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Schweers vor EM-Halbfinale: "Stimmung bei wirkt nicht ehrlich"

Kolumne von Verena Schweers

"Die Stimmung im französischen Team wirkt auf mich nicht ehrlich"

"Keine funktionierende Mannschaft": Verena Schweers spricht über die Französinnen.

"Keine funktionierende Mannschaft": Verena Schweers spricht über die Französinnen. IMAGO/Sportimage

Liebe Fußballfreunde, wer spielt am Sonntag im stimmungsvollen Wembley-Stadion um den Titel Europas? Die Engländerinnen setzten sich im ersten Halbfinale gegen Schweden durch, es war ein weiteres emotionales Highlight der Lionesses im eigenen Land. Heute Abend kommt es dann zum Duell unserer deutschen Mannschaft gegen Frankreich - ein Duell auf Augenhöhe um den Finaleinzug?

Vor dem Turnier konnte nicht seriös vorhergesehen werden, wo unser Team steht. Jetzt sind die DFB-Mädels verdient im Halbfinale. Sie spielen seit dem ersten Spiel Power-Fußball, attackieren ihre Gegnerinnen früh und zwingen sie so zu Fehlern. Nach einem harten Kampf konnten sie auch die Österreicherinnen mit 2:0 bezwingen. Spielerisch fehlte etwas die Leichtigkeit, erstmals geriet Deutschland unter Druck und hatte nach dreimal Aluminium auch etwas Glück.

Aber wieder war es Lina Magull, die mit ihrem wichtigen Treffer zum 1:0 die Marschroute der Mannschaft vorgab, vorausgegangen war ein starker Ballgewinn von Klara Bühl. Top-Stürmerin Alexandra Popp vollendete mit ihrem vierten Treffer im vierten Spiel, und das bei ihrer ersten Europameisterschaft zum 2:0, auch sie jagte Manuela Zinsberger gekonnt den Ball ab. Jetzt warten die Französinnen, die zum ersten Mal ein Halbfinale bei einer Europameisterschaft erreichen konnten. Die Equipe gewann durch einen Foulelfmeter gegen die Titelverteidiger aus den Niederlanden, war aber auch über die gesamten 120 Minuten feldüberlegen und steht verdient im Halbfinale.

Wer ist der Gegner der deutschen Mannschaft?

Das Team von Trainerin Corinne Diacre besticht vor allem durch ihre Individualistinnen. Speziell in der Offensive ist Frankreich stark besetzt und schwer ausrechenbar. Mit Kapitänin Wendie Renard haben sie bei Standards eine absolute Stärke. Dazu sind sie physisch immer bereit, haben robuste und schnelle Spielerinnen in ihren Reihen.

In der Defensive aber sind sie verwundbar, weil sie teilweise lethargisch agieren. Dem Spiel der Französinnen fehlt oft die Power, die vor allem unsere Mädels auszeichnet. Dazu haben sie ihre beste Stürmerin bereits früh im Turnier verloren. Marie-Antoinette Katoto zog sich im Vorrundenspiel gegen Belgien einen Kreuzbandriss zu und fehlt ihrem Team als durchsetzungsfähige Wandspielerin und Knipserin.

Was ist auffällig?

Vorschau

Vor dem Turnier verzichtete Diacre auf erfahrene und wichtige Spielerinnen wie zum Beispiel Eugenie Le Sommer oder Amandine Henry. Das Verhältnis zwischen Team und Trainerin ist zudem sehr angespannt. Diacre wirkt an der Seitenlinie immer streng und kühl. Die Stimmung im französischen Team wirkt auf mich nicht ehrlich und wird teilweise künstlich hergestellt. Das Team ist zudem sehr jung und oft unerfahren. Diacre lässt die oben genannten Spielerinnen zu Hause, um Diskussionen im Team eventuell aus dem Weg zu gehen.

Auf was muss das DFB-Team achten?

Wie beschrieben, agiert Frankreich individuell stark, ist aber keine funktionierende Mannschaft, die sich gegenseitig immer unterstützt und füreinander durchs Feuer geht. Das kann unsere Chance sein, wenn Deutschland den Matchplan umsetzt und wieder sein aggressives, pressing-orientiertes Spiel aufzieht. Ich kenne es selbst aus vielen Duellen mit Frankreich oder französischen Mannschaften: Wenn es für sie nicht läuft, brechen sie oft auseinander und finden nicht mehr in ihr gewohntes Spiel zurück.

 

Wenn es aber bei ihnen läuft, spielen sie sehr selbstbewusst, teilweise fast arrogant, lassen Ball und Gegner laufen. Darauf muss das Team von Martina Voss-Tecklenburg vorbereitet sein, defensiv gut stehen und die starken Angriffe als Team klären. Die Null steht beim deutschen Team auch nach vier Spielen, eine herausragende Leistung der Abwehr um Hendrich & Hegering.

Ich habe vor der EM Deutschland auf das Halbfinale getippt. Dass die Mannschaft mich mit dem ersten Gruppenspiel vollends überzeugt und derart mitzieht, hätte ich allerdings nicht erwartet. Leidenschaftliches Pressing, Offensiv-Power, ein tolles Team-Gefüge und eine gute Stimmung sprechen für sich und machen uns, aus meiner Sicht, zum leichten Favoriten gegen Frankreich.

Ein Finale zwischen Deutschland und England wäre die Krönung.

Verena Schweers

Und im Finale würde mein Turnierfavorit England dann auf unsere Mannschaft im Wembley-Stadion warten. Der Gastgeber hat sich auch von Schweden nicht aufhalten lassen und der immer weiter steigenden Erwartungshaltung und dem damit verbundenen Druck getrotzt.

Ein Finale zwischen Deutschland und Gastgeber England am Sonntagabend in Wembley wäre aus meiner Sicht die Krönung für dieses jetzt schon herausragende Turnier und würde die beiden mit Abstand besten Mannschaften um den Titel kämpfen lassen.

Verena Schweers hat in der Bundesliga für den SC Freiburg und die Top-Klubs VfL Wolfsburg und Bayern München gespielt. Unter anderem gewann sie je zweimal die Champions League und die deutsche Meisterschaft. Die Verteidigerin absolvierte zudem 47 Länderspiele für die DFB-Auswahl. Im Sommer 2020 beendete sie ihre aktive Laufbahn.

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  • Ab sofort beleuchtet Verena Schweers regelmäßig für den kicker den Frauenfußball und speziell die Lage in der Bundesliga.
  • Die ehemalige Nationalspielerin hat in der Bundesliga für den SC Freiburg und die Top-Klubs VfL Wolfsburg und Bayern München gespielt. Unter anderem gewann sie je zweimal die Champions League und die deutsche Meisterschaft.