Bundesliga

Borussia Dortmund: Die erstaunliche Entwicklung des Emre Can

Verkaufskandidat, Leistungsträger - Kapitän?

Die erstaunliche Entwicklung des Emre Can

Zur Führungspersönlichkeit gereift: Emre Can.

Zur Führungspersönlichkeit gereift: Emre Can. IMAGO/Jan Huebner

Es war einer dieser lauen Abende, die Marbella auch im europäischen Winter zu bieten hat. Im Grand Café Cappuccino an der Ufer-Promenade des spanischen Touristenörtchens, genau unterhalb des Dortmunder Mannschafshotels Don Pepe Gran Melia, saß Emre Can und sprach erstaunlich offen über die vergangenen drei Jahre. "Ich weiß, dass ich nicht den besten Fußball gespielt habe, seit ich in Dortmund bin", verriet er damals im kicker-Interview und blickte auch auf seine persönliche erste Saisonhälfte zurück, mit der er nicht zufrieden sein konnte, "überhaupt nicht, gar nicht".

Ein halbes Jahr ist dieses Gespräch inzwischen her - und die Entwicklung von Can in der Zwischenzeit könnte nicht viel erstaunlicher sein. Von einem Dauergast in der Liste möglicher Verkaufskandidaten hat sich der Defensiv-Allrounder seitdem zu einem Stammspieler entwickelt, zum absoluten Leistungsträger der so bitter unvollendeten Aufholjagd des BVB seit dem Winter - und zum Anker für die mittelfristige Zukunft der Dortmunder.

Ganz verschwunden sind die Ausrutscher noch nicht

Am Samstag gab der BVB bekannt, den im Sommer 2024 auslaufenden Vertrag mit dem inzwischen 29-Jährigen vorzeitig um zwei weitere Jahre verlängert zu haben. "Emre hat sich in der abgelaufenen Saison zu dem Führungsspieler entwickelt, den wir immer in ihm gesehen haben", verpackte Sportdirektor Sebastian Kehl diese Wertschätzung in Worte: "Wir schätzen seine Gier, seine Physis und seinen absoluten Willen, jedes Spiel gewinnen zu wollen, und das nicht nur bei Borussia Dortmund, sondern auch in der Nationalmannschaft." Can sei "eine starke, gereifte Persönlichkeit und verfügt über große internationale Erfahrung".

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Gier, Physis, Willen, Persönlichkeit und Erfahrung - darin mangelte es dem gebürtigen Frankfurter auch zu keiner Zeit seit seinem Wechsel von Juventus Turin im Winter 2020. Dafür aber oft an Konstanz und an Risikobewusstsein, auch am Fokus auf seine Stärken. Im zentralen Mittelfeld spielte er, Innenverteidiger ebenfalls, stellenweise sogar Außenverteidiger. Aber immer wieder unterliefen ihm auf diesen sicherheitsrelevanten Positionen einfache Fehler, haarstäubende Pässe im eigenen Verteidigungsdrittel, Ballverluste durch riskantes Andribbeln.

Ganz verschwunden sind diese Ausrutscher noch nicht, aber Can hat es geschafft, vor allem seine Stärken auf den Platz zu bekommen. Er stört den Gegner gegen den Ball mit Aggressivität und Körperlichkeit, hilft mit gutem Timing außen und hinten aus und ist auch im Dreier-Spielaufbau zwischen den Innenverteidigern ein wichtiger Faktor in der Offensive. Der Lohn: Rang 3 in der kicker-Rangliste im defensiven Mittelfeld, Kategorie Internationale Klasse.

Can nach Vertragsverlängerung: "Es geht immer besser"

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Die Leistungen des vergangenen Jahres, das Potenzial und der Vertrauensvorschuss einer vorzeitigen Vertragsverlängerung sind für Can auch eine Verantwortung für die kommende Saison - findet sein Trainer.  "Er hat sich nicht nur bei uns, sondern besonders auch in der Nationalmannschaft über die letzten Monate eine richtig wichtige Rolle erarbeitet", sagt Edin Terzic: "Und daran werden wir ihn messen. Das ist genau das, was wir uns vorgestellt haben, als wir ihn damals verpflichtet haben. Das ist aber auch genau das, was er sich vorgenommen hat." Jetzt gehe es für seinen Profi darum, "den richtigen Weg beizubehalten". Und aufs Neue vor allem die Stärken zu präsentieren, wie Can es selbst sagt: "Jetzt fängt alles wieder bei null an."

Womöglich wartet sogar noch mehr Verantwortung auf den Nationalspieler. "Emre ist auch ein extrem wichtiger Ansprechpartner für mich", sagt Terzic. Da ist der Weg ins durch den Rücktritt von Marco Reus derzeit noch verwaisten Kapitänsamt nicht weit, oder?

"Ich nehme es so, wie es kommt", sagt Can zur offenen Frage, die auf der am Montag startenden USA-Reise beantwortet wird: "Ich werde nicht enttäuscht sein, wenn ich nicht Kapitän werde. Aber ich wäre glücklich, wenn ich Kapitän würde."

Patrick Kleinmann

Die Vertragslaufzeiten der BVB-Profis