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Handball-EM: Die weiße Wand hat Berlin fest in ihrer Hand

Färöer und ihre Fans legen beeindruckende EM-Premiere hin

Die weiße Wand hat Berlin fest in ihrer Hand

Spätestens nach Abpfiff gab es am Samstagabend kein Halten me: Die Fans der Färöer Inseln begeistern in Berlin.

Spätestens nach Abpfiff gab es am Samstagabend kein Halten me: Die Fans der Färöer Inseln begeistern in Berlin. Sascha Klahn

Aus Berlin berichtet Maximilian Schmidt

Das zweite EM-Spiel in der noch jungen Handball-Geschichte der Färöer setzte dem Wahnsinn in Berlin die Krone auf. Dem Mitfavoriten Norwegen mit leidenschaftlichem Kampf einen Punkt abgetrotzt. Gefeiert hätten diese besonderen Fans aber selbst bei einer Niederlage. Und egal wie hoch die Pleite ausgefallen wäre, die mitgereisten Anhänger der Färinger hätten ihr Team noch minutenlang beklatscht. So wie sie es während der gesamten 60 Minuten tun. Und schon weit davor. Und noch einmal beim Gang in die Kabine.

Bereits bei der EM-Premiere in Berlin hatten die Färöer nachhaltig Eindruck hinterlassen. Weil sich das talentierte Team vom dänischen Nationaltrainer Peter Bredsdorff-Larsen angeführt von Bundesliga-Juwelen leidenschaftlich und aufopferungsvoll gegen Favorit Slowenien (29:32) stemmte. Vor allem aber blieben die Fan-Bilder aus der Mercedes-Benz Arena im Kopf hängen.

EM-Gruppe D - 2. Spieltag

Eine Kurve der Arena war komplett in die weißen Nationaltrikots gehüllt. Große Blockfahnen, kleine Fahnen zum Schwenken, Bemalungen im Gesicht. Die Fans der Färinger wollten, dass man sie erkennt. Mit ihrer Performance rund um die Spiele gegen Slowenien und Norwegen haben sie dafür gesorgt, dass sie keiner so schnell mehr vergisst.

Für den ersten Gänsehaut-Moment sorgten die Färöer-Anhänger, als sie auch am Samstagabend den von der EHF vor den Spielen intonierten Fan-Song - für jede Nation individuell - inbrünstig mitsangen. Als die Mannschaft um das Kieler Top-Talent Elias Ellefsen a Skipagötu und Füchse-Linkshänder Hakun West av Teigum (beide 21 Jahre jung) einzeln in die Halle gerufen wurde, wurde jeder Spieler wie ein Popstar empfangen. Ellefsen a Skipagötu wäre in diesem Beispiel Freddie Mercury gewesen, so tosend war der Empfang für ihn.

"Jetzt schon eine der besten Geschichten der Heim-EM"

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Das Publikum der Färöer ist wohl am ehesten mit dem englischen Fußball-Publikum zu vergleichen. Praktisch jede Aktion im Spiel wird begleitet. Wirft die eigene Mannschaft ein Tor, springt gefühlt jeder aus seiner Sitzschale, reißt die Arme in die Höhe, jubelt, klatscht. Werden Entscheidungen gegen die eigene Mannschaft von den Schiedsrichtern gefällt, durchzieht die Arena ein für den Handball untypisches Buhen, das auch auf der Presse-Tribüne für reichlich Schmunzeln sorgt. 

Die Leidenschaft der Fans transportiert sich aufs Feld und von dort zurück - die perfekte Symbiose. Zwischendrin immer wieder Schlachtrufe aus tausenden Kehlen. Die Art und Weise, wie Lieder und Gesänge intoniert werden, zeigt, dass musikalische Bildung auf den Färöer offenbar ganz einfach dazugehört.

Knapp zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung mit in Berlin

Doch wie viele Fans brachten die Färöer eigentlich genau mit zu ihrer EM-Premiere? Sagenhafte 6500 Tickets gingen an die Fans der Färinger. Zur Einordnung: Die Population bemisst sich Stand Januar 2024 auf rund 53.400 Einwohner. Knapp zwölf Prozent verließen demnach ihr einzigartiges Heimatland, um die Handballer in Berlin zu unterstützen. Bei der Anzahl der internationalen Ticketkäufe lag mit Dänemark nur einer der Turnierfavoriten vor den Färingern.

Ein besonderer Gänsehaut-Moment waren fraglos die Nationalhymnen. Ja, Plural. Denn nachdem die Färinger ihre eigene Hymne enthusiastisch zum Besten gegeben hatten, stiegen sie plötzlich auch bei der norwegischen Hymne voll mit ein. Gefolgt von tosendem Applaus für den Gegner. Dann wurde in den "Sportmodus" gestellt und Norwegen war wieder der "Feind".

"Das war das beste Publikum, das ich je gesehen oder gehört habe"

Norwegens Spielmacher Christian O'Sullivan vom SC Magdeburg machte keinen Hehl daraus, wie er den Support der Färöer-Fans wahrnahm: "Das war wirklich top. Es hat Spaß gemacht, hier zu spielen. Egal ob die Fans für uns oder den Gegner waren, das war einfach geil. Das wollen wir im Handball doch haben."

Ellefsen a Skipagötu wollte da keineswegs widersprechen. "Unsere Fans sind unglaublich. Ohne sie wäre das alles nicht möglich", stellte der Superstar des auf dem Papier krassen Außenseiters der Gruppe D klar: "Ihnen gebührt ein großes Dankeschön dafür, was sie uns in den vergangenen Tagen alles gegeben haben."

Unsere Fans haben schon eine Medaille gewonnen.

Peter Bredsdorff-Larsen

Coach Bredsdorff-Larsen gestand, dass er sich "keine besseren Fans vorstellen" kann. Das Sonderlob des Dänen klang wie folgt: "Wir hatten uns bei der EM schon gegen Slowenien bewiesen, aber unsere Fans haben da und vor allem heute schon eine Medaille gewonnen." Füchse-Linkshänder West av Teigum fügte überwältigt an: "Das war das beste Publikum, das ich je gesehen oder gehört habe."

Um den Fans einen Sieg zu schenken, bleibt am Montag (18 Uhr, LIVE! bei kicker) noch eine dritte Chance. Für ihre leidenschaftlichen Auftritte - auf und neben dem Feld - wäre es den Färingern zu gönnen. Und angesichts der eigenen Auftritte sowie der enttäuschenden der bereits ausgeschiedenen Polen wäre es wahrlich keine sportliche Überraschung mehr.

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