Bundesliga

Gisdol, der FC und der Zwang zur Initiative

Warum Kölns Ansatz aus der Hinrunde gegen Werder nicht tauglich sein dürfte

Gisdol, der FC und der Zwang zur Initiative

Um gegen Bremen dreifach zu punkten, muss Gisdols FC wohl nach vorne spielen.

Um gegen Bremen dreifach zu punkten, muss Gisdols FC wohl nach vorne spielen. Getty Images

Denn die Vorzeichen haben sich verändert. Beim 1:1 in Bremen waren die Rollen klar verteilt: Dort bei Werder das Selbstverständnis, gegen den 1. FC Köln in einem Heimspiel Druck und Dominanz auszuüben. Hier beim FC der Ansatz, sein Heil in der massierten Defensive zu suchen.

Geschenk und Ungeschick

Entsprechend gestaltete sich das Bild während der 90 Minuten: Die Mannschaft von Markus Gisdol stand extrem tief in der eigenen Hälfte, erst recht nach dem glücklichen Führungstreffer durch ein Bremer Eigentor nach einer - was auch sonst - Standardsituation. Köln befand sich fast ausschließlich im Verteidigungs- und Ball-Wegschlag-Modus.

Was selbst durch die dickste FC-Vereinsbrille grauslich anzusehen war, hätte beinahe sogar zum Erfolg geführt. Wäre FC-Abwehrspieler Sebastiaan Bornauw in der Schlussphase nicht ein Handspiel im Strafraum unterlaufen, wäre die destruktive Vorstellung wohl sogar mit drei Punkten belohnt worden.

Kann diese Herangehensweise also auch das Rezept für die Partie am Sonntag in Müngersdorf sein, wenn der FC die Bremer empfängt?

Dieser Ansatz ist fast auszuschließen. Und es ist allen Beobachtern dieser Partie zu wünschen, dass der FC mehr Initiative übernimmt als an jenem 7. Spieltag. Denn sonst könnte dieses Spiel einen noch quälenderen Charakter bekommen als das in der Hinrunde.

Nun setzt Werder auf Defensivfußball

Denn inzwischen hat Werder selbst Gefallen am effektiven Defensivfußball gefunden. Die Bremer stellen im Jahr 2021 die viertbeste Mannschaft der Liga, was die Anzahl der Gegentore betrifft. Aus dem offensiv ausgerichteten 4-3-3 aus dem Hinspiel ist ein äußerst kontrolliertes Spiel aus einer Fünfer-Abwehrkette mit gutem Verschieben und einem kompakten Zentrum geworden. Offensiv läuft das Meiste über eine "schnelle Mitte".

Gerade nach dem überraschenden 2:1-Erfolg gegen Eintracht Frankfurt und angesichts von fünf Punkten Vorsprung auf den FC besteht für Werder keinerlei Anlass, zwingend in Köln die Initiative übernehmen zu müssen. Vielmehr werden die Kölner angesichts der aufholenden Konkurrenz unter Druck stehen, nach zuletzt drei Niederlagen am Stück mal wieder dreifach zu punkten. Spielt Werder so diszipliniert wie zuletzt, sollte der FC nicht darauf setzen, dass die Gäste Räume preisgeben oder Geschenke verteilen. Folglich sind die Kölner zur Initiative verdammt.

Umstellungen wie gegen Stuttgart?

Doch betrachtet man den letzten Auftritt des FC in Müngersdorf beim 0:1 gegen den VfB Stuttgart, dann bekommt man eine Vorahnung, wie schwierig es für die Mannschaft von Markus Gisdol werden dürfte, selbst das Spiel in die Hand zu nehmen, kreativ statt destruktiv zu agieren, Torchancen zu erspielen, ohne selbst dem Gegner Räume anzubieten.

Erst als Gisdol gegen die Schwaben nach gut einer Stunde mit Dominick Drexler und kurz drauf Max Meyer zwei Offensivakteure für Rechtsverteidiger Kingsley Ehizibue und Innenverteidiger Sava Cestic brachte und zudem von einer Fünfer- auf eine Viererkette umstellte, entwickelte der FC so etwas wie ein Offensivspiel und kam nach einem Meyer-Pass und einem Distanzschuss des ebenfalls eingewechselten Salih Özcan wenigstens zu zwei Chancen.

Möchten die Kölner am Sonntag gewinnen, so scheint Gisdol gegen Werder, das aktuell als eine deutlich bessere Kopie des FC daherkommt, gezwungen, von vorneherein mehr Mut zur Offensive zu zeigen. Es sei denn, er vertraut wie im Hinspiel auf einen Glücksmoment vor dem gegnerischen Tor. Doch das alleine - diese Befürchtung werden die meisten FC-Fans haben - könnte am Ende nicht reichen. Nicht am Sonntag und nicht am 22. Mai, wenn die Bundesligasaison endet.

Stephan von Nocks