Bundesliga

Frankfurts Chaibi: "Wollte aus meiner Komfortzone heraus"

Der Senkrechtstarter aus Toulouse als Hoffnungsträger für die Offensive

Frankfurts Neuzugang Chaibi: "Ich wollte aus meiner Komfortzone heraus"

Angekommen in Frankfurt: Fares Chaibi.

Angekommen in Frankfurt: Fares Chaibi. IMAGO/HMB-Media

Als die Eintracht letztmals so harmlos in die Saison startete, saß noch Niko Kovac auf der Trainerbank. Lediglich dreimal trafen die Hessen an den ersten fünf Spieltagen der Saison 2017/18, obwohl damals Luka Jovic, Sebastien Haller, Ante Rebic und Alex Meier im Kader standen. Am Ende gewannen die Hessen gegen den FC Bayern sensationell den DFB-Pokal.

Eine seriöse Saisonprognose ist nicht möglich

Wohin die Reise in dieser Saison führt, lässt sich aktuell nicht seriös prognostizieren. Eine Spielzeit im grauen Mittelmaß erscheint nach dem Substanzverlust in der Offensive (Kolo Muani, Lindström, Kamada, Borré) ebenso möglich wie ein Angriff auf die internationalen Plätze - vorausgesetzt, die für den Januar geplanten Neuzugänge für den Sturm zünden schnell.

Noch ist die Ratlosigkeit in der Offensive groß. Bisher gab die Eintracht erst 49 Torschüsse ab, das ist der Ligatiefstwert. 20 Torchancen werden nur von Augsburg (19) unterboten. Zudem gelang in der Bundesliga noch kein Tor nach einer Standardsituationen - ein Schicksal, das die Hessen lediglich mit Mainz teilen. Die Schwäche nach ruhenden Bällen entwickelte sich schon in der vergangenen Rückrunde unter dem damaligen Trainer Oliver Glasner zu einem veritablen Problem.

Kochs Tor als Lichtblick bei Standards

Wenigstens erzielte Verteidiger Robin Koch in der vergangenen Woche im Conference-League-Heimspiel gegen Aberdeen ein Kopfballtor nach einer von Fares Chaibi geschossenen Ecke. Der erst am 30. August verpflichtete Neuzugang aus Toulouse (10 Mio. Ablöse) soll ein entscheidendes Puzzleteil sein, um die Standardschwäche endlich zu beheben. Einen guten Schuss habe er schon immer gehabt, sagte Chaibi am Mittwoch bei seiner Vorstellung. Bei Freistößen versuche er, sich etwas bei Lionel Messi abzuschauen.

Standards als Waffe zu benutzen, ist keine Hexerei. "Im Prinzip ist es simpel: Du brauchst einen guten Schützen und jemanden, der wirklich mit Speed einläuft, um den Ball zu bekommen und ein Tor zu erzielen", sagt Trainer Dino Toppmöller und erläutert: "Das ist eine Herausforderung für alle Spieler, die mit in die Box gehen: dass sie in die Box gehen, um ein Tor zu schießen. Sie sollen nicht reinlaufen und gucken, was passiert, sondern eine Position mit 100 Prozent anlaufen. Wenn der Ball dahinkommt, muss ich da sein. Genau so hat es Robin gemacht."

Ob das nur eine Eintagsfliege war oder auch im Ligaalltag gelingt, werden die kommenden Wochen zeigen. Klar ist: Wenn im Sturm der Wurm drin ist, gewinnen offensive Standards umso mehr an Bedeutung.

Chaibi spricht von fehlenden Automatismen

In Toulouse war Chaibi zwar nicht für die ruhenden Bälle zuständig, hat in seiner ersten Saison als Profi aber bereits nachgewiesen, dass er auch aus dem Spiel heraus gefährlich sein kann. Wettbewerbsübergreifend traf er 2022/23 achtmal, sieben Tore bereitete er vor. Ob die Probleme im Angriff behoben werden können, hängt nicht zuletzt von den Künsten des 20-Jährigen ab.

"Wir haben viele neue und junge Spieler. Uns fehlen noch die Automatismen. Aber wir sind auf einem guten Weg, die Mannschaft hat viel Potenzial und Luft nach oben", urteilt der offensive Mittelfeldspieler. Er ist überzeugt: "Es ist eine Frage der Zeit, bis wir erfolgreich werden."

Toppmöller hob schon gleich zu Beginn Chaibis "Gespür für Räume" und den "sehr guten Abschluss aus der Distanz" hervor. Der Coach ist überzeugt: "Das ist ein guter Fußballer, der uns mit Sicherheit extrem weiterhelfen wird." Allerdings muss man dem algerischen Nationalspieler Zeit zur Eingewöhnung zugestehen.

Reichlich Potenzial - und viel Ungewissheit

Das freilich gilt auch für den aus unerklärlichen Gründen noch immer nicht richtig fitten Jessic Ngankam (23, Hertha BSC) sowie den für die linke Seite geholten Niels Nkounkou (22, St. Etienne). Auch der bereits im vergangenen Januar verpflichtete Paxten Aaronson (20, Philadelphia) steht noch am Anfang seiner Entwicklung.

Omar Marmoush (24) war in Wolfsburg zwar Stammspieler, die Bundesliga kennt er gut, doch der Posten als einzige Sturmspitze ist für ihn nicht ideal. Reichlich Potenzial, aber auch viel Ungewissheit - so lässt sich die Besetzung der Offensive zusammenfassen. Mit dem Verkauf von Randal Kolo Muani in allerletzter Minute ließen sich die Verantwortlichen auf ein Vabanquespiel ein.

Chaibi ist im Zentrum zu Hause

Obwohl Chaibi in der Ligue 1 überwiegend auf dem linken Flügel eingesetzt wurde, sieht er sich eher im Zentrum des Mittelfelds. Auf das Spiel der Eintracht übertragen heißt das, dass er primär für eine der beiden Halbpositionen hinter dem einzigen Stürmer infrage kommt. Toppmöller: "Fares ist ein offensiver Mittelfeldspieler, der auf der Achter- und der Zehnerposition spielen kann. Er bewegt sich sehr gut zwischen den Linien und kann auch im 4-3-3 am Flügel spielen, dann zieht er aber eher nach innen."

Raus aus der Komfortzone

An Mut fehlt es dem jungen Mann nicht, nach nur einem Profijahr direkt ins Ausland zu wechseln, erfordert eine gewisse Abenteuerlust. "Ich wollte aus meiner Komfortzone heraus", betont Chaibi. In Lyon aufgewachsen, schloss er sich 2019 dem Nachwuchs des FC Toulouse an. Von da an war er in der Jugendakademie auf sich allein gestellt, die Familie begleitete ihn nicht. Vielleicht wirkt er auch deshalb schon sehr erwachsen.

Sprache als Motor der Integration

Was ihm die Integration erleichtert: Nicht nur mit Trainer Dino Toppmöller kann er sich auf Französisch unterhalten, auch mit mehreren Mitspielern, darunter Kevin Trapp, Eric Junior Dina Ebimbe, Nkounkou oder auch Ellyes Skhiri. Demnächst will er bei der Eintracht mit dem Sprachunterricht beginnen. "Mein Ziel ist, so schnell wie möglich meine Sprachkenntnisse zu verbessern", kündigt Chaibi an. Wenn er dann auch noch Tore sprechen lässt, kann sich seine Verpflichtung zur nächsten Erfolgsgeschichte entwickeln.

Julian Franzke

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