3. Liga

Duell in Krisenzeiten: Wenn der 1. FC Magdeburg den FCK empfängt

Ehemalige Titelträger und Europapokalteilnehmer treffen aufeinander

Duell in Krisenzeiten: Wie sich Magdeburg und Kaiserslautern gegen den Abstieg stemmen

Kaiserslauterns Trainer Marco Antwerpen (li.) und Magdeburgs Coach Christian Titz kämpfen mit ihren Mannschaften um den Klassenerhalt - am Samstag im direkten Duell.

Kaiserslauterns Trainer Marco Antwerpen (li.) und Magdeburgs Coach Christian Titz kämpfen mit ihren Mannschaften um den Klassenerhalt - am Samstag im direkten Duell. imago images

Mit dem Wind hatte Jurgen Gjasula wohl nicht gerechnet. Den Ball hatte er sich in der Nachspielzeit des Drittliga-Spiels zwischen dem FC Bayern II und seines 1. FC Magdeburg gerade zurechtgelegt, da fegte eine kräftige Böe durch das kleine Stadion am Münchner Campus und den Ball vom Elfmeterpunkt. Ein zweites Mal musste Gjasula also zur Tat schreiten, die Kugel sorgsam auf den Kreidepunkt legen. Wenige Momente schoss er den Ball ins Tor - 2:0 für den FCM, allen Widerständen zum Trotz.

Wer möchte, kann darin ein kleines Sinnbild erkennen, ein Ausdruck der gegenwärtigen Lage des FCM, der sich durch den verdienten Erfolg bei der Reserve des Rekordmeisters kurzzeitig aus der Abstiegszone herausgearbeitet hat. Gerade rechtzeitig vor dem wohl wegweisenden Kellerduell mit dem 1. FC Kaiserslautern. Weil der KFC Uerdingen im Nachholspiel am Mittwoch gewann, rutschte der FCM zwar wieder unter den Strich. Doch der grundsätzliche Trend stimmt.

Drei Spiele in Folge sind die Elbestädter ungeschlagen und vielleicht ist es diesmal der FCM, der diese eine Serie startet, mit der sich in den vergangenen Jahren immer wieder eine Mannschaft gegen Saisonende aus dem Tabellenkeller der 3. Liga herausgearbeitet hat.

Etwas Anlauf war dafür nötig, nachdem der glücklose Thomas Hoßmang zurückgetreten und schließlich Christian Titz zu seinem Nachfolger bestimmt worden war. Drei Niederlagen zum Auftakt kassierte der neue Coach. Dann folgte ein 4:2 bei Viktoria Köln, ein 1:1 gegen Mannheim und nun der siebte Saisonsieg.

Christian Titz

"Komplett als Einheit und Team" auftreten will Christian Titz (M.). Getty Images

Der Schlüssel zum Erfolg ist die Tatsache, "dass wir hier komplett als Einheit und Team auftreten. Damit meine ich nicht nur die Spieler, die auf dem Platz stehen", sagt Titz. Explizit bezieht er dabei das Umfeld, die Fans ein. "Das ist ganz, ganz wichtig, wenn du im Abstiegskampf stehst." Wie überall dürfen die Zuschauer nicht ins Stadion, sie bereiteten ihrer Mannschaft dafür einen euphorischen Empfang bei der Rückkehr aus München.

In Kaiserslautern bleibt nichts unversucht, aber wo ist die Aufbruchstimmung?

Ähnliches hatte sich vor rund einem Monat auch in Kaiserslautern abgespielt. Die Freude über den Derbysieg in Mannheim platzte derart aus dem leidgeprüften, jedoch treuen Anhang heraus, dass es einige bei den Feierlichkeiten mit der heimgekehrten Mannschaft vorübergehend nicht ganz so genau mit den Corona-Abstandsregeln nahmen. Die daraus folgende öffentliche Debatte, die auch den Verein zu zwei Stellungnahmen veranlasste und eine Geldstrafe nach sich zog, ebbte schnell ab. Spätestens als sich die sportliche Misere fortsetzte, als sei nichts gewesen.

Zu feiern gibt es seitdem nichts mehr. Der Spätwinter scheint den Betzenberg diesmal noch etwas rauer im Griff zu haben. Gerade erst haben die Verantwortlichen den Klub dank regionaler Investoren nach dem erfolgreich durchlaufenen Insolvenzverfahren auf halbwegs stabile Füße gestellt. Von Aufbruchstimmung aber keine Spur. Während viel Kraft in die wirtschaftliche Sanierung gesteckt wurde, spitzte sich der sportliche Niedergang erbarmungslos zu.

