2. Bundesliga

Fährmann im Interview: "Ich bin immer hartnäckig geblieben"

Aus der kicker-Ausgabe vom Montag (20. September 2021)

Fährmann im Interview: "Ich bin immer hartnäckig geblieben"

Hat sich zum FC Schalke 04 bekannt - und kennt den Verein schon viele, viele Jahre: Ralf Fährmann.

Hat sich zum FC Schalke 04 bekannt - und kennt den Verein schon viele, viele Jahre: Ralf Fährmann. imago images/Noah Wedel

Bei keinem aktuellen Schalker liegt das Profidebüt für Königsblau länger zurück als bei Ralf Fährmann. Seit seinem Einstand vor fast genau 13 Jahren beim furiosen 3:3 im Revierderby gegen Borussia Dortmund am 13. September 2008 hat der 32-Jährige mehr als 200 Einsätze im S04-Torwartdress absolviert. Vor dem Spiel gegen den Karlsruher SC am Freitag (1:2), als der frühere Kapitän beim 0:1 patzte, sprach er mit dem kicker nicht nur darüber, was er noch mit Schalke vorhat, sondern auch über das neue Torwarttraining unter Wil Coort, Abschläge ins Seitenaus, forsche Töne seines Torhüterkonkurrenten Martin Fraisl (der nun an diesem Wochenende in Rostock die Chance von Beginn an bekommt) sowie die Trainervorgabe, das Spiel risikoreich mit kurzen Pässen aufzubauen.

Die Fährmann-Formel ist recht simpel: Schenke ihm Vertrauen, und er hält gut. Würden Sie das so unterschreiben, Herr Fährmann?

Spielersteckbrief Fährmann
Fährmann

Fährmann Ralf

Spielersteckbrief Fraisl
Fraisl

Fraisl Martin

Trainersteckbrief Grammozis
Grammozis

Grammozis Dimitrios

FC Schalke 04 - Vereinsdaten
FC Schalke 04

Gründungsdatum

04.05.1904

Vereinsfarben

Blau-Weiß

mehr Infos
2. Bundesliga - Tabelle
Pl. Verein Punkte
1
Jahn Regensburg Jahn Regensburg
17
2
FC St. Pauli FC St. Pauli
16
3
1. FC Heidenheim 1. FC Heidenheim
15

Ich denke, dass Vertrauen ein wichtiger Baustein ist, wenn nicht sogar der wichtigste, vor allem auf der Torhüterposition. Gerade hier muss man in Millisekunden Entscheidungen treffen. Wenn man dann im Hinterkopf hat, dass alles mit Argusaugen betrachtet wird, kann natürlich auch die Leistung darunter leiden.

Ist das bei Ihnen stärker der Fall als bei anderen Spielern?

Das glaube ich nicht. Jeder hat mal eine bessere und mal eine weniger gute Phase. Bei mir fallen diese Phasen vielleicht deutlicher auf, weil ich schon so lange beim FC Schalke 04 bin. Ich habe mich immer der Herausforderung gestellt und kann mit Stolz sagen, dass ich mich meistens durchgesetzt habe - unabhängig davon, wer die Konkurrenten waren oder auch, wie die persönliche Beziehung zum jeweiligen Trainer gerade war.

Ralf Fährmann und kicker-Reporter Toni Lieto

Hat sich im kicker-Interview den Fragen von Reporter Toni Lieto gestellt: Schalke-Torwart Ralf Fährmann. kicker

Sie haben schwierige zweidreiviertel Jahre hinter sich, beginnend mit der Wachablösung im Januar 2019 durch Ihren damaligen Konkurrenten Alexander Nübel, gefolgt von unglücklich verlaufenen Ausleihen nach Norwich und Bergen. Wie blicken Sie auf diese Zeit zurück?

Es waren schwierige Phasen für mich, aber auch nicht die ersten schwierigen in meiner Karriere. Ich hatte zuvor vier oder fünf Saisons nahezu komplett durchgespielt, dann kam irgendwann der Punkt, an dem sich ein Trainer gegen mich entschieden hat. Der Verein hatte damals andere Pläne für die Zukunft.

Noch im Jahr 2018 wurden Rufe nach Ihrer Nominierung für die Nationalmannschaft laut. Wie erklären Sie sich den extremen Wandel, der dann einsetzte?

