Gehaltskürzungen, um auch den verbliebenen Teil der Fußballprofis zur Impfung zu bewegen - und die Hoffnung auf deren Vernunft?

Ja, denn ein z.B. von Stefan Effenberg gefordertes vereinsseitiges Spielverbot für Impfverweigerer wäre rechtswidrig, wenn damit allein das Unterlassen der Impfung sanktioniert werden sollte. Deshalb sollten die Vereine eine Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche wählen: Einerseits weiter Überzeugungsarbeit leisten, andererseits ggf. durch finanziellen Druck die Spieler zum Einlenken bringen. Hilft das alles nichts, bleibt nur noch der Gesetzgeber. Wobei eine gesetzliche Impfpflicht speziell für Profisportler juristisch mit Blick auf den Gleichheitssatz von Artikel 3 des Grundgesetzes ebenfalls zweifelhaft wäre. Letztlich wären wohl auch die Diskussionen im Fußball nur durch den Erlass einer allgemeinen Impfpflicht zu beenden.

Interview: Thiemo Müller