Bundesliga

Eintracht Frankfurt: Glasners Schulvergleich vor Leipzig

Welche Lehren Frankfurt aus der Niederlage gegen Neapel ziehen kann

Glasner: "Wenn du mal eine Schularbeit verkackst, bist du nicht gleich ein Fünferschüler"

Auf Oliver Glasner wartet am Samstag in Leipzig der nächste schwierige Gegner.

Auf Oliver Glasner wartet am Samstag in Leipzig der nächste schwierige Gegner. IMAGO/Revierfoto

Je nachdem, welche Statistik man zu Rate zieht, ist das Glas vor dem Duell in Leipzig entweder halbvoll oder halbleer. Einerseits gelang es Leipzig seit dreieinhalb Jahren nicht mehr, die Eintracht zu bezwingen: Seit sechs Spielen wartet RB auf einen Sieg gegen die Hessen (vier Remis, zwei Niederlagen). Nur gegen Bayern München ist Leipzig noch länger sieglos (neun Partien). Andererseits gewann Frankfurt noch kein einziges Mal in Leipzig. Kurios: In 14 Pflichtspielduellen siegte nie der jeweilige Gast.

Spielt Rode gegen Leipzig von Beginn an?

Klar ist: Wer Platz 4 und die erneute Teilnahme an der Champions League anpeilt, muss hin und wieder auch gegen die direkte Konkurrenz ein Ausrufezeichen setzen. So wie beim imposanten 4:0-Heimsieg gegen Leipzig in der Hinrunde, als beim Gegner allerdings noch der erfolglose Trainer Domenico Tedesco auf der Bank saß.

In die Partie am Samstagnachmittag geht Frankfurt eher als Außenseiter. Trainer Oliver Glasner weiß, dass es seine Elf mit einem Gegner mit "enormer Qualität, enormen Tempo und einer außergewöhnlichen Form" zu tun bekommt. Positiv: Bis auf Eric Junior Dina Ebmibe (Syndesmose-OP) stehen ihm alle Mann zur Verfügung. Wie viele Wechsel der Coach vornehmen wird, bleibt abzuwarten. Viel spricht dafür, dass Kapitän Sebastian Rode nach auskurierter Erkältung von Anfang an aufläuft. Auch Ansgar Knauff und Makoto Hasebe dürften in den Überlegungen des Trainers eine ernsthafte Rolle spielen.

Glasner bleibt gelassen und erinnert an die Schulzeit

Einen Knacks befürchtet Glasner nach der Enttäuschung gegen Neapel nicht. "Auch nach der ärgerlichen Niederlage in Köln haben wir gezeigt, dass uns das nicht aus der Bahn wirft", sagt der 48-Jährige und blickt noch weiter zurück: "Wir hatten auch nach dem 0:3 gegen Sporting Lissabon einen Kater. Da haben wir das erste Mal in der Champions League gespielt, die Euphorie war riesig."

Trotzdem überstanden die Hessen bei ihrer ersten Teilnahme an der Königsklasse die Gruppenphase - ein großartiger Erfolg. "Du darfst nach einer Niederlage nicht alles in Frage stellen und ständig an dir zweifeln", mahnt Glasner - und zieht einen treffenden Vergleich: "Wenn du in der Schule viele Einser schreibst und dann verkackst du mal eine Schularbeit, bist du nicht gleich ein Fünferschüler. Und wir haben sehr viele Einser geschrieben in letzter Zeit."

Als Schüler müsse man sich nach einer schlechten Note fragen, ob man zu wenig gelernt habe oder bloß zu nervös gewesen sei. Nun liegt Glasners Schulzeit schon ein paar Jährchen zurück, doch auch als Trainer hinterfragt er seine Entscheidungen, insbesondere nach Niederlagen. "Ich habe in den letzten beiden Tagen sehr viel Hirnschmalz verwendet, um über mich nachzudenken. Hätten wir taktisch oder personell etwas anders machen können? Ich nehme Niederlagen zum Anlass, auch mich ständig zu hinterfragen. Das war nicht angenehm, aber es gehört zum Leben dazu", erklärt der Coach. Nur so könne man gestärkt aus Niederlagen herausgehen und das nächste Level erreichen.

Glasner über Ballverluste: "Schon gegen Darmstadt bekamen wir die Quittung"

Was Glasner missfällt, sind die "vielen einfachen Ballverluste", die gegen Neapel nicht zum ersten Mal bestraft wurden. "Schon gegen Darmstadt bekamen wir die Quittung, konnten es aber noch korrigieren. Gegen Neapel konnten wir es nicht mehr korrigieren, weil das ein unterschiedliches Level ist", rekapituliert der Trainer. Die Mannschaft müsse nicht alles mit Kurzpassspiel lösen, könne auch mal einen langen Ball spielen, meint Glasner.

Zugleich weiß er, dass die Praxis schwerer ist als die Theorie: "Das Ganze muss im Bruchteil einer Sekunde im Spiel passieren, mit einem 180er Puls, das ist nicht ganz so einfach." Ein weiterer Ansatzpunkt zur Verbesserung ist der Coolness-Faktor. "Wir verlieren die Gelassenheit, die du brauchst", konstatiert Glasner.

Gegen Neapel war das sehr gut zu beobachten, als sich nach starkem Beginn plötzlich die individuellen und taktischen Fehler häuften, was dazu beitrug, dass die SSC immer besser ins Spiel fand. Ob der haarsträubende Ballverlust von Djibril Sow (14.), der von Aurelio Buta dusselig verschuldete Strafstoß (34.), Mario Götzes Fehlpass vor dem 0:1 oder Evan Ndickas Fehlpass (41.) unmittelbar nach dem Rückstand - Frankfurt unterliefen zu viele krasse Fehler. Ein Gegner auf diesem Niveau bestraft solche Nachlässigkeiten.

Mangelnde Gelassenheit? Neapel ist das Vorbild

Hinzu kam taktisches Fehlverhalten wie vor dem 0:1, als sich beide Sechser (Sow, Kamada) zur Außenlinie bewegten, weshalb Götze keine Anspielstation fand. Dass Kamada und Sow das Zentrum verließen, sei ein "völliges No-Go", kritisiert der Trainer. Trotzdem erachtet er Prüfungen gegen solche Top-Gegner als enorm wertvoll: "Du musst Dinge fühlen, erleben und Erfahrungen daraus ziehen." In Sachen Gelassenheit und Souveränität dient Neapel gewiss als Vorbild. "Wenn wir einen Gegner nicht knacken, werden wir unruhig, laufen mit sechs, sieben Spielern nach vorne und vergessen die Absicherung", bemängelt Glasner. Das ist sicher auch dem großen Ehrgeiz geschuldet, einen Rückstand schnellstmöglich wettmachen zu wollen.

Schon das Spiel in Leipzig (Samstag, 15.30 Uhr, LIVE! bei kicker) wird zeigen, ob die Mannschaft die richtigen Lehren aus dem Spiel gegen Napoli gezogen hat. "Wir wissen, dass Leipzig auf unsere Fehler lauert und uns zu Fehlern zwingen will, um schnell umzuschalten", sagt Glasner. Dies freilich hat auch seine Elf vor. Wer am Ende weniger Fehler in den gefährlichen Zonen macht, hat beste Chancen, das Verfolgerduell für sich zu entscheiden.

Julian Franzke

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