Es ist normal, dass vieles hinterfragt wird, wenn es im Verein mal nicht mehr so läuft. Es gab schon früher Menschen, die nicht überzeugt von mir waren. Damit kann ich aber ganz gut und selbstreflektiert umgehen. Ich bin immer hartnäckig geblieben und ernte jetzt die Früchte dafür.

Ich habe den Eindruck, gerne in eine Schublade gesteckt zu werden.

Ralf Fährmann

Dass Sie über eine gute Strafraumbeherrschung verfügen und zu starken Reflexen fähig sind, haben Sie auch in dieser noch jungen Saison schon mehrmals unter Beweis gestellt. Die langen Abschläge hingegen gelten nicht als Ihr Steckenpferd. Wie sehr wurmt es Sie, wenn sie ihr Ziel deutlich verfehlen oder gar im Aus landen?

Ich trainiere hart dafür, dass ich mich auch in diesem Bereich noch verbessere. Andererseits habe ich den Eindruck, dass mich Leute da gerne in eine Schublade stecken. Ich will mich darüber gar nicht beschweren - das gehört zum Leben eines Profitorhüters dazu. Wenn ich mir Statistiken anschaue, kann ich jedenfalls keine Auffälligkeiten bei meinen langen Bällen erkennen. Deshalb verschwende ich keine Gedanken daran, ob ein Ball mal im Aus landen könnte.

Wie sieht es mit kurzen Bällen aus? Unter Dimitrios Grammozis ist das Team angehalten, ruhig und spielerisch von hintenheraus aufzubauen. Sie und Ihre Mitspieler haben es damit schon ein paarmal übertrieben, etwa beim 1:4 in Regensburg. Wie sicher fühlen speziell Sie sich mit dieser Kurzpass-Vorgabe?

Sehr sicher. Mir gefällt das gut und ich finde, dass wir dieser Linie weiter treu bleiben müssen. Andere Mannschaften in dieser Liga sind schlicht eingespielter, wenn es darum geht, lange Bälle zu erobern. Darin wollen wir uns verbessern, unsere Stärke ist aber eher dieses Spielerische. Da wollen wir noch dominanter werden. Ich denke, dass jedoch schon eine Entwicklung zu erkennen ist.

Auch, was das richtige Maß betrifft? Im Zweifel sind Sie als Spieleröffner derjenige, der entscheidet, ob ein kurzer oder langer Ball sinnvoll ist.

Sicher muss man das abwägen. Spielen wir kurz, locken wir den Gegner, wodurch sich größere Räume im Mittelfeld ergeben. Schlagen wir den Ball, ist natürlich alles viel enger. Grundlage ist immer unser Matchplan, an den wir uns natürlich halten.

Seit 2015 war Simon Henzler Ihr Torwarttrainer, auch er musste im Zuge des Schalker XXL-Umbruchs in diesem Sommer seinen Posten räumen. Was bleibt von Ihrer langjährigen Zusammenarbeit?

Simon ist menschlich eine absolute Eins. Man kann sachlich und ruhig mit ihm reden und man vertraut sich ihm gerne an, er kann einen zudem wahnsinnig gut pushen. Auch sportlich steht für mich außer Frage, dass Simon einer der besten Torwarttrainer Deutschlands ist.

Warum?

Er ist enorm wissbegierig und ein absoluter Trainingsmeister. Er verfolgt nicht nur seine Sichtweise, sondern geht auch auf jeden Torwart individuell ein und passt seine Trainingsmethoden stets entsprechend an. Er hat mich seinerzeit zu Bestleistungen getrieben und aus Alex Nübel einen Torhüter geformt, der zum FC Bayern gewechselt ist (aktuell vom Rekordmeister an die AS Monaco ausgeliehen; Anm. d. Red.).

Ralf Fährmann (re.)

"Es geht viel um Taktik": Schalke-Keeper Ralf Fährmann (re.) und der neue Torwarttrainer Wil Coort. imago images/Team 2

Wie handhabt Nachfolger Wil Coort das Training?

Grundsätzlich nimmt er eher die beobachtende Rolle ein und lässt uns Torhüter die Übungen im Verbund ausführen - also beispielsweise, wenn es um Schüsse aufs Tor geht. Er achtet mit etwas Abstand sehr detailliert und analytisch auf die Ausführung, es geht viel um Taktik.

Wie sinnvoll ist das, wenn Torhüterkonkurrenten bei Übungen so stark aufeinander angewiesen sind?

