Bundesliga

Eine Ikone wird 75: Happy Birthday, "Stepi"

Ein Porträt über den serbisch-hessischen Kulttrainer

Eine Ikone wird 75: Happy Birthday, "Stepi"

Wird am heutigen Mittwoch 75. Jahre alt: Kulttrainer Dragoslav Stepanovic.

Wird am heutigen Mittwoch 75. Jahre alt: Kulttrainer Dragoslav Stepanovic. IMAGO/Sportfoto Rudel

Das wohl einprägsamste Zitat, das man mit Stepanovic, am 30. August 1948 in Rekovac nahe der damaligen jugoslawischen Hauptstadt Belgrad geboren, verbindet, stammt aus dem Jahre 1992. Genauer gesagt vom 16. Mai dieses Jahres: Die Bundesliga ist nach der Wende übergangsweise auf 20 Teams aufgestockt, um den Titel kämpfen der VfB Stuttgart, Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt. Seit April 1991 sitzt Stepanovic bei der SGE auf der Trainerbank - Bernd Hölzenbein, damals Manager bei den Adlerträgern, holte "Stepi", der zuvor sein Geld als Kneipenwirt verdiente, zur Eintracht.

"Fußball 2000", Trauma von Rostock und ein Spruch für die Ewigkeit

Die Hessen befinden sich vor dem 38. und letzten Spieltag auf der Pole Position und können mit einem Sieg beim schwer abstiegsbedrohten FC Hansa Rostock die erste Meisterschaft seit 1959 einfahren. Unter Coach Stepanovic spielen Akteure wie Anthony Yeboah, Andreas Möller oder Uwe Bein einen Fußball wie aus einem anderen Jahrtausend. "Fußball 2000" wird die Spielweise der Adlerträger ehrfurchtsvoll genannt. Mit 76 Treffern stellt die Eintracht zudem die beste Offensive der Liga - ein statistischer Wert, der zum Leidwesen der Hessen letztlich aber nicht viel bringt. Frankfurt verliert im Ostseestadion mit 1:2 und rutscht auf der Zielgeraden von Platz eins auf drei ab. Deutscher Meister wird der VfB Stuttgart, die SGE erlebt das Trauma von Rostock - aber auch eine Sternstunde serbisch-hessischen Kauderwelschs.

Noch heute kommen Leute auf mich zu, die sagen: Wir wissen nicht, wie Sie heißen, aber Sie sind der, der gesagt hat: 'Lebbe geht weider'. Aber ich habe mehr zu bieten.

Dragoslav Stepanovic

Angesprochen auf seinen Gemütszustand ob der entglittenen Meisterschaft, antwortet der Serbe, stets mit markantem Schnauzer und Zigarillo im Mund anzutreffen, trocken: "Lebbe geht weider." Ein Spruch, mit dem "Stepi" auf Ewigkeit verbunden bleiben wird - nicht nur zu dessen Freude. Dem kicker sagt er einst: "Noch heute kommen Leute auf mich zu, die sagen: Wir wissen nicht, wie Sie heißen, aber Sie sind der, der gesagt hat: 'Lebbe geht weider'. Aber ich habe mehr zu bieten."

Vorzeitiger Wechsel gen Leverkusen und die kuriose Pokal-Geschichte

Bei der Eintracht ist dies allerdings nicht mehr der Fall: An die starke Leistung aus der Vorsaison kann Frankfurt 1992/93 nicht mehr anknüpfen, weshalb Stepanovic zunehmend in Kritik gerät und nach einer 0:3-Heimniederlage im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Bayer Leverkusen mit den Worten "Das war's" vor laufenden Kameras seinen sofortigen Rücktritt erklärt. Kurios: "Stepi" hatte bereits zuvor einen Kontrakt für die neue Spielzeit bei Leverkusen unterzeichnet, tritt diese Stelle nun aber bereits Anfang Mai an und holt mit der Werkself kurz darauf gegen Hertha BSC II den DFB-Pokal - obwohl er in dieser Saison ja eigentlich bereits schon ausgeschieden war.

In der Rückrunde der Saison 1995/96 kehrt Stepanovic noch einmal nach Frankfurt zurück, kann den Abstieg in Liga zwei allerdings auch nicht verhindern. Anschließend zieht es den charismatischen Coach zu einer Vielzahl weiterer Klubs: VfB Leipzig, Stuttgarter Kickers, Kickers Offenbach, Rot-Weiß Oberhausen, Shenyang Jinde (China), Zamalek Kairo (Ägypten) oder auch in sein Heimatland zu FK Vojvodina Novi Sad und FK Radnicki Nis.

Ein Traum bleibt dem Zampano vom Main unerfüllt

Stepanovic hat viel gesehen und viel erlebt - wenngleich ihm eines verwehrt geblieben ist: "Ich würde gerne Nationaltrainer werden", nennt "Stepi" seinen großen Wunsch einst im kicker. "Wenn vor meinem Namen irgendwann Nationaltrainer steht, ist mir völlig egal, was dahinter steht." Ob Bosnien, Serbien, Nigeria oder auch Kuwait - überall taucht sein Name auf, engagiert wird er letztlich nie.

Ich würde Helmut Kohl gerne einmal kennenlernen. Der wird genauso oft angefeindet wie ich. Aber da habe ich wohl keine Chance, weil der Bundeskanzler ja schon Berti Vogts adoptiert hat.

Dragoslav Stepanovic

Unter anderem wird ihm 2001 in Kuwait ein gewisser Hans-Hubert Vogts vorgezogen - ein Name, der im Zusammenhang mit Stepanovic ebenfalls schon vorgekommen war: "Ich würde Helmut Kohl gerne einmal kennenlernen", hatte sich der Serbe einst ein Treffen mit dem damaligen deutschen Regierungschef gewünscht. "Der wird genauso oft angefeindet wie ich. Aber da habe ich wohl keine Chance, weil der Bundeskanzler ja schon Berti Vogts adoptiert hat."

Ehrenamtliche Tätigkeit für beeinträchtigte Jugendliche und Flüchtlinge 

Aus dem professionellen Geschäft hat sich Stepanovic mittlerweile zurückgezogen, seine Leidenschaft lebt er als Trainer aber immer noch aus. Als ehrenamtlicher Coach betreute er eine Mannschaft von intellektuell beeinträchtigten Jugendlichen des Landes Hessen und ist Mitglied des "Clubs der Legenden" von Eintracht Frankfurt. Im Jahr 2023 coachte er die deutsche Nationalmannschaft der Geflüchteten beim UEFA Unity Cup in Frankfurt. Allerdings konnte "Stepi" nicht an den Erfolg von 2022 anknüpfen, als das deutsche Team der Geflüchteten den Titel holte. In diesem Sommer dagegen gab es nur einen Sieg - im Platzierungsspiel gegen Österreich (3:1). "Ich bin unzufrieden", sagte Stepanovic und fügte mit einem Lächeln an: "Ich habe sie wahrscheinlich schlecht betreut, weil wir haben ja verloren."

Dieser Text erschien in ähnlicher Form erstmals zum 70. Geburtstag von Dragoslav Stepanovic im Jahr 2018

jer, kög

"Lebbe geht weider": Kulttrainer Dragoslav "Stepi" Stepanovic wird 75