Elias Huth

"Wir machen alles für die Mannschaft", sagt Marco Antwerpen. Doch Elias Huth und Co. stecken weiter tief im Abstiegskampf. Getty Images

Nur vier Siege - die Mannschaft der Roten Teufel steht mal wieder in der Pflicht

Zumindest will man in diesen Wochen nichts unversucht lassen, um die Wende herbeizuführen. Der Rasen im Fritz-Walter-Stadion wurde ausgetauscht. Mit Marvin Pourié kommandierte Marco Antwerpen den internen Toptorschützen (7) zum Sondertraining ab, dem FCK-Trainer missfielen Fitness und Einstellung. Und kürzlich musste auch noch Athletiktrainer Bastian Becker seinen Hut nehmen. Antwerpens Vorgänger Jeff Saibene hatte zwar noch vor Kurzem den Zustand der Mannschaft gelobt, nun war plötzlich von "Optimierungsbedarf" die Rede. "Signale aussenden" will Antwerpen, so dass "wir im Team besser zusammenarbeiten". Was bleibt, ist vor allem das Bekenntnis: "Wir machen alles für die Mannschaft."

Die steht längst in der Pflicht. Magere vier Siege verbuchte holte sie in 28 Spielen - normalerweise keine Bilanz, mit der der Klassenerhalt im Bereich des Möglichen ist. Weil auf der anderen Seite aber auch "nur" neun Niederlagen stehen und damit 14 Remis, darf der viermalige Meister noch hoffen. Der Plan geht ungefähr so: "Das Erfolgserlebnis erzwingen", wie Antwerpen sagt, die nun anstehenden direkten Duelle gegen Magdeburg, Unterhaching, Lübeck und Duisburg gewinnen, um dann die bereits angelaufenen Planungen für das Schreckensszenario Regionalliga, in der wohl vorerst kein Fußball im teuren WM-Stadion gespielt werden könnte, wieder ganz schnell in die Schublade verschwinden zu lassen. Geht die Rechnung auf?

An der Elbe scheinen sie einen Schritt weiter, doch Titz sieht nur eine kleine Etappe bewältigt

In Magdeburg scheinen sie einen Schritt weiter zu sein. "Es war klar, dass wir uns von Woche zu Woche stabilisieren und steigern werden", sagt Titz über den Formanstieg. Der 49-Jährige verordnete seinem Team mitten im Abstiegskampf eine mutigere Spielweise, beorderte Routinier Gjasula, der unter seinem Vorgänger aussortiert worden war, nach zehneinhalb Wochen Pause zurück auf den Platz. Dafür spielt der ehemalige Kapitän Christian Beck kaum noch eine Rolle (zuletzt zweimal nicht im Kader). Es stehen jetzt andere in der Pflicht. Winter-Neuzugang Baris Atik zum Beispiel, der in München das 1:0 erzielte und hinterher geradezu von Titz schwärmte: "Wie professionell er arbeitet, was er für einen Plan hat, was für eine Idee - das habe ich selten gesehen, auch in der 2. Liga nicht." - "Die Mannschaft war sehr fokussiert und lernwillig", spielt Titz das Lob indirekt zurück, der aber "eine kleine Etappe" auf dem Weg zum Klassenerhalt erfüllt sieht.

Beide Klubs lagen jeweils weniger als 400 Minuten in Führung

Dass auch Antwerpen, der in Magdeburg eine Rot-Sperre verbüßt und damit nicht an der Seitenlinie stehen wird, den Abstiegskampf zur Kopfsache erklärt hat, liegt auf der Hand. Verkrampfung wird befürchtet, zugleich die Befreiung herbeigesehnt. Erfolgsgefühle sind bei den Roten Teufel in dieser Saison sowieso rar gesät. Gerade einmal 381 Minuten lag der FCK zusammengerechnet in Führung. Unterboten wird dieser Wert nur von Magdeburg. Die Elbestädter kommen auf 356 Minuten.

Magdeburg gegen Kaierslautern: Traditionsduell in Krisenzeiten

Und auch sonst eint beide Traditionsklubs so manch miese Statistik. 26 Tore schoss der FCK, der mit dem KFC Uerdingen die schwächste Drittliga-Offensive stellt. Nur ein Treffer mehr erzielte der FCM. Eine gnadenlose Standardschwäche bereitet beiden Trainer Kopfschmerzen, in der Heimtabelle steht Lautern (ein Sieg, zwölf Punkte) auf dem drittletzten, Magdeburg (zwei Siege, zehn Punkte) auf dem letzten Rang. Die Liste lässt sich lange fortsetzen.

Und doch - oder eher deshalb? - warnt Titz vor Kaiserslautern: "Wir treffen auf eine Mannschaft, die zwar tabellarisch hinter uns steht, die aber eine hohe Qualität in ihren Reihen hat. Wenn man ihre letzten Spiele sieht, hätten die auch anders ausgehen können." Entsprechende Konzentration ist gefragt - vielleicht ja auch wieder vom Elfmeterpunkt, wie in München?

In dieser Hinsicht steht der FCM immerhin nicht ganz so schlecht da. Drei Elfmeter bekam Magdeburg, alle drei waren drin. Der FCK bekam nur zwei - und verwandelte einen.

Frederik Paulus