Bundesliga

Horst Köppel im Interview: "Und plötzlich stand er da: ein Grizzly"

Der "halbe" Europameister feiert seinen 75. Geburtstag

Jubilar Köppel im Interview: "Und plötzlich stand er da: ein Grizzly"

Jubilar Horst Köppel besucht immer noch Spiele "seiner" Borussia.

Jubilar Horst Köppel besucht immer noch Spiele "seiner" Borussia. IMAGO/fohlenfoto

Seine erfolgreichste Zeit erlebte Horst Köppel in Mönchengladbach. Fünf Deutsche Meisterschaften (1970, 1971, 1975, 1976, 1977) und zweimal den UEFA-Pokal (1975, 1979) gewann der frühere Stürmer mit der Borussia. Der Niederrhein ist bis heute Lebensmittelpunkt für den gebürtigen Schwaben geblieben.

Sind die Koffer schon für eine Reise gepackt oder laufen gerade die Vorbereitungen auf die große Geburtstagsparty, Herr Köppel?

Es wird tatsächlich ein kurzer Urlaub, nichts Großes, nur ein paar Tage mal wegfahren an die Nordsee. Meine Frau Edith, die in der vergangenen Woche ihren 75. Geburtstag gefeiert hat, wollte mal wieder ans Meer. Als guter Ehemann komme ich diesem Wunsch natürlich nach, obwohl ich auch gerne mal wieder in den Schwarzwald gefahren wäre.

Wie sieht es mit den regelmäßigen Joggingrunden aus? Oder mit dem Beachvolleyball-Treff einmal in der Woche?

Läuft alles weiter wie geschmiert, und dafür bin ich sehr dankbar. Im Gegensatz zu einigen früheren Kollegen mit künstlichen Hüften oder Kniegelenken musste ich mich noch nicht im Ersatzteillager bedienen. Ich hoffe sehr, dass der Körper auch in den nächsten Jahren noch so prima mitspielt.

Ich musste mich noch nicht im Ersatzteillager bedienen.

Horst Köppel

Trifft man Sie noch regelmäßig im Borussia-Park an?

Bei den meisten Heimspielen von Borussia bin ich vor Ort. Ich liebe den Fußball und bin ihm immer noch sehr verbunden, da geht eben auch nichts über den Stadionbesuch mit dieser einzigartigen Atmosphäre.

Sie sind in Stuttgart geboren, aber am Niederrhein heimisch geworden. Wie viel Schwabe steckt denn noch in Ihnen?

Ich würde sagen, dass ich mir die schwäbische Sparsamkeit erhalten habe. Kein Geiz, das gewiss nicht, aber ich achte schon darauf, wofür ich Geld ausgebe - und wie viel.

Welchen Luxus gönnten Sie sich mal?

Mit 22 habe ich mir einen Porsche gekauft. Gebraucht natürlich. Diesen Traum erfüllte ich mir, als ich das Geld dafür hatte. Dieser Wunsch hatte auch einen Hintergrund.

Welchen?

In Zuffenhausen bin ich 200 Meter entfernt vom Porsche-Werk aufgewachsen. Jeden Tag bin daran vorbei zur Schule gelaufen. Damals war Porsche ein Formel-1-Team, und es gab bei uns in Stuttgart ja auch die Formel-1-Strecke, die Solitude, da war ich als Fan auch immer, sogar regelmäßig im Fahrerlager und habe mir Autogramme geholt. Von Joakim Bonnier und Dan Gurney zum Beispiel. Diese Autogramme besitze ich heute noch. Daher rührte der Wunsch, auch mal selbst einen Porsche zu fahren.

Sie waren bei allen fünf Gladbacher Meisterschaften dabei. Welcher Titel war der schönste?

