Champions League

kicker & DAZN - die Story: Was wurde aus Eden Hazard?

kicker & DAZN - die Story

Der Mythos vom Bruder-Trick: Was ist eigentlich mit Eden Hazard los?

Verstehen kann er es wahrscheinlich selbst nicht so richtig: Eden Hazard.

Verstehen kann er es wahrscheinlich selbst nicht so richtig: Eden Hazard. imago images/AgenciaLOF

In Köln erzählt man sich vielleicht noch heute von einer List, der der 1. FC einst zum Opfer gefallen sein soll. Im Sommer 1965, die Geißböcke waren in den vergangenen vier Jahren immer mindestens Zweiter geworden, ließen sie den jugoslawischen Angreifer Srdjan Cebinac vorspielen, der die Kölner Kinnladen Richtung Boden fallen ließ.

Köln verpflichtete Cebinac, dessen Leistungen jedoch nie an dieses verheißungsvolle Probetraining anknüpfen konnten - schon nach einem Jahr war er wieder weg. Als in den Folgejahren aber Cebinacs Zwillingsbruder Zvezdan für den 1. FC Nürnberg und Hannover 96 die Bundesliga so aufwirbelte, wie "Srdjan" es im Kölner Probetraining getan hatte, entstand der Mythos vom Bruder-Trick. Hatte Zvezdan Srdjan einen Vertrag erschlichen?

Ein kurzes Aufflackern im Oktober 2020

Sollte bei Real Madrid schon mal jemand von dieser Geschichte gehört haben, er dürfte sich leidig an das Schauspiel erinnert fühlen, das Eden Hazard seit seiner Ankunft im Sommer 2019 beim spanischen Rekordmeister abliefert. Der Belgier wirft eine Frage auf, die sich die Königlichen in ihrer Vereinsgeschichte bislang eher selten stellen mussten: "Was ist eigentlich mit unserer Nummer 7 los?"

Eden Hazard

Der gefallene Zauberer: "Habe gedacht, wir reden über Messi vs. Hazard"

alle Videos in der Übersicht

Es gab da diesen einen Moment, und vielleicht war es wirklich nur einer. Nach einer schnellen Drehung zimmerte Hazard den Ball im Oktober 2020, im Heimspiel gegen SD Huesca, beinahe ansatzlos aus 25 Metern mit dem schwächeren Linken genau ins Eck. Ein Tor, über dem geschrieben stand: Das kann nur ein besonderer Spieler.

Vor inzwischen eineinhalb Jahren war sie noch mal kurz aufgeblitzt, die Extraklasse eines der über Jahre weltbesten Angreifer - wenn auch nicht ganz so, wie sie im Trikot des FC Chelsea zu bestaunen gewesen war, den Real am Dienstag (21 Uhr, LIVE! bei kicker) zum CL-Viertelfinal-Rückspiel empfängt (Hinspiel: 3:1 für Madrid). Diese Dynamik, Wendigkeit, Dribbelstärke, das Selbstbewusstsein, der Torinstinkt. Darauf warten sie in Madrid noch immer.

Es wirkt beinahe so, als hätte der Eden Hazard, dem Real Transferfenster für Transferfenster hinterhergejagt sein soll, im Europa-League-Finale 2019 in Baku seine Abschiedsvorstellung gegeben. Zwei Tore und eine Vorlage in seinem letzten Spiel für die Blues - vielen Dank, auf Wiedersehen. Nur ohne den Part mit dem Wiedersehen.

Bruder Thorgan würden die Königlichen womöglich mit Kusshand nehmen, denn es scheint so, als hätten sie - für eine Ablöse im Bereich der 100 Millionen Euro (und ein extrem lukratives Gehalt) - Hazards deutlich unbegabteren Zwilling bekommen. Oder zumindest einen, der am Buffet beim Bankett in Baku ordentlich zugelangt hat.

Ein Umlernen wie bei Puskas ist nicht in Sicht

Die sichtlich vorhandenen Extrakilos hatten bei Real im Sommer 2019 zunächst die wenigsten besorgt. Gut 60 Jahre zuvor hatte der Königstransfer einmal Ferenc Puskas geheißen, der das Idealgewicht eines Profisportlers maximal vom Hörensagen kannte, der verloren gegangene Beweglichkeit und Explosivität allerdings durch einen Positionswechsel samt sagenhafter Torquote kaschierte.

Hazard hingegen steht nach knapp drei Jahren erst bei insgesamt (!) 16 Torbeteiligungen - die gleiche Anzahl wie die seiner Verletzungen in dieser Zeit. Für 65 Spiele - längst nicht immer in der Anfangsformation - reichte es gerade mal, nur nach einem einzigen durfte sich der Belgier als Matchwinner feiern lassen. Bei einem Auswärtssieg gegen Underdog Elche in der Copa del Rey, aus der sich Real längst verabschiedet hat.

