2. Bundesliga

2. Bundesliga: Im Zuschauerzuspruch sogar vor der Ligue 1

Im Zuschauerzuspruch hat die 2. Liga die Ligue 1 überholt

Fantastisch!

Volles Haus: Der Zuschauerzuspruch in der Hinserie der 2. Liga war fantastisch.

Volles Haus: Der Zuschauerzuspruch in der Hinserie der 2. Liga war fantastisch.

"Und es hat Boom gemacht!" So titelte der kicker am 27. Juli 2023, dem Tag vor dem Anpfiff der Jubiläumssaison der 2. Liga. Und das Unterhaus macht in ihrer 50. Spielzeit dieser Schlagzeile alle Ehre. Erste Altersanzeichen? Von wegen! Attraktiv und juvenil wie nie stolziert sie durch die Sportwelt und verweist mit breiter Brust auf ihren Zuschauerzuspruch: In der Hinrunde strömten beachtliche 4,3 Millionen Zuschauer in die Stadien der 2. Liga. Das ergibt pro Partie einen Schnitt von 28.342. Damit dürften, nein, werden die bisherigen Rekordwerte, die erst am Ende der vergangenen Spielzeit aufgestellt wurden, im Mai aller Voraussicht nach wortwörtlich pulverisiert werden. 2022/23 durchquerten 6,77 Millionen Zuschauer die Drehkreuze der Arenen, was pro Match einem Schnitt von 22.154 Fans entspricht.

Der Serie A und La Liga dicht auf den Fersen

Mit diesen beeindruckenden Zahlen ist das deutsche Unterhaus einzigartig in Europa, sehr vermutlich auch in der Welt, doch in Ermangelung seriöser Zahlen von anderen Kontinenten sollte man sich mit solchen Aussagen eher zurückhalten. Der Blick weit hinaus in die große Fußballwelt ist allerdings auch gar nicht nötig, es reicht durchaus, das Visier auf Europa zu richten, das fördert Imposantes genug zutage. Unter den Top-5-Nationen des Kontinents hebt sich die deutsche 2. Liga deutlich ab: Weder in England noch in Spanien, Italien oder Frankreich verfolgten zum Stichtag 17. Dezember 2023 mehr Zuschauer die Zweitligaspiele live vor Ort.

Die einmalige Attraktivität der 2. Liga zeigt sich besonders im Vergleich zu den 1. Ligen. Lediglich die Bundesliga mit 39.514 und die Premier League mit 38.248 Zuschauern pro Partie bewegen sich in anderen Sphären. Doch der italienischen Serie A mit rund 30.800 und der spanischen La Liga mit circa 28.900 Zuschauern im Schnitt ist das deutsche Unterhaus bereits dicht auf den Fersen, die französische Ligue 1 mit einem Schnitt von rund 26.900 Zuschauern hat sie bereits überholt.

Maßgeblich verantwortlich für den Zuschauerboom ist fraglos das exquisite Teilnehmerfeld. Nur der FC St. Pauli und der SC Paderborn sowie die Aufsteiger SV Elversberg, VfL Osnabrück und SV Wehen Wiesbaden waren noch nie nationaler Meister, unter den anderen befinden sich mit dem 1. FC Nürnberg (9 Titel), Schalke 04 (7), dem Hamburger SV (6) und dem 1. FC Kaiserslautern (4) sogar vier Klubs aus den Top 9 der Vereine mit den meisten Triumphen unter dem Dach des DFB. Hinzu kommen der 1. FC Magdeburg und Hansa Rostock, die Meister der DDR-Oberliga wurden. Apropos Magdeburg: Der FCM ist neben dem HSV und Schalke 04 einer von drei aktuellen Zweitligisten, die bereits einen Europapokal gewannen.

Nur Dortmund und Bayern toppen Schalke

Nicht umsonst sprach St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann vor Saisonbeginn von einer "extremen Fülle an großen Namen", die viel Tradition und eine dementsprechend große Fanbasis haben. Und, nicht zu vergessen, die mehrheitlich über eine entsprechende Infrastruktur verfügen. In 9 der 22 deutschen Fußballstadien mit einem Fassungsvermögen jenseits der 30.000 Zuschauer ist in dieser Saison Zweitliga-Fußball zu sehen.

So konnte Schalke 04 bei allen acht Heimspielen bisher jeweils über 60.000 Zuschauer begrüßen. Die Knappen erreichten einen Zuschauerschnitt von 61.436. In der Bundesliga weisen lediglich Borussia Dortmund (81.252) und Bayern München (75.000) mehr auf. Der HSV bringt es auf einen Schnitt, der nur unwesentlich unter dem von Eintracht Frankfurt liegt, insgesamt mischen sieben Zweitligisten in puncto Zuschauerzuspruch in den Top 15 einer gemeinsamen Zuschauertabelle mit.