Am speziellsten war sicherlich die erste Meisterschaft 1970. Deutscher Meister - dieses Gefühl kannten wir junge Burschen ja nicht, deshalb war der Moment für uns alle auch so besonders. Aber auch die zweite Meisterschaft 1971 fühlte sich toll an, weil wir am letzten Spieltag noch an den Bayern vorbeiziehen konnten.

Bei einem "Sie" war Hennes Weisweiler sauer

Setzen Sie bitte folgenden Satz fort: Wenn Hennes Weisweiler mich siezte ...

... oh je - ja, dann war er sauer. Das lief dann so: Weisweiler begann nicht mit dem üblichen "Du, Horst", sondern mit einem "Sie, Horst, sagen Sie doch mal, wie haben Sie Ihre Leistung gesehen?" Und wenn man sich gerade erklären wollte und die ersten Worte stammelte, unterbrach er dich sofort und blaffte: "Hören Sie auf, das weiß ich doch alles selbst - es war schlecht! Also: Beim nächsten Mal muss das wieder besser werden!"

Mussten Sie auch mal den Vermittler spielen, wenn Weisweiler und Günter Netzer wieder nur über Dritte kommunizierten?

Nein, das war doch eher der Job von Berti Vogts. Dann sagte Hennes Weisweiler dem Berti, was er dem "Herrn Netzer" bitte ausrichten solle - und dann ging es zurück in die andere Richtung, und Berti teilte dem Trainer Günters Antwort mit, obwohl alle Mann nur drei Meter auseinanderstanden und jeder genau hören konnte, was der andere gesagt hatte. Ein echtes Schauspiel. Ich bin sicher, diese Reibereien haben die beiden auch gebraucht, das gefiel ihnen.

1989 gewannen Sie als Trainer mit Borussia Dortmund den DFB-Pokal. Welche Erinnerung verbinden Sie damit?

Wie sehr die Menschen in dieser Stadt einen Titel herbeigesehnt haben. Man darf nicht vergessen: Damals waren fast 25 Jahre seit dem letzten Titelgewinn vergangen. Es herrschte eine unglaubliche Begeisterung, schon in Berlin, aber dann erst recht in Dortmund, als wir mit dem Pokal nach Hause kamen. Es waren weit über 100.000 Menschen auf der Straße. Sensationell.

Welche Momente in der Karriere waren die vielleicht schwierigsten?

Als Spieler, da denke ich vor allem an die EM 1972. Wir holten zwar den Titel, aber im Finale kam ich nicht zum Einsatz. Deshalb bezeichne ich mich gerne als "halben Europameister". Draußen zu sitzen in so einem Finale ist schon eine schwierige Angelegenheit. Dann zählt sicher auch die WM 1986 in Mexiko, als ich Co-Trainer von Franz Beckenbauer war, dazu - das verlorene Finale gegen Argentinien mit Maradona.

Sie spielten in Vancouver, waren Trainer in Japan und Abu Dhabi. Welches Auslandsabenteuer war das größte?

Da will ich keine Rangfolge erstellen. Jede Station war aufregend und hatte ihre Besonderheiten.

Aber nur in Kanada standen Sie einem Grizzlybären gegenüber. Wie kam es zu dem überraschenden Aufeinandertreffen?

Wenn wir ein paar Tage frei hatten, sind wir mit vier, fünf Mann gerne mal in die Wildnis gefahren, die Eltern eines Teamkameraden besaßen eine Jagdhütte. Meist waren das auch ziemlich feuchtfröhliche Ausflüge. Eines Nachts musste ich also raus zum Pinkeln, in der Hütte gab es keine Toilette - und plötzlich stand er da: ein Grizzly! Nur etwa zehn Meter von mir entfernt. Ich kann Ihnen sagen: Ich bin vielleicht gerannt. Ab in die Hütte und Tür zu. Das war mit Sicherheit eine der aufregendsten Begegnungen in meinem Leben.

Dieses Interview erschien erstmals in der kicker-Ausgabe vom Montag. Hier können Sie sich den kicker als eMagazine im Flex-Abo sichern.

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