Int. Fußball

Serie A: Die Ehe zwischen Zaniolo und der Roma ist geschieden

Vom "neuen Totti" und Finaltorschützen zur Randfigur

Eine alte Hoffnung: Die sportliche Ehe zwischen Zaniolo und der Roma ist geschieden

Wird das Roma-Trikot nicht mehr überstreifen - und von den AS-Fans nicht mehr bejubelt: Nicolo Zaniolo.

Wird das Roma-Trikot nicht mehr überstreifen - und von den AS-Fans nicht mehr bejubelt: Nicolo Zaniolo. IMAGO/Gribaudi/ImagePhoto

Natürlich, ein Vergleich mit Roma-Legende Francesco Totti verbittet sich. Schließlich hat der in Rom geborene und seiner Stadt sowie den Giallorossi in seiner Profikarriere zwischen 1993 und 2017 immer treugebliebene "El Capitano" die bis heute letzte italienische Meisterschaft 2000/01 eingebracht. Und dennoch ist der im toskanischen Massa auf die Welt gekommene Nicolo Zaniolo nach seiner Ankunft in Rom 2018 - zuvor ausgebildet bei Inter Mailand - so etwas wie ein "totti-eskes" Versprechen für die Zukunft gewesen.

Anfang Februar 2019 nämlich schießt der offensive Mittelfeldmann im Achtelfinale der Champions League im altehrwürdigen Olimpico einen Doppelpack beim 2:1 gegen den FC Porto - und sagt hinterher: "Das ist eine unglaubliche Nacht, ich bin sprachlos. Vor der Curva zu feiern, ist ein außergewöhnliches Gefühl, das ich nicht beschreiben kann. Ich habe wirklich hart gearbeitet und bin sehr glücklich, dem Team mit meinen Toren geholfen zu haben - und ich werde zusehen, noch viele weitere Tore vor der Curva erzielen zu können."

Ein Wunsch und ein Versprechen, das sich anschließend tatsächlich erfüllt hat: Denn aus dem damaligen Top-Talent mit Instagram-Mama, das im Übrigen sein erstes Punktspiel in der Serie A am 26. September 2018 beim 4:0 gegen Frosinone Calcio absolviert, reift über die folgenden Monate und Jahre ein gestandener AS-Stammspieler und Publikumsliebling heran.

Roma-Liebe? "Das ist das, was ich wollte"

Freilich kann Zaniolo hier niemals an die Zahlen von Totti (786 Pflichtspiele, 307 Treffer) heranreichen - auch weil laut seiner Aussage ein Fluch in Form von zwei Kreuzbandrissen binnen kurzer Zeit inklusive verpasster EM 2020 dazwischen kommt -, doch: Der Techniker verankert sich im Team der Hauptstädter. Auch mit seinem Entschluss, im Sommer 2019 seinen Vertrag bis 2023 zu verlängern.

Das ehemalige Schnäppchen (nur 4,5 Millionen Euro Ablöse an Inter Mailand) garniert diese Liebe zwischen Spieler und Verein noch mit folgender Aussage: "Vor einem Jahr war es eine einfache Entscheidung für mich, zur Roma zu wechseln - umso leichter war die Entscheidung heute für mich nach einer Saison, in der ich mich in dieses Trikot und in diese Stadt verliebt habe. Ich möchte dem Klub danken, dass ich dieses Band zu diesen Farben noch stärker knüpfen kann. Das ist das, was ich wollte."

24 Tore und 18 Vorlagen sowie viele, viele wichtige vorletzte Pässe in 128 Pflichtspielen können sich ebenso sehen lassen in seiner Vita wie das entscheidende Tor im Finale der Europa Conference League 2022 (1:0 gegen Feyenoord Rotterdam). Damals wurde der römische Traditionsklub längst schon von "The Special One" José Mourinho trainiert, der voll auf die Künste Zaniolos setzt. Nach 61 Jahren hat der stolze Klub hier endlich wieder einen internationalen Titel errungen - und besingt zu recht eben auch Aushängeschild Zaniolo.

