Bundesliga

Gerd Müller: Wenn das Schicksal das Glück zerstört

Der Toptorjäger aus 57 Jahren Bundesliga wird 75 Jahre alt

Gerd Müller: Wenn das Schicksal das Glück zerstört

Gerd Müller, Schütze des 2:1-Siegtreffers im WM-Finale von 1974 in München, wird am Dienstag 75 Jahre alt.

Gerd Müller, Schütze des 2:1-Siegtreffers im WM-Finale von 1974 in München, wird am Dienstag 75 Jahre alt. imago images

Damals, vor einem Vierteljahrhundert, als er 50 Jahre alt wurde, stellte der Jubilar keine besonderen Ansprüche an diesen Ehrentag. "Ich brauche nichts, ich habe alles", sagte Gerd Müller, Mitte der 1990er Jahre Trainerassistent bei den Amateuren des FC Bayern.

Sein Leben, seinerzeit sowieso meist im Trainingsanzug verbracht, wie er selbst anmerkte, sollte einfach so weitergehen. Ein Jahrzehnt später war dieser Wunsch erfüllt. "Ich fühle mich wie 50", sagte Gerd Müller wenige Tage vor seinem 60. Geburtstag, freute sich kindlich über seine Laufstärke beim täglichen Tennis und fasste seine berührende Zufriedenheit fernab aller materiellen Reichtümer in diesem wunderbaren Satz zusammen: "Ein schöneres Leben gibt es nicht."

Und als hätte er es geahnt, fügte er an: "Wenn es so bleibt, ist es prima." Diese bescheidene Bitte wollte ein schlimmes Schicksal leider nicht erfüllen. Gerd Müller hat sein Erinnerungsvermögen eingebüßt, schon zu seinem 70. Geburtstag konnte er nicht mehr sprechen. An diesem Dienstag wird er 75 Jahre alt. Eine Feier mit 20 Gästen, die der FCB plante, verhindert Corona.

Unzählige Titel und Tore: Die Karriere von Gerd Müller

Franz Beckenbauer hat ohnehin längst die Verdienste seines kongenialen Doppelpasspartners in wenigen Worten zusammengefasst: "Ohne Gerd wäre der FC Bayern nicht da, wo er heute steht." Im Bayern-Trikot reihte der größte Torjäger aller Zeiten 365 Treffer in 427 Bundesliga- sowie 68 in 62 Länderspielen aneinander. Müller traf mit rechts, links, mit dem Kopf. Er schoss den Ball ein, schob ihn ein, schaufelte ihn ein. Er spitzelte, stupste, schlitterte, hämmerte, würgte, nickte ihn über die Linie. Im Stehen, Drehen, Fallen, Rutschen, Grätschen, Krabbeln. "Hauptsache drin", sagte er selbst einmal, "mir war egal, wie."

Bei Schüssen oder Flanken eines Kollegen trieb ihn ein elektrisierender Reflex nach vorne, um Abpraller zu Treffern zu veredeln. Diese Abstaubertore waren seine Spezialität, legendär ist sein typischer Bewegungsablauf in naturgegebener Harmonie: Ballannahme, Drehung, Schuss, Tor. "Müllern" wurde seine nie erreichte Art genannt. Mit seinem geschickt eingesetzten Hinterteil, dabei immer fair, verschaffte er sich den nötigen Platz in der Enge des Straf- oder gar Fünfmeterraums, meist von zwei, drei direkten Deckern bewacht. "Gerd", sagte Beckenbauer vor Jahren, "würde heute in der Bundesliga 80 Tore pro Saison erzielen."

1971/72 waren es 40. Bis heute und trotz Robert Lewandowski die Bestmarke in 57 Jahren Bundesliga.

Karlheinz Wild