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Der FCN und die Frage nach der Transparenz

Ein mutmaßliches Plus mit einem Haken

Der FCN und die Frage nach der Transparenz

Nürnbergs Aufsichtsratschef Dr. Thomas Grethlein.

Nürnbergs Aufsichtsratschef Dr. Thomas Grethlein. IMAGO/Zink

So manch eingefleischten Fan des 1.FC Nürnberg wird es wundern, dass die Lichter im Max-Morlock-Stadion noch nicht ausgegangen sind. Denn von den Aussagen von Vorstand und Aufsichtsrat des fränkischen Zweitligisten aus den vergangenen Mitgliederversammlungen konnte man schon den Eindruck gewinnen, dass exakt dies passieren würde, wenn der Club nicht auf der Stelle eine Marketing-GmbH gründen würde.

"Eigentlich bräuchten wir sie übermorgen. Wir müssen prüfen, ob wir noch ein Jahr warten können", hatte Aufsichtsratschef Dr. Thomas Grethlein im Oktober 2021 gesagt, nachdem das Ansinnen knapp an der nötigen Dreiviertelmehrheit in der Mitgliederversammlung gescheitert war. Im November 2022 dann winkte die MV die Satzungsänderung durch, wonach der Vorstand Tochtergesellschaften ins Leben rufen kann. Wieder hatten diverse Funktionäre die Notwendigkeit dieser Satzungsänderung als geradezu überlebensnotwendig dargestellt. Und dann passierte: offenkundig nichts.

Zwar teilt der Club auf die Frage, warum es immer noch keine Marketing-GmbH gibt, mit: "Diese wurde bereits gegründet und Dirk Schlünz als Geschäftsführer benannt." Offiziell eingetragen aber ist sie noch nicht, zumindest gibt es nach Auskunft des Registergerichts Nürnberg immer noch keine 1.FC Nürnberg Marketing GmbH. Sprich: Alt kann die Gesellschaft noch nicht sein. Alles in allem wirkt es erstaunlich, dass 2021 bzw. 2022 alles noch so schnell gehen musste mit der GmbH und der Verein dann, nach dem Grünen Licht durch die Mitglieder, ein ganzes Jahr benötigt, um eine simple GmbH ins Leben zu rufen.

Steckt mehr hinter dem lauten Werben für die Gründung einer Marketing-GmbH?

Oder steckte mehr hinter dem lauten Werben von Finanzvorstand Niels Rossow, Aufsichtsratschef Grethlein und Ex-OB Dr. Ulrich Maly, Mitglied des Kontrollgremiums? Schließlich plag(t)en den FCN heftige Finanzsorgen. Da wäre es nur recht und billig, frisches Kapital durch Anteilsverkäufe an Tochtergesellschaften zu generieren. Dass es 2022 Gespräche mit Interessenten an solchen Anteilen gegeben haben soll, verneint man beim Club kategorisch. Nur stellt sich dann die Frage: Hatte der FCN vor knapp einem Jahr überhaupt eine andere Option, eine Lizenzstrafe der Deutschen Fußball-Liga (DFL) zu umgehen und letztlich den Lizenzerhalt zu sichern für die 2. Liga, als bei einem privaten Darlehensgeber um einen Forderungsverzicht zu bitten? "Unsere Zielsetzung ist, stets den Anforderungen der Lizensierungsordnung zu entsprechen. Diese gibt den Rahmen sehr klar vor, auch welcher Instrumente man sich bedienen kann", teilt der Verein mit.

Rückblende: Das Eigenkapital der Franken hatte sich zwischen den Stichtagen 30. Juni 2021 und 2022 von minus 3,78 auf minus 6,36 Millionen Euro verschlechtert. Und damit drohte ein Problem mit der DFL, die die während der Pandemie gelockerten Finanzregeln wieder verschärft hatte. Seither muss ein Zweitligist im Lizenzierungsverfahren bei negativem Eigenkapital den Wert um 5 Prozent verbessern. Ansonsten drohen Sanktionen. Der FCN brauchte also dringend wirtschaftliche Hilfe im Winter 2022 und zwar schnell, weil der Stichtag für den Nachweis des verbesserten Eigenkapitals der 31. Dezember ist.

Also bat man oben genannten Unternehmer, bei dem der FCN mit Millionen in der Schuld stand, um einen sogenannten Forderungsverzicht mit Besserungsscheinen. Das heißt, stark vereinfacht: Der Schuldner muss den Kreditgeber erst bedienen, wenn er selbst wieder wirtschaftlich besser dasteht. Die DFL akzeptiert solche Konstrukte als Eigenkapital, wenn die Darlehen für ein Jahr zinslos und nachrangig gestellt werden, also der Kreditgeber im Insolvenzfall als Letzter bedient wird. Offenbar ging der Gönner - der Name ist dem kicker bekannt - ohne größere Vorbehalte darauf ein. Grethlein erklärte jüngst in einem Interview mit der Bild-Zeitung: "Als wir ihn angesprochen haben, hat er ohne großes Zögern zugestimmt."

