Bundesliga

Die Schulddebatte ist eröffnet: Kahn und Salihamidzic im Fokus

Bayerns Ehrenpräsident und der Aufsichtsrat werden entscheiden

Die Schulddebatte ist eröffnet: Kahn und Salihamidzic im Fokus

Bayerns Vorstandsboss Oliver Kahn (li.) und Sportvorstand Hasan Salihamidzic stehen in der Kritik.

Bayerns Vorstandsboss Oliver Kahn (li.) und Sportvorstand Hasan Salihamidzic stehen in der Kritik. IMAGO/Revierfoto

Schlimmer konnte es kaum kommen: Mit der 1:3-Niederlage in Mainz ist die Tabellenführung weg, und der FC Bayern hat sein Titelglück nicht mehr in eigener Hand. Bei nur noch fünf ausstehenden Partien. Auf dieses Restprogramm richtet sich jetzt einzig und allein der Fokus. Was danach passiert, ist unklar. Personalkonsequenzen sind nicht auszuschließen, eher wahrscheinlich. Denn in einer solchen Situation befand sich der deutsche Rekordchampion lange nicht mehr. Der Klub bröckelt, sportlich wie politisch ist er kurz vor dem Zusammenbruch. Und die Gründe dafür sind vielfältig.

Mit dem Aus von Julian Nagelsmann, der zu viele Baustellen auf und neben dem Platz verursacht hatte, wurde eine erste Maßnahme ergriffen. Daher war die Entscheidung, Thomas Tuchel als neuen Cheftrainer und starken Mann zu installieren, absolut nachvollziehbar - sie kam nur zu spät. Nach drei Wochen des Wirkens von Tuchel müssen die Bayern-Bosse nämlich feststellen, dass mit dem Trainerwechsel allein doch nicht alle Probleme gelöst sind. Aus im DFB-Pokal, Aus in der Champions League, Platz 2 in der Liga. Ein Trend, der München in einen Schockzustand versetzt und die Suche nach den Schuldigen eröffnet.

Kahn stellt sich der Kritik - für die sportliche Abteilung aber sind Salihamidzic und Neppe verantwortlich

Oliver Kahn, der CEO, geriet einseitig kampagnenartig ins Zentrum der Kritik. "Mit Kritik habe ich kein Problem", sagt der Vorstandsboss: "Ich nehme sie sehr, sehr gerne an. Ich habe in meiner Karriere vieles erlebt, ich weiß, was es bedeutet, wenn es nicht gut läuft beim FC Bayern München. Von mir aus: Verantwortung. Verantwortung tragen wir alle. Damit muss man jetzt umgehen, aber trotzdem werde ich hier keinen Millimeter nachgeben, auch nicht in dieser Saison."

Sehr fraglich, warum Hasan Salihamidzic, der Sportvorstand, Stand jetzt, nicht mindestens genauso hinterfragt wird. Während Kahn unter anderem für die Internationalisierung, Kommunikation und Strategie verantwortlich ist, fällt die sportliche Abteilung in den Bereich des Sportvorstandes und seines Technischen Direktors Marco Neppe.

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Salihamidzic, der bis Sommer 2021 unter dem Schutzmantel von Uli Hoeneß und der Kompetenz von Karl-Heinz Rummenigge agierte, stimmt sich gewiss mit Kahn bei den Entscheidungen ab, er war aber die führende Kraft, nach seinem Zwist mit Hansi Flick, dass Nagelsmann 2021 als neuer Coach installiert und mit einem Fünfjahresvertrag ausgestattet wurde. Zudem ist er zuständig für die Kaderplanung, ebenso für das Binnenklima der Mannschaft. Unter seiner schwachen Führung kamen all die Schwierigkeiten zwischen Ex-Coach Nagelsmann und den Profis erst auf.

Mané-Transfer diente vor allem der Vertragsverlängerung von Salihamidzic

Darüber hinaus hat Salihamidzic, dem manche Spieler in Gesprächen nicht mehr uneingeschränkt vertrauen, das Team zusammengestellt und sich für diese Mannschaft feiern lassen. Sadio Mané mutiert mehr und mehr zu einem Showtransfer, der einzig dem im vergangenen Sommer intern in der Kritk stehenden Salihamidzic diente, Argumente für seine Vertragsverlängerung zu sammeln. Auch von den anderen Neuzugängen, abgesehen von Matthijs de Ligt, funktioniert keiner.

Hinzu kommt, und das ist noch entscheidender: Salihamidzic hat es in den vergangenen Jahren nicht geschafft, die Lücken der abgewanderten Leistungsträger und Führungsspieler wie Robert Lewandowski, Thiago, Jerome Boateng und David Alaba zu füllen. Der Österreicher war ohnehin ein besonderer Fall: Er wollte aufgrund des exorbitanten Gehalts von Lucas Hernandez (rund 24 Millionen Euro) bei einer Vertragsverlängerung eine finanzielle Anpassung. Diese waren die Bayern jedoch nicht bereit zu zahlen.

Der Abschied von Alaba kam Salihamidzic nicht ungelegen, brauchte er doch Platz in der Innenverteidigung, damit Hernandez auf Spielzeit kommt. Sonst wäre dieser 80-Millionen-Euro-Transfer schwer zu rechtfertigen gewesen.

Darum kann Kahn Salihamidzic nicht entlassen

Intern gibt es Zweifel, ob der Sportvorstand dem FCB gewachsen ist; beziehungsweise häufen sich die Meinungen, dass der deutsche Rekordmeister für ihn eine Nummer zu groß sei. CEO Kahn, der momentan alles und jeden hinterfragt, hat jedenfalls keine Entscheidungsgewalt über seine Vorstandskollegen. Dafür zuständig ist - laut Satzung des FC Bayern und deutschem Aktiengesetz - der Aufsichtsrat.

Hoeneß ist der starke Mann - und am 22. Mai die nächste Aufsichtsratssitzung

Das Kontrollgremium hingegen, das im Quartalsturnus und nächstes Mal am 22. Mai tagt, wird bei diesem Treffen über die Saison und die Personalien in der Führungsetage debattieren. Chef dieses Organs ist Präsident Herbert Hainer. Seine Einschätzung hat in den vergangenen Wochen und Monaten etwas an Gewicht verloren. Heißt: Uli Hoeneß, als Aufsichtsratsmitglied, bleibt der starke Mann dieses neunköpfigen Gremiums. Der Ehrenpräsident weiß, dass er die aktuelle Führung, also seine und Karl-Heinz Rummenigges Nachfolger, ausgesucht hat. Gut möglich, dass auch er es sein wird, der seine Wahl von einst korrigiert.

Georg Holzner

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