Nicolo Zaniolo

Noch nicht so alt, aber doch irgendwie ewig her: Nicolo Zaniolo lässt sich von den Roma-Fans feiern. imago/Insidefoto

Raus aus dem Kader, Krankschreibung und ein Flug nach Istanbul

Das Lied sollte aber schnell verstummen. Verhandlungen bezüglich einer langfristigen Vertragsverlängerung stocken immer wieder - und nach der Verpflichtung des bombastisch von tausenden Romanisti empfangenen Hoffnungsträgers Paulo Dybala, dessen Zusammenspiel mit Zaniolo nach gutem Start schnell nicht mehr klappt, stimmt auch Mourinho missliche Töne an. Der portugiesische Coach erklärt Ende Januar: "Er hat mir, dem Verein und seinen Mannschaftskameraden gesagt, dass er nicht mehr für die Roma spielen will. Er sagte, er wolle nicht zurückkommen und mit der Mannschaft spielen, er wolle nicht mit der Mannschaft trainieren. Und wenn ein Spieler das Roma-Trikot nicht mehr tragen möchte, dann muss ich das akzeptieren - und nur noch auf die Spieler schauen, die da sind."

So hat "Mou" den italienischen Nationalspieler auch aufgrund von dessen eigenem Wunsch nicht mal mehr in den Kader genommen, während dieser schon in Richtung Premier League blickt und von den Roma-Fans bei seinen letzten Einsätzen ausgepfiffen und hernach sogar bedroht worden ist. Eine Krankschreibung ist eine weitere Folge, sodass der Profi nicht mal mehr auf dem Gelände erscheint.

Hintergrund: Zaniolo soll für einen neuen Vertrag horrende Gehaltssummen gefordert haben, die der Klub aber nicht bereit gewesen war, zu erfüllen. Letztlich hat sich der Mittelfeldmann mit seinem Beraterstab allerdings wohl verkalkuliert, da ein Deal mit dem interessierten Top-Klub Tottenham Hotspur nicht klappt (Rom verharrt auf einer hohen Ablösesumme) und der Akteur einen Transfer zum kleineren Verein AFC Bournemouth absagt. So läuft die Transferfrist ab, Zaniolo verharrt kurz in La Spezia nahe seines Heimatorts, meldet sich zu Wort ("In den letzten Wochen wurden viele Dinge gesagt und geschrieben, die nicht wahr sind") und hat am Ende nur noch die Türkei als Option.

Vertrag bis 2027 - und ein kalter Abschied

Diese Option wird letztlich angenommen: Der heute 23-Jährige fliegt im Privatjet nach Istanbul, unterschreibt beim aktuellen Tabellenführer bis 30. Juni 2027 - und dieser entrichtet den Römern dem Vernehmen nach 15 Millionen Euro (elf Mio. als Boni möglich).

Aus dem Roma-Wunschdenken, eine Art "neuen Totti" an Land gezogen zu haben, wird also einige Jahre nach dem Start eine große Enttäuschung. Oder in Zaniolos Worten Anfang 2019: "Ein Vergleich zwischen mir und ihm ist nicht möglich." Jetzt, nach der zu Ende gegangenen Roma-Treue samt seines Wechsels zu Istanbuls Topklub Galatasaray um weitere Ex-Serie-A-Spieler wie Mauro Icardi (29) und Dries Mertens (35), sowieso nicht mehr, was auch die beiden Abschiede verdeutlichen.

Haben die Giallorossi ihrer Legende am 17. Juli 2017 ein denkwürdiges Ciao bereitet (Totti: "Ich habe den ganzen Tag geweint"), steht seit dem späten Mittwochabend auf Twitter nur: "Offiziell: Nicolo Zaniolo ist zu Galatasaray verkauft worden." Kein Video mit Highlights, kein "Grazie", kein "Alles Gute". Das sagt im Grunde alles über die längst erkaltete Roma-Liebe zum einst schillernden Hoffnungsträger ...

mag

Viel los bei den Blues: Die internationalen Top-Transfers des Winters