Noch keine Minute im Clasico

Nun ist der Pokal für den Rekordsieger der spanischen Meisterschaft und der Champions League etwas, dem offensichtlich nur eine bedingte Bedeutung beigemessen wird. Am anderen Ende dieses Spektrums liegt dann ungefähr der Clasico - in dem Hazard in fast drei Jahren Real noch keine einzige Minute auf dem Rasen verbracht hat.

Selbst als sich die Blancos zuletzt mit 0:4 an die Wand spielen ließen, war der 100-Millionen-Mann keine Option. Madrid ist Baku näher als Hazard der verdienten Bezeichnung "Galactico". Jenseits vom Namen ist da nicht mehr viel.

Die teuersten Transfers der Welt - und wo sich Kane und Kolo Muani einordnen

Er bevorzuge andere Spieler, erklärte Carlo Ancelotti schon mehrmals offen. Zwischen den Zeilen legte der Trainer dem Spieler, den er ziemlich konsequent ignoriert, sogar mal einen Abgang nahe. Fakt ist: Ancelotti braucht ihn nicht. Dribblings bricht Hazard inzwischen ab und sein Tempo reicht nicht mehr, um an den meisten Gegenspielern vorbeizuziehen.

Eden Hazard

Ein paar Kilo zu viel - darunter leidet auch Hazards Spritzigkeit. Getty Images

Dann eben Tormaschine wie Puskas? Eine solche könnte Real in Abwesenheit von Karim Benzema dringlich gebrauchen. Keine Chance, manchmal scheint sich Hazard einem Abschluss im Strafraum regelrecht zu verweigern. Das Selbstvertrauen ist weg, und eigentlich auch alles andere, was den Ausnahmefußballer einst ausgemacht hat. Woran liegt das?

Austrainiert war er auch bei Chelsea nicht. An der Motivation dürfte es ebenso wenig mangeln. "Sein Traum war es immer, bei Real Madrid zu spielen", verriet Nationalmannschaftskollege Thibaut Courtois, der für seinen Landsmann immer mal wieder in die Bresche springt. "Eden ist nicht irgendein Spieler. Er hat gezeigt, dass er einer der besten der Welt ist." Nicht bei Real Madrid. Dort ist der Spieler, von dem Courtois spricht, nie angekommen.

Für Hazard gibt es nur eine Position - und die ist bei Real besetzt

Das ist das Besondere im Fall Hazard, von einem schleichenden Niedergang kann keine Rede sein. Wie über Nacht ist dieser Weltklassespieler plötzlich verschwunden. Zur Wahrheit gehört auch, dass, wenn es ihn noch irgendwo gibt, er selten wirklich die Chance bekommen hat, sich wieder zu zeigen. Immer mal wieder heißt es zwar "Er ist wieder da", "Jetzt ist er fit" - oder irgendwas zwischen 100 Prozent und der besten Version seiner selbst.

Dann aber setzt ihn Ancelotti wieder auf die Bank, weil Hazard sportlich ja auch keine Gegenargumente liefert. Auf der in Madrid eigentlich verwaisten rechten Seite klappt es nicht, links ist an Vinicius Junior kein Vorbeikommen und mit einem Zehner spielt Ancelotti nicht. Und Besserung ist nicht in Sicht.

Ein Eden-Dribbling gegen fünf oder sechs Mann gibt es nicht mehr.

Christian Benteke über Eden Hazard

Mit seinem Schicksal hadert der 31-Jährige selten, zumindest nicht öffentlich. Auch ein Wechsel steht momentan nicht im Raum. Stattdessen sei er glücklich bei seinem Traumklub, er wolle ein Anführer sein und "das viele Geld, das Real Madrid für mich ausgegeben hat, zurückzahlen". Doch wie soll das funktionieren, sollte er inzwischen das erkannt haben, was sein Landsmann Christian Benteke einmal schonungslos in Worte fasste?

"Durch seine Verletzungen ist Eden heute ein anderer Spieler", erklärt Benteke, "ein Eden-Dribbling gegen fünf oder sechs Mann gibt es nicht mehr." Zu dieser Erkenntnis dürfte man mittlerweile auch bei Real gekommen sein, wo wohl keiner mehr ernsthaft daran glaubt, dass der Mann aus Baku jemals in Madrid ankommen wird. Damit einher geht allerdings die Erkenntnis, dass man für diesen anderen Spieler viel zu viel Geld ausgegeben hat.

Niklas Baumgart

Thumbnail

"Lasch und schläfrig": Bayerns Probleme vor dem Villarreal-Showdown

alle Videos in der Übersicht