Bundesliga

Der Eintracht droht das Schicksal von "Hans Guck-in-die-Luft"

Schlafmützigen Frankfurtern fehlt das Fundament

Der Eintracht droht das Schicksal von "Hans Guck-in-die-Luft"

Hat es bisher nicht verstanden, der Mannschaft die Grundtugenden zu vermitteln: Eintracht-Coach Dino Toppmöller.

Hat es bisher nicht verstanden, der Mannschaft die Grundtugenden zu vermitteln: Eintracht-Coach Dino Toppmöller. IMAGO/Eibner

Die Entwicklung der Eintracht in diesem Frühjahr erinnert ein wenig an die Unglücke von "Hans Guck-in-die-Luft". In der Erzählung aus dem "Struwwelpeter" schaut Hans immerzu in die Luft und nimmt die Gefahren um sich herum nicht wahr. So geschieht es, dass er eines Tages kopfüber in einen Fluss fällt und triefend nass herausgefischt wird.

"Wir haben die erste Hälfte verschlafen"

Dino Toppmöller

Auch die Eintracht droht unfreiwillig baden zu gehen, wenn sie nicht endlich ihre Sinne schärft. "Wir haben die erste Hälfte verschlafen", resümiert Dino Toppmöller zerknirscht. Die Kritik und der Druck auf den Trainer nehmen von Woche zu Woche zu. Schafft der 43-jährige Novize noch die Wende? Zweifel sind angebracht, zu groß die Defizite. In Stuttgart mangelte es wieder einmal an den Basics, allen voran: kompaktes, aggressives Anlaufen und synchrones Verschieben.

Nach Fares Chaibis Ballverlust vor dem 0:1 waren die Abstände im Mittelfeld so groß, dass eine Büffelherde hätte hindurchspazieren können. Kapitale individuelle Fehler wie von Robin Koch vor dem 0:2 rundeten das Bild ab. Auch das erste Gegentor wäre vielleicht noch zu verhindern gewesen, wenn der schnelle Willian Pacho die Tiefe verteidigt hätte, statt auf Abseits zu spielen. Das dritte Gegentor war in erster Linie das Resultat eines indiskutablen Anlaufverhaltens der Herren Chaibi, Pacho und Ansgar Knauff - Alibi-Fußball par excellence.

Scharfe Kritik von Matthäus

"Wenn wir angreifen und pressen, müssen wir im Vollsprint attackieren. Aber wir bleiben immer einen Schritt vorher stehen. So konnte Stuttgart herausspielen und wir mussten hinterherlaufen", moniert Torhüter Kevin Trapp. Es bestätigte sich der Larifari-Eindruck, den man am vergangenen Dienstag beim einzigen öffentlichen Training der Woche gewinnen konnte. Schon da ging es in den Spielen auf engem Raum viel zu handzahm zu. Lothar Matthäus legte bei "Sky" den Finger in die Wunde: "In der Defensive waren die Frankfurter in der ersten Hälfte unterirdisch. Alle drei Tore hätten mit Kleinigkeiten vermieden werden können: ein bisschen mehr mitdenken, ein bisschen aggressiver gegen den Ball arbeiten. Das hat Stuttgart gemacht, Frankfurt nicht."

Toppmöller und die Frage nach den Grundtugenden

Toppmöller hat es bislang nicht verstanden, dem Team die unerlässlichen Grundtugenden zu vermitteln. Deshalb fehlt das Fundament, um im zweiten Schritt für eine fußballerische Entwicklung zu sorgen. Im Ergebnis steht die Eintracht im Frühjahr 2024 für: nichts. Viele Fans verfolgen die Auftritte der krallenlosen Adler inzwischen in einem Zustand der Apathie. Die Mannschaft weckt keinerlei Emotionen. Das freilich müssen sich auch die Spieler ankreiden lassen. Sie lassen ihren Trainer zu oft im Stich und stehen in der Pflicht, ihre Arbeit endlich mit mehr Seriosität zu erledigen.

Lediglich während der besten Saisonphase vom 7. bis zum 11. Spieltag spielte das Team national und international größtenteils wie aus einem Guss, löste sich gut aus Pressingsituationen und zeigte auch im vorderen Drittel ansehnliche Kombinationen. Danach aber gelang es nur noch selten, das Potenzial auszuschöpfen; das fulminante 5:1 gegen die Bayern am 14. Spieltag oder auch das 3:1 gegen Hoffenheim am 25. Spieltag wirken in der Rückbetrachtung wie Strohfeuer. "Wir sind nicht zufrieden mit der Art und Weise, wie wir Fußball spielen", konstatierte Markus Krösche schon in der Vorwoche nach dem ernüchternden 1:1 gegen Werder Bremen. So oder so ähnlich äußerte sich der Sportvorstand in dieser Saison oft.

Das Spiel ist häufig träge, geprägt von vielen einfachen Fehlern, schlechtem Freilaufverhalten, fehlender Kompaktheit und mangelnder Durchschlagskraft in der Offensive. "Wir wollen weniger Klassik und mehr Heavy Metal im Stadion sehen", forderte Krösche vor zwei Monaten plakativ. Darauf warten die Fans noch immer. Um im Bild zu bleiben: Aktuell ist die Panflöte das höchste der Gefühle. Trainer Dino Toppmöller hat es auch nach 42 Pflichtspielen nicht geschafft, seinem Team dauerhaft eine erkennbare Handschrift zu verpassen.

Gegen Augsburg droht ein böses Erwachen

Zu einer fairen Bewertung gehört der Hinweis, dass in Stuttgart ein halbes Dutzend potenzieller Stammspieler fehlte: Neben den verletzten oder gesperrten Sebastian Rode, Sasa Kalajdzic, Ellyes Skhiri, Tuta und Eric Junior Dina Ebimbe meldete sich kurzfristig auch Mario Götze wegen einer Bindehautentzündung ab. Objektiv betrachtet konnte man nicht erwarten, dass die Elf, die Toppmöller zur Verfügung stand, beim Tabellendritten punktet. Doch es geht um die Art und Weise, und die war nicht akzeptabel. Routinier Makoto Hasebe stimmt seinem Coach zu: "Wir haben in der ersten Hälfte geschlafen."

Sollte sich das am Freitag im Verfolgerduell gegen Augsburg wiederholen, droht ein bitterböses Erwachen. Verspielt die SGE tatsächlich den sechsten Platz, wäre Toppmöller wohl kaum noch zu halten. Am Sonntag zeichnete sich zunächst jedoch kein kurzfristiger Trainerwechsel ab. Umso mehr müssen alle Beteiligten auf der Hut sein, dass es der Eintracht nicht wie "Hans Guck-in-die-Luft" ergeht.

Julian Franzke

Bilder zur Partie VfB Stuttgart gegen Eintracht Frankfurt