Bundesliga

Heidels Appell: "Wir brauchen das Abstiegskampfgefühl"

Eindringliche Worte an die Profis auf der Mitgliederversammlung

Heidels Appell: "Wir brauchen das Abstiegskampfgefühl"

Christian Heidel sprach am Montag über die Lage bei Mainz 05.

Christian Heidel sprach am Montag über die Lage bei Mainz 05. IMAGO/Martin Hoffmann

Mit der wohl größten Spannung hatten die 05-Mitglieder der Rede von Sportvorstand Christian Heidel entgegengesehen, der seit dem jüngsten 2:2 im Kellerduell beim VfL Bochum öffentlich geschwiegen hatte. Die Botschaft des Bosses fiel dann zweigeteilt aus. Über allem stand der Aufruf zum Erhalt der bislang trotz der dramatischen sportlichen Krise erlebten Geschlossenheit: "Wir können und werden uns verbessern. Die Basis dafür ist die Unterstützung der Fans. Ich habe das Gefühl, auch wenn ich durch die Stadt gehe, dass weiterhin alle hinter dieser Mannschaft stehen. Das ist extrem wichtig in dieser Situation. Dafür danke ich euch auch im Namen der Mannschaft."

"Im Team herrscht ein guter Geist, die Jungs sind charakterlich in Ordnung."

In der Tat gab es auch auf der Versammlung anhaltenden Applaus für Trainer Bo Svensson und die anwesenden Vertreter des Profikaders. Im Team, beteuerte Heidel, herrsche "ein guter Geist, die Jungs sind charakterlich total in Ordnung. Ich habe das ganz sichere Gefühl, dass jeder alles dafür tun wird, dass dieser Verein in der 1. Liga bleibt." Zugleich schrieb der 60-Jährige den Profis aber auch Kritisches ins Stammbuch: Im Großteil der Spiele, so Heidel, "bekommen wir das Gefühl: Eigentlich sind wir besser als es der Tabellenplatz aussagt. Und ich glaube: Genau das ist unser Problem. Das Abstiegskampfgefühl ist etwas anderes." Und: "So", also ohne diese von ihm beschworene absolute Konsequenz "als wäre jedes Spiel das letzte", prophezeite Heidel drastisch, "werden wir es nicht schaffen".

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"Was mir ein bisschen fehlt, ist das Gefühl für die Realität"

Was dem Routinier zu denken gibt: "Die Stimmung auf dem Trainingsplatz, in der Kabine ist immer noch gut. Vielleicht muss die Stimmung nicht mehr ganz so gut sein. Was mir unter Umständen ein bisschen fehlt, ist das Gefühl für die Realität. Man muss vom ersten Moment an spüren, dass wir im Abstiegskampf sind. Was ich nicht hören will: Wir haben ganz gut gespielt, aber verloren." Unweigerlich klingt das wie eine Kritik an Svensson, der seiner Mannschaft nach Niederlagen wie gegen Stuttgart (1:3), Leverkusen (0:3) oder den FC Bayern (1:3) regelmäßig ansprechende Leistungen attestierte.

Dieser Deutung begegnete Heidel freilich prompt: "Auch wenn wir ruhig bleiben und nichts an die Öffentlichkeit dringt, sind wir alle sehr selbstkritisch. Und unser Trainer ist der Selbstkritischste überhaupt. Da muss sich niemand Sorgen machen." Generell, hielt Heidel fest, sei "der Verein genau auf dem richtigen Weg. Wir fangen nicht an, uns für diesen Klub zu schämen, weil es sportlich mal nicht läuft".

Transfers von Hanche-Olsen und Ajorque sorgen 2022/23 für einen Fehlbetrag

Dazu passt gewiss das solide Zahlenwerk, das der Vorstand präsentierte. Zwar weist die Bilanz für 2022/23 einen Fehlbetrag von 2,5 Mio. Euro aus (nach 3,3 Mio. Gewinn im Vorjahr). Doch ist dieses Minus auf die außerplanmäßigen Wintertransfers von Andreas Hanche-Olsen und Ludovic Ajorque zurückzuführen, die bekanntlich mit insgesamt rund 8,5 Mio. Euro zubuche schlugen. Beide Transfers waren, so Vorstandschef Stefan Hofmann, indes "unbedingt nötig", um die langfristigen Ausfälle von Maxim Leitsch sowie Jonathan Burkardt zu kompensieren. Insgesamt wendeten die 05er in 2022/23 eine Summe von 43,6 Mio. Euro für die Lizenzspielerabteilung auf. Das Eigenkapital des Klubs sank um besagte 2,5 Mio. Euro auf immer noch komfortable 38 Mio. Euro.

Anwar El Ghazi

Anwar El Ghazi (r.). Getty Images

Hofmann zu El Ghazi: "Da sitzt jemand vor uns, der es ernst meint"

Stellung bezog Hofmann gleich zu Beginn der Veranstaltung zur am selben Tag verkündeten Begnadigung von Stürmer Anwar El Ghazi, der nach zurückgenommener Freistellung letztlich mit einer Abmahnung davonkommt. Der Klubchef bezeichnete diesen Entschluss als "schwierigste Entscheidung meiner Amtszeit". Nach wie vor, versichert Hofmann,  beschäftige ihn mit Blick auf El Ghazis Anti-Israel-Post diese Frage: "Wie kann jemand ein, zwei Tage nach diesem Massaker diesen Post teilen?" Neben dieser "ethisch-moralischen Dimension" beinhalte der "sehr komplexe Fall" freilich auch "eine politische Dimension, eine menschliche, eine sportlich-wirtschaftliche und eine arbeitsrechtliche".

Neben einer Entschuldigung via Social Media habe El Ghazi insbesondere in den internen Gesprächen "glaubhaft vermittelt, dass es ihm leidtut und er mit den Opfern in Israel mittrauert. Er war dabei tiefergehend als in seinem Post. Wir hatten den Eindruck: Da sitzt jemand vor uns, der es ernst meint", argumentierte Hofmann.

Makkabi Deutschland und Israels Generalkonsulat "hätten sich eine andere Entscheidung gewünscht"

Neben dem Austausch mit dem Profi selbst, Beratern und Anwälten bezogen die 05-Verantwortlichen auch Vertreter von Makkabi Deutschland sowie die israelische Generalkonsulin in die Urteilsfindung ein. Diese Institutionen hätten sich zwar "eine inhaltlich andere Entscheidung von uns gewünscht", berichtet Hofmann offen, "sie haben aber auch Verständnis für unsere Argumentation und Abwägung gezeigt."

Immerhin sei Mainz 05 im Zusammenhang mit Social-Media-Posts zum Nahost-Konflikt "bisher der einzige Verein, der einen Fußballer arbeitsrechtlich sanktioniert hat". Ob dies genüge, darüber sei er mit den Mitgliedern jederzeit diskussionsbereit, sagte Hofmann. "Doch wir dürfen uns von dieser Entscheidung jetzt nicht auseinanderdividieren lassen." Was offenbar ganz im Sinne der Anwesenden war: Kritik zum Vorgehen in Sachen El Ghazi blieb im Rahmen der Versammlung aus.

Thiemo Müller

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