Bundesliga

Geisterspiel und wie geht's weiter? "Klären wir noch, wir sagen Bescheid"

11. März 2020: Erinnerungen an das erste Bundesliga-Duell ohne Zuschauer

Geisterspiel und wie geht's weiter? "Klären wir noch, wir sagen Bescheid"

kicker-Reporter Toni Lieto mit seiner Presse-Tageskarte vom ersten Bundesliga-Geisterspiel.

kicker-Reporter Toni Lieto mit seiner Presse-Tageskarte vom ersten Bundesliga-Geisterspiel. kicker

Der weiße Dienstwagen mit dem roten kicker-Logo auf den Seitentüren ist auf dem Stadionparkplatz abgestellt, fast allein auf weiter Flur. Am Medien-Eingang des Borussia-Parks fordern mich zwei Vereinsmitarbeiterinnen freundlich auf, die Saisonarbeitskarte gegen eine Presse-Tageskarte einzutauschen. Gesagt, getan. Was mit der eingezogenen Dauerakkreditierung passiert, frage ich - die Saison ist ja noch lange nicht zu Ende, es stehen noch Heimpartien gegen Leverkusen, Union Berlin, Wolfsburg und Hertha BSC im Spielplan.

Da müsse man die Entwicklungen abwarten, von denen das weitere Prozedere abhängt, bekomme ich als Antwort und spüre in dem Augenblick sehr deutlich, dass niemand so recht abschätzen kann, welchen Verlauf das mit den Geisterspielen noch nehmen könnte.

Die Paarung des ersten Geisterspiels der Bundesliga-Geschichte lautet nur deshalb Borussia Mönchengladbach gegen den 1. FC Köln, weil das ursprünglich für den 9. Februar terminierte prestigeträchtige Rheinderby damals abgesagt worden war. Wegen eines Orkantiefs namens "Sabine". Man wollte vor allem die Sicherheit der Zuschauer auf deren Weg zum Stadion und später von dort zurück nach Hause nicht gefährden. Dass die Begegnung am Nachholtermin am 11. März zwar angepfiffen werden kann, das Publikum wegen Corona aber nicht anreisen darf, wird am Tag zuvor bekannt gegeben.

"Haben wir immer so gemacht"

Als Borussias Profis um 17.50 Uhr und damit 40 Minuten vor dem Anpfiff den Rasen betreten, um ihr Aufwärmprogramm abzuspulen, jubelt ihnen niemand zu. Wir, die Journalisten, sind ja zum Arbeiten hier und sitzen mit gebührendem Abstand zueinander beobachtend auf unseren Presseplätzen. In der völlig verwaisten Nordkurve hängt ein Banner: "Holt den Derbysieg!" Der Stadionsprecher ruft wie eh und je: "Hier kommt das Team von Borussia Mönchengladbach!" Noch skurriler aber ist der Augenblick, als sich die Spieler beider Mannschaften kurz vor dem Anpfiff in einer Reihe aufstellen und vereinzelt den Zuschauern zuwinken, die gar nicht da sind. Getreu dem Motto: "Haben wir immer so gemacht."

Um 18.30 Uhr gibt Schiedsrichter Deniz Aytekin mit einem schrillen Pfiff das Signal: Los geht's! Kölns Jhon Cordoba führt den ersten Bundesliga-Geisterspiel-Anstoß der Geschichte aus. Das erste Bundesliga-Geisterspiel-Tor schießt Breel Embolo, Jorge Meré per Eigentor legt nach, Mark Uth gelingt der Ehrentreffer für den Effzeh. 2:1 - Gladbachs Profis haben sich das Banner in der Nordkurve zu Herzen genommen.

Hinter der Tribüne haben sich mittlerweile Hunderte Fans jenseits der Stadionumzäunung versammelt: "Wir woll'n die Mannschaft seh'n!" Die rückt tatsächlich an, macht es sich auf einer Empore bequem und lässt sich feiern. Der Eindruck angesichts dieser fragwürdigen Szenerie drängt sich spontan auf: Corona wird noch nicht richtig als Bedrohung wahrgenommen. Viele glauben zu diesem Zeitpunkt, dass der Spuk schon bald wieder beendet sein wird.

Keine Spielerinterviews und eine noch immer offene Frage

Spielerinterviews finden für uns Medienvertreter an diesem Abend nicht wie sonst üblich statt. Nach dem Verfassen des Textes für die kicker-Printausgabe des nächsten Tages geht's Richtung Autoparkplatz, beim Verlassen des Stadions erkundige ich mich noch einmal bei Borussias Mitarbeiterinnen nach der Dauerakkreditierung, die beim Einlass gegen die Tageskarte eingetauscht worden war. "Klären wir noch, Sie bekommen Bescheid", heißt es. In Ordnung, auf Wiedersehen.

Auch jetzt, ein Jahr und eine Saison später, gibt es noch keine Dauerakkreditierungen, der Einlass wird immer nur pro Spiel beantragt und gewährt, ein spezieller Corona-Fragebogen ist als Legitimation unerlässlich. Wäre dem geräuschlosen "Gegner" namens Corona doch auch nur so schnell die Puste ausgegangen wie damals "Sabine" ...

Toni Lieto

Diese Profis haben noch nie vor Zuschauern in der Bundesliga gespielt