2. Bundesliga

Deshalb ist beim HSV gerade vieles anders

Der Kurswechsel und das gelebte Vertrauen zahlen sich langsam aus

Deshalb ist beim HSV gerade vieles anders

Leben das gegenseitige Vertrauen vor: HSV-Sportdirektor Jonas Boldt (l.) und Coach Tim Walter.

Leben das gegenseitige Vertrauen vor: HSV-Sportdirektor Jonas Boldt (l.) und Coach Tim Walter. imago images/eu-images

Die Orakel, dass der nächste Nackenschlag ganz nah sei, hatte es schon nach dem Pokal-Coup in Köln gegeben, spätestens aber nach dem darauffolgenden Derby-Sieg gegen St. Pauli. Frisch Aufgebautes prompt wieder einzureißen, ist in Hamburg schließlich Usus. Doch beim HSV arbeiten Verantwortliche und Spieler in diesen Wochen beharrlich daran, mit Traditionen zu brechen. Und das 5:0 von Darmstadt ist so etwas wie ein Zwischenergebnis dieses Prozesses.

Coach Walter betont gebetsmühlenartig den Zusammenhalt seiner Mannschaft

Umbrüche hatte es in der zurückliegenden Dekade immer wieder gegeben. Begleitet waren sie meist von propagierten Absichten, die am Ende jedoch als Absichtserklärungen verpufften. Schon der Transfersommer, spätestens aber die Ende Januar abgelaufene Wintertransferperiode waren daher echte Gradmesser: Würde der (zu) spät eingeleitete Weg der Entwicklung weiter beschritten oder doch wieder über Bord geworfen, um vermeintliche "Aufstiegsversicherungen" zu verpflichten? Zum Jahresbeginn hatte Sportdirektor Michael Mutzel in einem kicker-Interview erklärt, dass es eine Lehre aus der Vergangenheit sei, dass es sogenannte Aufstiegsgarantien nicht gebe - und tatsächlich haben er, Sportvorstand Jonas Boldt und Trainer Tim Walter auch danach gehandelt, als sich am letzten Januartag die Wunschlösungen zerschlugen und ein Risiko-Deal möglich gewesen wäre: Hoffenheims Sargis Adamyan (28) hätte sportlich fraglos helfen können, an einen Leih-Deal aber wäre eine Kaufpflicht gebunden gewesen. Natürlich gehört zur Wahrheit, dass der HSV auch deshalb Abstand nahm, weil die Kassen längst leer sind nach jahrelanger Misswirtschaft. Ein weiterer Grund aber war auch Vertrauen, das Walter seit Monaten nicht nur predigt, sondern auch lebt. Der Coach wiederholt gebetsmühlenartig, dass er den Zusammenhalt in seiner Mannschaft als außergewöhnlich empfindet, "und das ist nicht nur so dahergesagt. Ich sehe und spüre ja jeden Tag, wie die Jungs miteinander umgehen."

Gegenseitiges Vertrauen ist eine Ursache dafür, dass sich der HSV gegen die Widerstände während eines höchst mittelmäßigen Saisonstarts behauptet hat. Und er führt auch dazu, dass Erfolge wie in Köln oder im Derby nicht mehr die Sinne vernebeln, sondern stattdessen offenbar die Gier nach mehr wecken. "Wir sollten den Ball flach halten", rät Walter daher nach dem klaren Sieg beim Ersten, "es geht direkt weiter." Am kommenden Samstag kommt Heidenheim. Ein Gegner, der nicht den großen Klang hat, sich aber nicht nur aktuell tabellarisch auf Augenhöhe bewegt, sondern es längst auch ist. In Hamburg haben sie diese Realität akzeptiert. "Der Abstand zu den etablierten Zweitligisten ist nicht mehr gegeben", sagt Mutzel, "das mag für viele überraschend klingen, aber es ist die Realität."

Walter: ""Wir sind gut beraten, nur auf uns zu schauen"

Dieser neue Umgang mit der Wirklichkeit ist neben dem Faktor Vertrauen ganz wesentlich dafür, dass in diesen Wochen vieles anders läuft als in der Vergangenheit, da der HSV stets stark startete und am Ende am Aufstiegsdruck und außerdem auch daran zerbrach, dass von ganz oben eben nicht das gelebt wurde, was zuvor propagiert worden war. "Wir sind gut beraten, nur auf uns zu schauen", sagt Walter. Mit dieser Aussage, schafft er es nicht in die Schlagzeilen. Aber in denen war sein Klub in den Vorjahren ausreichend vertreten. Der Coach arbeitet - ohne darüber zu reden - vielmehr daran, mit einer weiteten Tradition zu brechen. Und eine Saison mal mit einem umgekehrten Kurvenverlauf zu beschließen. Angesichts der erstarkten Absteiger Werder und Schalke ist auch ein vierter Nicht-Aufstieg kein unrealistisches Szenario. Aktuell aber deutet wenig darauf hin, dass dies dann in den altbekannten Symptomen begründet liegen könnte. 

Sebastian Wolff

Dreimal mit Bestnote: Die kicker-Elf des 21. Spieltags