Es fielen so viele Tore wie seit 40 Jahren nicht mehr

Dass die deutsche 2. Liga so attraktiv wie nie ist, dahinter lässt sich also locker ein Haken setzen. Bewiesen, und fertig. Doch bedeutet attraktiv auch gut, qualitativ gesehen? Erleben wir gerade die beste 2. Liga der Geschichte, die den Qualitätsunterschied zu ihrer großen Schwester so verringert hat wie noch nie?

Fragen, die sich selbstredend nie zweifelsfrei beantworten lassen, denn Qualität lässt sich in ihrem Fall nicht exakt bemessen, auch wenn man sich ihr mit verschiedenen Parametern annähern kann. Man nehme zum Beispiel die Anzahl der geschossenen Tore: Der Schnitt pro Spiel liegt in dieser Spielzeit bei 3,2 und damit so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr. Es gibt jedoch ein doppeltes Aber: Sechsmal in der Zweitliga-Historie war er schon höher, und zwar zu Zeiten, als die 2. Liga in der Schublade "Blutgrätsche und Rumpel-Fußball" steckte. Zu Unrecht übrigens, doch das ist ein anderes Thema. Und das zweite Aber: Viele geschossene Tore sind nicht zwangsläufig ein Qualitätsmerkmal.

Dass ihr Toreschnitt im Vergleich zu den anderen Top-5-Nationen Europas so signifikant höher liegt - die englische Championship ist mit 2,74 noch am nächsten dran -, ist auf jeden Fall sehr auffällig. Und wenn man sich diesen Wert noch in Verbindung mit den Spielnoten anschaut, die der kicker seit der Saison 2014/15 auch im Unterhaus vergibt, darf man durchaus auf die Idee kommen, dass der Fußball in der deutschen 2. Liga attraktiver geworden ist. Denn auch in dieser Beziehung bewegt sich die 2. Liga aktuell mit einer Durchschnittsnote von 3,00 pro Spiel auf eine Bestmarke zu.

Ein Quartett im Viertelfinale des DFB-Pokals - nie waren es mehr

Auch der Umstand, dass sich die 2. Liga im DFB-Pokal bislang so prächtig geschlagen hat und mit St. Pauli, Fortuna Düsseldorf, Hertha BSC und dem 1. FC Kaiserslautern gleich vier Vertreter ins Viertelfinale entsendet - die Bundesliga schickt nur drei ins Rennen -, geht nur bedingt als unstrittiger Qualitätsnachweis durch, auch wenn es nie mehr waren. Allerdings stellt dies auch kein Novum dar: Vier Zweitligisten in Runde 4 im DFB-Pokal gab es seit der Einführung der eingleisigen 2. Liga im Jahr 1981 bereits zweimal. Hinzu kommt, dass Pokalspiele bekanntlich ihre eigenen Gesetze haben und nur Momentaufnahmen sind.

Mehr Aussagekraft besitzen da schon die zwei Relegationsspiele um den Aufstieg in die höchste deutsche Spielklasse. Seit der erstmaligen Wiederaustragung der Relegation im Jahr 2009 steht es 12:3 für die Bundesliga. Und noch frisch sind die Erinnerungen an die jüngste Entscheidung, vor allem beim HSV. Im Hinspiel in Stuttgart wollte er dem VfB spielerisch beikommen und wurde von dem Bundesligisten phasenweise vorgeführt. Die 0:3-Niederlage war von der Höhe her noch eine schmeichelhafte, die wahren Kräfteverhältnisse drückten sich im Ergebnis nicht aus. Das Rückspiel konnten die Hanseaten dann zwar deutlich ausgeglichener gestalten, letztendlich aber waren sie doch chancenlos und verloren folgerichtig mit 1:3.

Kurz gesagt: Die Bundesliga ist, Zweitliga-Boom hin oder her, qualitativ immer noch eine andere Hausnummer, da sind sich nahezu alle Experten einig. Alexander Zorniger, Trainer von Fürth, dem Ersten der Ewigen Zweiligatabelle, sieht gar mehr als eine Liga Unterschied, bezogen vor allem auf die individuelle Qualität der Spieler. "In der Bundesliga passen halt neun von zehn Aktionen. Das sind in der 2. Liga von ein- und demselben Spieler deutlich weniger", so der 56-Jährige.

Aber: Die rein fachliche Sichtweise ist das eine, der Erlebnisfaktor hingegen etwas anderes, schließlich passieren nur wenige ausgebildete Trainer die Stadiontore. Diese ausgeglichene 2. Liga mit vielen engen, schwer vorherzusagenden Spielen entfaltet eine Wucht, die ihresgleichen sucht. So gesehen darf es gerne so weitergehen mit vielen Toren und fantastischen Zuschauerzahlen.

Jörg Wieserner, Chris Biechele

Das sind die Zweitliga-Trainer der Saison 2023/24