Dank des Finanzkniffs: FCN rechnet mit einem kleinen Gewinn

Das Finanzkonstrukt des Forderungsverzichts hat einen für die Club-Führung netten Nebeneffekt, mit dem sie nun, auf der MV an diesem Donnerstag, wuchern kann: Obwohl die Verbindlichkeit nur temporär "weg" ist, wird sie in der Gewinn- und Verlustrechnung als Ertrag verbucht. Ein eigentlich defizitär arbeitendes Unternehmen weist so plötzlich ein Plus aus. Beim FCN rechnet man offenbar mit einem kleinen Gewinn dank dieses - erlaubten - Finanzkniffs. Denn auf die Frage, ob das Ergebnis nicht positiv werden würde, wenn man nicht diesen Gönner gehabt hätte, hatte Grethlein der Bild gesagt: "Das ist richtig."

Was man dagegen nicht sagen möchte: Auf welche Summe sich der Forderungsverzicht beläuft. Dabei wäre diese Kennzahl schon wichtig, um die wirtschaftliche Lage des Zweitligisten wirklich einschätzen zu können. Wenn die FCN-Verantwortlichen am Donnerstag den Mitgliedern einen Gewinn für die Saison 2022/23 präsentieren, dann ist da ja, wie oben beschrieben, ein Haken: Der temporäre Forderungsverzicht wird erheblich dazu beigetragen haben. Dabei ist es ja nicht so, als hätten die Franken keine außerplanmäßigen Einnahmen gehabt. Sie erreichten überraschend das DFB-Pokalviertelfinale, dafür flossen alleine an Prämien 3,13 Millionen Euro. Ohne den Gönner hätte das Ergebnis mutmaßlich einmal mehr düster ausgesehen, nachdem schon in den beiden Spielzeiten zuvor zusammengenommen fast 12 Millionen Euro an Verlust aufgelaufen waren.

Um die Schieflage in der Stadt des einstigen Rekordmeisters zu erklären, gibt es viele Argumente. Fehlende Zuschauereinnahmen aus der Pandemie, ein baufälliges und gleichsam im Erhalt teures Stadion, schlechte sportliche wie wirtschaftliche Entscheidungen. Wenn der Traditionsverein nicht bald mit überdurchschnittlichem sportlichen Erfolg aus dieser Spirale ausbricht, wird er mittelfristig der 3. Liga näherstehen als der Bundesliga. In dieser Hinsicht kann das Konstrukt des Forderungsverzichts mit Besserungsscheinen auch hemmen. Denn üblicherweise muss der Gläubiger bei besserer Geschäftslage bedient werden. Überschüsse können also nicht per se in den Sportetat gesteckt werden, um so die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg zu erhöhen und für einen Zuwachs beispielsweise aus den leistungsorientiert ausgezahlten Mediengeldern zu sorgen. Stichwort "Geld schießt Tore".

Speziell die Ultras setzen sich mittlerweile deutlich kritischer mit dem Aufsichtsrat auseinander und speziell mit Grethlein, der erneut kandidieren wird genau wie erstmals, gewissermaßen als Gegenkandidat, Vereinslegende Raphael Schäfer. In einer Stellungnahme im Oktober zweifelte deren Fan-Organisationsverbund "Nordkurve Nürnberg" die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Kontrolleure an: "Es stellt sich die Frage nach der ursprünglichen Aufgabe des Aufsichtsrats, nach der Kontrollfunktion gegenüber den Vorständen." Auslöser war eine Kontroverse um den Hauptsponsorendeal. Doch bezogen auf das Große und Ganze geht es um die Frage der Transparenz beim FCN, dessen Profiabteilung nach wie vor im e.V. angesiedelt ist.

Und da müssen sich die hartgesottenen Kurvengänger vorwerfen lassen, im vergangenen Jahr einen Antrag des ehemaligen Aufsichtsrats Günther Koch abgebügelt zu haben, der den Mitgliedern mehr Einsicht geboten hätte. Der frühere Radioreporter wollte eine Veröffentlichung des Haushaltsplans in die Satzung mitaufnehmen lassen. Kochs Argumentation, verkürzt dargestellt: Nur wenn die MV diese Planzahlen mit den realen Zahlen abgleichen könne, könne sie die Arbeit von Aufsichtsrat und Vorstand final bewerten. Grethleins, der bei einem Ja der MV dazu zurückgetreten wäre, damaliges Argument dagegen: "Dann weiß jeder Wettbewerber, was sich bei uns abspielt."

Radio-Legende Koch wird erneut Antrag auf Amtszeitbegrenzung der Aufsichtsräte stellen

Wobei sich derartige Offenbarungen vermeiden ließen, indem der (zuvor eingereichte) Haushaltsplan einfach erst kurz vor der folgenden MV publiziert wird - was eine Kontrolle im Nachgang ermöglicht, ohne der Konkurrenz aktuelle Zahlen zu liefern. Lediglich für Kochs damaligen Antrag, auch die Finanzberichte der Tochtergesellschaften zu publizieren, fand sich eine deutliche Mehrheit - zu der, Stichwort Transparenz, Grethlein und mindestens zwei weitere Kontrolleure laut der Bild nicht zählten. Koch jedenfalls stellt auch diesmal wieder einen Antrag. Einen, mit dem er ebenso im Vorjahr gescheitert war: Amtszeitbegrenzung der Aufsichtsräte auf deren drei. Wird Grethlein am Donnerstag wiedergewählt, wovon man ausgehen darf, wäre es seine vierte Amtszeit.

Benni Hofmann