Auch bei Simon haben wir das teilweise so gemacht, viele andere Profiklubs handhaben das ähnlich. Ich finde es nicht verkehrt, wenn man sich in einem Torhüterteam kollegial unterstützt und am Ende der Beste zwischen den Pfosten steht. Ich finde, dass wir auf Schalke nach wie vor ein gutes und harmonisches Torwarttrio bilden, auch in der neuen Konstellation mit Martin Fraisl, der zu Michael Langer und mir hinzugestoßen ist.

Martin Fraisl hatte nach seiner Verpflichtung forsche Töne angeschlagen. Er habe für Schalke, wie er sagte, irrsinnig viele Angebote abgelehnt und sei kein Daumendrücker, der nur fürs Training da ist. Wie kamen diese Worte bei Ihnen an?

Das Wichtigste als Fußballer ist, dass man mit Leistung überzeugt. Wir haben uns jetzt alle näher kennengelernt, und ich glaube, dass Martin seine Rolle bei uns einzuschätzen weiß. Wir brauchen uns alle gegenseitig, um uns weiterzuentwickeln.

Auch in der Vorsaison waren wir ein Team mit guten Charakteren.

Ralf Fährmann über den FC Schalke 04

Wie ausgeprägt ist mittlerweile der Teamgeist der gesamten Mannschaft? Schließlich galt auch das nicht intakte Gefüge als ein Faktor für den Abstieg.

Das wurde in der Außenwahrnehmung so gesehen, in der Tat. Aus meiner Sicht kann ich sagen, dass wir auch in der vergangenen Saison eine Mannschaft mit guten Charakteren waren. Ein sehr gutes Beispiel ist, dass sich auch in dieser Sommervorbereitung keiner hängen ließ, obwohl er wusste, dass er auf Schalke keine Zukunft mehr hat. Amine Harit hat bis zum letzten Tag Vollgas gegeben, Matija Nastasic, Omar Mascarell oder Ozan Kabak und ganz viele andere auch. Unsere Mannschaft hat ihr Gesicht in den vergangenen Wochen gravierend verändert - was man sagen kann, ist, dass sie sehr schnell schon zu einer Einheit zusammengewachsen ist. Ich habe diesen gewissen Teamspirit schnell gespürt. Unsere Jubeltraube nach Simon Teroddes 3:1 gegen Fortuna Düsseldorf hat das sehr deutlich gezeigt.

30 Spieler haben den Verein in diesem Sommer verlassen. Sie sind nicht nur einer der wenigen Übriggebliebenen, sondern haben auch Ihren Vertrag vorzeitig verlängert. Was waren Ihre Beweggründe?

Ich fühle mich wahnsinnig wohl bei Schalke 04, möchte auch die nächsten Jahre meiner Laufbahn hier verbringen und nach der aktiven Zeit in der Region wohnen bleiben. Sie ist zu meiner Heimat geworden. Ich habe noch viel vor mit Schalke, am liebsten würde ich natürlich schnellstmöglich wieder in die Bundesliga aufsteigen. Ich möchte jedoch warnen: Es ist ein steiniger Weg. Es ist nicht so einfach, wie man sich das wünschen würde. Wir müssen unseren Weg konsequent weitergehen.

Ihr neuer Vertrag gilt bis 2025. Wie schätzen Sie das Risiko ein, möglicherweise die Endphase Ihrer Karriere als Reservist verbringen zu müssen? Schließlich war es schon in der jüngeren Vergangenheit mehrmals der Fall, dass Schalke 04 versucht hat, eine neue Nummer 1 zu engagieren.

Ich habe mich mit diesem Gedanken nicht beschäftigt, sondern will im Hier und Jetzt leben und die Zeit genießen. Natürlich ist es mein Ziel, bis zum Ende meines Vertrages zu spielen. Aber man kann im Fußball selten weit vorausblicken, häufig ja noch nicht einmal kurzfristig planen. Unterm Strich ist es ein brutales Tagesgeschäft, in dem die Leistung entscheidet. Ich werde weiter versuchen, mit Leistung zu überzeugen.

Das Interview mit Ralf Fährmann ist ursprünglich in der kicker-Montagsausgabe des 20. September 2021 erschienen - und damit wenige Tage vor der Entscheidung von Schalke-Coach Dimitrios Grammozis, vorerst auf Neuzugang Martin Fraisl zu setzen.

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