Bundesliga

Analyse: Herrlichs Aus ist eine empfindliche Niederlage für Reuter

Kommentierende Analyse zum Trainerwechsel beim FC Augsburg

Herrlichs Aus ist eine empfindliche Niederlage für Reuter

Die Wege trennen sich nach etwas mehr als einem Jahr: Heiko Herrlich (re.) und Stefan Reuter.

Die Wege trennen sich nach etwas mehr als einem Jahr: Heiko Herrlich (re.) und Stefan Reuter. imago images

Auch wenn die Punkteausbeute lange stimmte und der Tabellenstand bis Freitag einigermaßen beruhigend war, klafften Anspruch und Wirklichkeit beim FC Augsburg schon seit Monaten deutlich auseinander. Heiko Herrlich war im März 2020 angetreten, um den FCA im ersten Schritt zu retten (was ohne Glanz gelang) und das Team anschließend spielerisch zu entwickeln. Aktiver, offensiver und mutiger sollte der Fußball werden. Herrlich warb damit, dass seine bisherigen Mannschaften immer attraktiv gespielt und viele Torchancen gehabt hätten.

Heraus kam eine einzige Produktenttäuschung. Herrlich setzte selbst gegen individuell schwächer besetzte Teams auf eine passive, abwartende Spielweise, auf Risikovermeidung als oberstes Gebot. Im Spiel nach vorne baute er auf das Prinzip Hoffnung: Aus handverlesenen Chancen mussten mit gnadenloser Effizienz genügend Tore entstehen, um zähe Spiele in die richtige Richtung zu lenken. Es war absehbar, dass dies auf Dauer nicht reichen würde.

Auch viele Spieler vermissten seit langem ein klares Konzept

Reuter hat diese Fehlentwicklung zu lange laufen lassen und seinen früheren Mitspieler aus gemeinsamen BVB-Zeiten vorbehaltlos gestützt. Der Geschäftsführer Sport setzte auf die Hoffnung, dass es mit der Zeit schon irgendwie besser werden würde. Worauf sich dieses Vertrauen in Herrlich stützte, war von außen nicht zu erkennen. Auch innerhalb der Mannschaft vermissten viele Spieler seit langem ein klares Konzept.

Knappe, glückliche, diszipliniert herausverteidigte Siege gegen direkte Konkurrenten wie in der Hinrunde in Bielefeld (1:0) und Köln (1:0) oder in der Rückrunde in Mainz (1:0) verschleierten und verschleppten die grundlegenden Probleme, die das Augsburger Spiel über Monate lahmlegten. Das hätte bis zum Ende dieser Saison gutgehen können. Ein Sieg gegen Schalke, Bielefeld oder Köln hätte wahrscheinlich schon gereicht, um sich ohne das ganz große Bangen ins Ziel zu retten. Darüber hinaus war aber seit Monaten keine Perspektive erkennbar.

Herrlich und Reuter sind am Prinzip Hoffnung gescheitert

Die in jeglicher Hinsicht desaströse erste Hälfe im eminent wichtigen Spiel gegen Köln (2:3) zwang den FCA nun zum sofortigen Handeln. Herrlich und Reuter sind mit dem Prinzip Hoffnung gescheitert. Auch für den Manager ist das eine empfindliche Niederlage. Ein Negativlauf mit nur einem Punkt aus vier Partien bringt den FCA drei Spieltage vor Schluss in Not. Während Mainz, Köln und Bielefeld punkteten, taumelte Augsburg hilflos in Richtung Abstiegszone. Der Vorsprung auf den Relegationsplatz liegt nur noch bei vier Zählern.

Nun soll Markus Weinzierl den FCA retten und in eine ruhige, stabile Zukunft führen. Der 46-Jährige prägte von 2012 bis 2016 die erfolgreichste Ära des Klubs in zehn Jahren Bundesliga inklusive Europa-League-Teilnahme 2015/16. Er steht in Augsburg für klare Strukturen auf dem Platz und eine in dieser Saison schmerzlich vermisste Spielweise: nach vorne verteidigen, aggressiv attackieren, schnell und zielstrebig umschalten.

Auf Weinzierl warten drei brisante Partien

Seine Erfolge beim FCA verdankt Weinzierl auch einer engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Manager Reuter, die allerdings im Zwist über Weinzierls Wechsel zu Schalke für die damalige Rekordsumme von rund drei Millionen Euro endete. Diesen Konflikt haben beide inzwischen ausgeräumt, sodass sie nach fünf Jahren wieder zusammenfinden konnten. Nach erfolglosen Engagements auf Schalke und in Stuttgart sowie zuletzt zwei Jahren ohne Job hat Weinzierl beim FCA die Chance, sich in bekanntem Umfeld neu zu beweisen.

Um den Klassenverbleib klarzumachen, braucht er mindestens einen Sieg aus drei brisanten Partien: gegen seinen Ex-Klub VfB, im direkten Duell mit Bremen oder am letzten Spieltag in München. Zu unterschätzen ist diese Aufgabe mit einer verunsicherten Mannschaft nicht. Gefordert sind beim FCA jetzt vor allem auch die Spieler: Sie sind den Nachweis schuldig, dass sie den Ernst der Lage erkannt haben.

David Bernreuther

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